Stau am Olgaeck: Täglich wälzt sich die Blechlawine im Berufsverkehr durch die Stuttgarter Innenstadt. Foto: dpa

Ein flächendeckendes Parkraummanagement ab 2014 soll Berufspendler zum Umdenken bewegen.

Stuttgart - Stuttgart - Nichts treibt den Stuttgarter mehr um, als das Thema Verkehr. Wer den Bürger nach den größten Problemen in Stuttgart fragt, bekommt zwei Antworten in folgender Reihenfolge: In der Stadt gibt es zu viel Straßenverkehr. Und es gibt zu wenig Parkmöglichkeiten. Man könnte sagen: Das Auto nervt zwar die meisten Menschen, aber kaum einer will oder kann darauf verzichten. Vor allem Pendler sind oft auf das Auto angewiesen. Mehr denn je, wie Thomas Schwarz jetzt herausfand. Der Leiter des statistischen Amts stellt fest: „Obwohl es in Stuttgart einen Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze gibt, nimmt der Pendlerverkehr zu.“

Täglich pendeln 140.000 Berufstätige in und gleichzeitig 70.000 aus der Stadt raus. Daraus zieht er den Schluss: „Weil von den Menschen eine höhere Mobilität im Arbeitsleben erfordert wird, wachsen die Verkehrsströme.“ In Stuttgart stärker als in vielen anderen deutschen Städten. Die Landeshauptstadt gehört laut Schwarz „neben Frankfurt und Düsseldorf zu den Großstädten mit dem höchsten Einpendlerüberschuss“. In Stuttgart pendeln 60 Prozent (140.000) sozialversicherungspflichtige Beschäftigte zur Arbeit. Zum Vergleich: In München sind es nur 46 Prozent. Mehr noch: Unter den 15 größten deutschen Städten hat Stuttgart die zweithöchste Kfz-Dichte: Es sind 382 Pkw je 1000 Einwohner. Am höchsten, so Schwarz, sei die Pkw-Dichte im südlichen Stadtgebiet, den peripheren östlichen Stadtteilen und in der Halbhöhenlage.

Pendeln kostet Zeit, Geld, Nerven und damit viel Lebensqualität

Mit allen bekannten Folgen: Die Lärm- und Abgasemission sowie die Feinstaubbelastung nimmt zu. Die Zeitspanne auf dem Weg zur Arbeit und zurück wird immer größer, die Zeit für Familie, Freunde und Hobbys geht verloren. Auch die Kosten steigen für alle: den Einzelnen und die Allgemeinheit. Die Verbraucherpreisentwicklung (von 2000 bis 4/2012) im Land belegt: Der Kraftfahrerpreisindex ist um 25 Prozent gestiegen, die Beförderung auf der Schiene um 29 Prozent, das Plus der Personenbeförderung auf der Straße um 22 Prozent.

Kurzum: Pendeln kostet Zeit, Geld, Nerven und damit viel Lebensqualität. Nicht zuletzt deshalb fordern die Stuttgarter Grünen eine Trendwende. „Wir müssen umdenken“, sagt Stadtrat Jochen Stopper, „das Straßensystem schafft es nicht mehr.“ Stuttgart brauche dringend neue Konzepte. Beweis für die Dringlichkeit liefere die Hohenheimer Straße. Bereits Mitte Januar sind dort die Grenzwerte für Stickoxide 21-mal überschritten worden. Zulässig sind jährlich 18 Überschreitungen. Auch das Thema Feinstaub in der Neckarstraße ist sattsam bekannt. Nirgendwo werden höhere Werte gemessen als dort.

Allerdings könnte man nach dem Studium der Analyse von Statistiker Schwarz auch zu einem anderen Schluss kommen. Nämlich dass die Spitze einer Entwicklung erreicht ist. Einige Faktoren sprechen für diese These. Die Bürgerbefragung 2011 zeigt: Das Auto verliert als Verkehrsmittel zur Arbeit oder zur Schule an Bedeutung. Gleichzeitig legen öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad an Beliebtheit zu. Dies gilt vor allem bei den Jüngeren. Die emotionale Bindung der 18- und 25-Jährigen zum Auto nimmt laut einer Untersuchung (auto-institut.de) ab.

Keine Verkehrswende nötig, um Kollaps auf Straßen abzuwenden?

Im Gegensatz dazu verzeichnen die SSB seit 2000 ein Plus an Fahrgästen von zehn Prozent (18,3 Millionen Personen). Ähnliche Zuwächse (15 Prozent) meldet der VVS seit 2011. Vor allem der Berufsverkehr (18 Prozent) und der Ausbildungsverkehr (59 Prozent) machen den Löwenanteil bei der Zunahme der beförderten Personen aus. Einen weiteren Aspekt liefert die demografische Entwicklung: weniger Menschen bedeuten in Zukunft weniger Autos.

Ist also gar keine Verkehrswende nötig, um den Kollaps auf Stuttgarts Straßen abzuwenden? Regelt etwa die Vernunft, der Preisdruck, die Alterspyramide oder das grüne Gewissen alle Verkehrsprobleme ohne ordnungspolitisches Eingreifen?

Parkraummanagement als eine Waffe gegen die Pendlerströme

„Irgendwann schon“, glaubt Stephan Oehler, Leiter der Abteilung Verkehr im Stadtplanungsamt: „Allerdings greifen diese Mechanismen erst langfristig.“ Daher werde die Stadt jetzt handeln. Oehler nennt das Parkraummanagement als eine Waffe gegen die Pendlerströme. Was im Westen erfolgreich praktiziert wird, soll bald für fast die ganze Stadt gelten: Anwohner mit Ausweis dürfen parken. Pendler, die ihr Fahrzeug tagsüber abstellen, müssen zahlen.

Der Zeitplan für die Umsetzung eines flächendeckenden Parkraummanagements sieht so aus: Ende 2013 soll der Gemeinderat in den Haushaltsberatungen die Sache verabschieden, damit im Laufe des Jahres 2014 gestartet werden kann. Bis dahin soll die Abteilung von Oehler untersuchen, in welchen Bezirken ein Parkraummanagement sinnvoll ist. „Die Umsetzung lässt sich nicht schablonenhaft vom Westen auf alle Bezirke übertragen“, sagt Hermann Karpf, die rechte Hand von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Zudem kündigt er vor dem Start „eine Reihe von Infoveranstaltungen“ an.

Manchen dauert das alles zu lange. Anderen greift dieser Plan der Stadt zu kurz. Auch Hermann Karpf räumt ein: „Das Parkraummanagement ist keine Allzweckwaffe gegen die Pendlerströme, aber es ist durchaus ein wirksames Instrument.“