Leni Breymaier liebäugelt weiterhin mit Rot-Rot-Grün. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

SPD-Landeschefin Leni Breymaier macht „zu allererst die Manager der Automobilkonzerne“ für den enormen Vertrauensverlust von Politik und Industrie in der Abgaskrise verantwortlich. Als Gegenmittel setzt sie nun auf „höchste Transparenz“.

Stuttgart - Die SPD sucht weiterhin nach einem zündenden Thema, das ihrem Bundestagswahlkampf mehr Schub verleihen könnte. Die Dieselkrise könnte eines sein. Der baden-württembergische Landesverband strebt in die Offensive.

Frau Breymaier, hätten Sie als Ministerpräsidentin Ihre Regierungserklärung einem halbstaatlichen Konzern wie VW auch zur Korrektur vorgelegt?
Wenn ich bei einzelnen Fakten einer Regierungserklärung unsicher wäre, könnte ich mir vorstellen, dass ich dann nachfrage. Da das Land Niedersachsen an Volkswagen beteiligt ist und der Ministerpräsident seit jeher im Aufsichtsrat sitzt, gibt es dort auch andere Verantwortungen.
Pflegen Autoindustrie und Politik generell eine zu große Nähe?
Wir alle haben von dem Wohlgefühl der Automobilindustrie an den Standorten bisher ganz gut gelebt. Die Frage ist, ob sie sich zu wohl gefühlt hat und ob die Wege zwischen den politisch Verantwortlichen und der Industrie zu kurz sind. Die Verflechtungen sind eng. Wenn dies zu Lasten von Umwelt und Verbrauchern geht oder wenn man sich durch aktive Manipulationen illegal verhalten hat, ist das nicht mehr tolerabel. Das bringt die ganze Branche in Verruf und Arbeitsplätze in Gefahr. Ich will, dass sich die Autoindustrie in Baden-Württemberg weiterhin wohl fühlt, aber die Spielregeln müssen eingehalten werden.

Die zehn wichtigsten Fakten zum Diesel-Skandal und den Kartellvorwürfen gegen deutsche Autobauer sehen Sie im Video:

Eine neue Umfrage attestiert der Politik im Umgang mit der Autoindustrie einen enormen Vertrauensverlust – den hat die SPD mit verursacht. Was tun Sie dagegen?
Alle haben daran ihren Anteil. Zu allererst die Manager der Automobilkonzerne. War es nicht Frau Merkel, die den Begriff der „marktkonformen Demokratie“ geprägt hat? Es geht jetzt darum, kriminelles Handeln aufzuklären und zu ahnden. Zeitgleich braucht es höchste Transparenz. Und der Umstieg auf neue Antriebe muss mit Elan angegangen werden. Hier reichen wir gerne die Hand. Martin Schulz hat mit seinem Fünf-Punkte-Plan sehr umfassende Vorschläge vorgelegt, wie er diesem Vertrauensverlust entgegenwirken will. Die SPD Baden-Württemberg startet im September eine Veranstaltungsreihe der Südländer, um das Thema breit anzugehen – mit den Landesparteien in Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen, die allesamt traditionsreiche Autostandorte haben.
Auch Martin Schulz will einen weiteren Auto-Gipfel – allerdings auf Bundesebene?
Das ist doch selbstverständlich. Der erste Gipfel vor zwei Wochen kann nur der Anfang eines längeren, verbindlichen Prozesses sein. Wir brauchen alsbald eine Zwischenbilanz der bislang vereinbarten Maßnahmen beim Diesel. Wenn die Software-updates nicht ausreichen, müssen technische Umrüstungen her – und zwar auf Kosten der Hersteller. Wir brauchen gerade auch auf Bundesebene eine Plattform, die den Strukturwandel dauerhaft begleitet.
Braucht es einen schnelleren Umstieg auf Elektromobilität?
Es wird sich vieles ändern, gerade bei den Antriebstechniken. Wenn der Elektromotor mal aus dem 3D-Drucker kommt, wird es viele Arbeitsplätze so nicht mehr geben – insofern wird die Autoindustrie ganz anders aufgestellt sein. Elektromobilität wird dabei sicher eine, aber nicht die einzige Lösung sein können. Wenn der Strom aus der Kohleproduktion kommt, haben wir auch nichts gewonnen. Und Feinstaub durch Reifenabrieb gibt es dann immer noch.
Ist die Forderung von Martin Schulz nach einer europaweiten Quote für Elektroautos nur ein Wahlkampfmanöver? Muss Elektromobilität nicht mit Anreizen gefördert werden statt durch Zwang? Und auf EU-Ebene wird es da ohnehin keine Einigkeit geben?
Wir brauchen mehr Druck und klarere gesetzliche Regeln – und natürlich brauchen wir auch die europäischen Rahmenbedingungen, um industriepolitische Projekte anzuschieben, Innovationen und Investitionen zu fördern und dem Klima- und Umweltschutz zu dienen. Außerdem soll diese Quote nicht direkt für die Autobauer gelten, sondern für Neuzulassungen. Das wird ein Anreiz sein, sich eine gute Marktposition zu sichern. Und natürlich sollen weitere Kaufanreize dazu führen, Autos mit Elektroantrieb zu kaufen. Ohne ehrgeizige Ziele tut sich da einfach zu wenig.
Sind Sie für die möglichst rasche Einführung der Blauen Plakette – also für Einfuhrverbote in Städte bei Feinstaubalarm?
Ja, das macht Sinn.
Wie halten Sie es mit dem Aus für den Verbrennungsmotor im Jahr 2030?
Ich würde da kein Datum in Stein meißeln. Aber die Uhr tickt für den Verbrennungsmotor. Es wäre gut, wenn wir mal wieder an der Spitze der Bewegung wären, etwa bei der Frage alternativer Antriebsstoffe.
Wie kann die SPD den Umstieg befördern?
Hier sind wir alle gefordert. Wir müssen unterschiedliche Interessen abwägen, um ihnen gerecht zu werden: die Interessen der Neckartor-Anwohner, der Arbeitnehmer bei Daimler oder Porsche und der Pendler – und auch der Bevölkerung insgesamt. Deshalb starten wir ja jetzt mit unserem Mobilitätsgipfel am 6. September in Stuttgart mit Betroffenen aus allen Bereichen. Da sind Unternehmen, Gewerkschaften und auch der BUND mit dabei.