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Nach dem Tod einer 62-Jährigen muss sich ein Taxifahrer wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Eine Frau war mit ihrem Pedelec in seine geöffnete Tür gekracht. Hat er sich nicht umgesehen oder hat sie zu spät reagiert?

Kirchheim - Eine Frau fährt an einem verregneten Tag mit ihrem Pedelec durch ein Wohngebiet und prallt gegen die geöffnete Tür eines Taxis. Einige Tage später erliegt sie ihren schweren Kopfverletzungen. Am Dienstag musste sich nun der Taxifahrer vor dem Amtsgericht in Kirchheim dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung stellen. Doch trotz der plausiblen Rekonstruktion durch eine Sachverständige konnte der Unfallhergang am Ende nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden. Nach drei Stunden wurde das Verfahren gegen eine Zahlung von 750 Euro eingestellt. Zurück blieben verzweifelte Angehörige und die Frage nach der Schuld.

Die Tochter der Verstorbenen 62-Jährigen trat als Nebenklägerin auf. Auch ein Jahr nach dem tragischen Unfall trug sie schwarz. Zu der Packung Taschentücher, die sie vor sich gelegt hatte, griff sie im Laufe der drei Stunden häufiger. Denn was sich in der Anklageschrift so klar angehört hatte, konnten weder Zeugen noch die Sachverständige sicher untermauern. Laut der Anklage der Staatsanwaltschaft soll der beschuldigte 50-Jährige am 18. Juni 2015 sein Taxi im absoluten Halteverbot abgestellt und beim Öffnen der Fahrertür versäumt haben, nach hinten zu schauen. In diesem Moment, so die Anklage, krachte die 62-Jährige, die keinen Helm getragen hatte, mit ihrem Pedelec in die geöffnete Tür und stürzte. Einige Tage später starb sie im Krankenhaus.

Version des Angeklagten wird durch Zeugen gestützt

Der Angeklagte schilderte den Tathergang etwas anders. Klar ist, dass er am besagten Tag zu einer 90 Jahre alten Dame gerufen wurde, um sie von der Bismarckstraße zum Arzt zu fahren. Nach seinen Ausführungen will der 50-Jährige der Dame erst auf den Beifahrersitz seines Taxi geholfen haben, dann hinten um das Auto gegangen und eingestiegen sein. Beim Zumachen der Tür habe er dann einen Schlag vernommen. Er gab zwar an, sich umgesehen zu haben, die Pedelec-Fahrerin jedoch nicht gesehen zu haben.

Für die Version des Angeklagten sprach die Aussage der 90-jährigen Kundin, die bestätigte, dass sie und der Angeklagte bereits im Auto gesessen hätten, als auch sie den Schlag vernommen habe. „Ich dachte, wir würden jetzt gleich los fahren“, sagte die Rentnerin. Sie berichtete auch über die schlechte Parksituation in ihrer Straße, weshalb der Angeklagte nur im Halteverbot habe halten können, um sie problemlos einsteigen zu lassen. Neben ihrer Gehbehinderung hatte die 90-Jährige zu diesem Zeitpunkt auch einen gebrochenen Arm.

Warum ist die Frau nicht ausgewichen?

Die Richterin Hannah Okonnek wollte vom Angeklagten wissen, weshalb er nicht den Parkplatz genutzt habe, der sich nah am Haus der Kundin befand. Dieser gehöre, so der 50-Jährige, zu einer Kindertagesstätte und sei nicht öffentlich. Das bestätigte dem Schöffengericht auch die Sachverständige, die als letzte Zeugin in dem Fall vernommen wurde. Ihre Berechnungen und Rekonstruktionen warfen schlussendlich auch ausreichend Zweifel an der Anklageschrift auf, so dass die Oberstaatsanwältin die Einstellung des Strafverfahrens gegen eine Zahlung von 750 Euro vorschlug.

Denn nach den Berechnungen der Expertin war die Verunglückte mit rund 25 Kiliometern pro Stunde unterwegs und müsse vor der Kollision zwei Sekunden zum Reagieren gehabt haben. „Sie war weit genug weg, um zu sehen, dass der Angeklagte einsteigt und hätte nach links ziehen können.“ Weshalb sie das nicht getan hat, konnte letzten Endes nicht geklärt werden.

Für die Tochter und den Sohn der Verstorbenen war es schwer zu glauben, dass ihre Mutter als erfahrene Radfahrerin geradezu auf die Autotür habe zufahren können. Sie verließen den Gerichtssaal unter Tränen. Die Richterin Okonnek bedauerte den tragischen Fall und den Verlauf des Verfahrens. Der Betrag in Höhe von 750 Euro könne und solle ein Menschenleben in einem Strafverfahren nicht aufwiegen.