Die Mischung aus Tanz- und Schattentheater kann tolle Bilder liefern. Aber „Shadowland 2“ hat zu wenige davon. Foto: Beowulf Sheehan

Mit „Shadowland“ gelang dem US-amerikanischen Pilobolus Dance Theater ein überzeugendes abendfüllendes Programm aus Schattentheater und Tanz. Am Dienstag hat das unveränderte Kreativteam die schwache Fortsetzung im Theaterhaus präsentiert.

Stuttgart - Im Anfang war das Ei. Die ewige Frage nach dem Quell des gackernden Federviehs respektive dessen Legeprodukts hat sich am Dienstag geklärt. Zumindest im Schattenland, also in der Welt von „Shadowland 2“. Zu Beginn, während die Gäste sich gegenseitig ihre Platzkarten zeigen und den üblichen Smalltalk streuen, weilt das ovale Kükengehäuse auf der Bühne. Urwaldlaute, sprich Affengeschnatter und anderes Gerassel, hallen durchs Theaterhaus. Dann wird’s dunkel. Die Leinwand fährt herunter, der Lichtkegel strahlt, und in ihm schlüpft: ein Schattenvogel Strauß.

Vor fünf Jahren begeisterte das US-amerikanische Pilobolus Dance Theater mit einem abendfüllenden Programm aus Schattentheater und Tanz. Die Show wurde entwickelt, nachdem man für den südkoreanischen Autohersteller Hyundai einen TV-Spot produziert hatte. Lediglich aus den Umrissen der Tänzerkörper formte man damals die Karosserie des zu bewerbenden Modells. Mit „Shadowland“ trat die Truppe dann unter anderem bei „Wetten, dass…?“ auf. Nun kehren die Schatten zurück. Während jene Fernsehsendung mittlerweile abgesetzt wurde, erinnert der Nachfolger „Shadowland 2“ an die verkrampften Versuche von Markus Lanz, das Samstagabendformat auf Biegen und vor allem Brechen zu erhalten.

Ein ganz fantastischer Vogel

Folgte man im ersten Teil noch einem jungen, sich verwandelnden Mädchen durch eine Traumwelt, so steht diesmal ein Arbeiterpärchen (Shawn Fitzgerald Ahern und Jordan Kriston) im narrativen Zentrum. Selbiges trägt blaue Overalls und robotet in einer Fabrik. Anders als bei manch norddeutschem Autofabrikanten kann man sich hier auf die Zulieferer verlassen: Die saugen Lebensformen anderer Planeten auf und transportieren sie in Kartons davon. Allen Verboten zum Trotz öffnet das verliebte Duo eine solche Box, welche besagten Vogel Strauß beherbergt. Dass die beiden das fantastische Tier entwenden wollen, findet der Chef (Derion Loman) nur so mittelgut. Er imaginiert sich film-noir-mäßig in einen Jazzclub, wo das gefiederte Ding am Mikro steht und gewinnbringend trällert.

Der netten Geschichte mangelt es an Höhepunkten. Dabei hatte das Kreativteam hohe Erwartungen geschürt: Um Executive Producer Itamar Kubovy sorgte erneut „Spongebob Schwammkopf“-Autor Steven Banks für den Plot und Songwriter David Poe für die Musik. Letzterer fehlt zumindest im Theaterhaus die Durchschlagskraft. Es mag Kompositionen mit dem Prädikat „einfach und genial“ geben, doch die hier zu hörenden Stücke sind bestenfalls einfach. Den Song „Put it in a Box“ in marginal voneinander abweichenden Arrangements zu wiederholen, hilft da nicht.

Die Technik muss man wegfiltern

Weder akustisch noch visuell gelingt es, die Illusion einer fremden, futuristischen Welt zu erzeugen. Die von beinahe allen Plätzen aus sichtbare Technik muss man, mitunter samt Technikern, gedanklich ohnehin wegfiltern. Und die Idee, statt einer Lichtquelle und einer einzigen großen Leinwand mehrere einzusetzen, raubt der Darbietung die großen, sich einbrennenden Bilder, ohne ihr nennenswerte Möglichkeiten zu schenken. Besonders verdeutlicht das der Vergleich mit der zu Recht beklatschten Zugabe.

Hier formieren sich die Tänzer beeindruckend, zeigen gewaltige Mammuts, die Freiheitsstatue oder auch die jubelauslösende Sau vom Stuttgarter Schweinemuseum. In der eigentlichen Story jedoch wechseln die Szenen zu schnell, kaum ein Moment darf wirken. Flüchtet ein Schatten etwa hektisch auf einem Motorrad, dessen Lenker mit zwei auseinandergestreckten Armen gebildet wird, ist das zwar witzig, aber auch rasch vergessen.

Ein paar coole Sekunden

Zudem treten die Darsteller unnötig häufig bar jeglichen Schattenwurfs in Erscheinung. Die reinen Tanzchoreografien bieten wenig Spektakuläres. Als der üble Boss den Angestellten in eine Art Schädelpresse zwingt, zieht er ihn langsam und kopfüber die Tischplatte empor. Wenn es zu einem artistisch anspruchsvollen Handgemenge kommt, blitzen die kämpfenden Schatten nur kurz auf und vermischen sich dann wieder mit Dunkelheit. Ein paar coole Sekunden. Immerhin.

Generell haben sich die Macher aber schlichtweg übernommen. Reflexionsferne Systemkritik, platte Liebelei, Science-Fiction, Film noir und phantasmagorische Dschungelwelten – wie will man das auch in rund 75 Minuten zu einer stringenten Geschichte verweben? „Shadowland 2“ scheitert daran und kann dies nur äußerst selten durch Bebilderung ausgleichen. Die in jeder Hinsicht dürftige Fortsetzung wird wohl nur wenige Fans zufriedenstellen. Wo viel Schatten, ist in diesem Fall auch nur wenig Licht.