Peter Hauk: einer von drei möglichen CDU-Spitzenkandidaten. Foto: Leif Piechowski

Peter Hauk macht von sich reden. Der Chef der CDU-Landtagsfraktion sieht das Land zunehmend von den Grünen gegängelt und hat deshalb zu einem verbalen Befreiungsschlag ausgeholt. Interessant ist vor allem der Zeitpunkt.

Peter Hauk macht von sich reden. Der Chef der CDU-Landtagsfraktion sieht das Land zunehmend von den Grünen gegängelt und hat deshalb zu einem verbalen Befreiungsschlag ausgeholt. Interessant ist vor allem der Zeitpunkt.

Stuttgart - Ausnahmsweise sind es nicht die Grünen, die Peter Hauks Freiheit einschränken, sondern die Narren. Im Kalender steht „Schmotziger Dunschtig“; an dem Tag würde es der CDU-Fraktionsvorsitzende nie wagen, eine seiner charakteristischen grünen Krawatten zu tragen. Zu groß die Gefahr, dass der Schlips abgetrennt wird. Selbst während eines Redaktionsbesuchs? Hauk lächelt. Man kann ja nie wissen . . .

Nein, kann man nicht. Das Leben steckt voller Überraschungen. Wer wüsste das besser als Peter Hauk. Gerade erst hat er selbst für eine gesorgt, als er ins Land hinausposaunte, die Grünen betrieben „Gesinnungsterrorismus“. Das klang irgendwie nach Thilo Sarrazin von der SPD, der neuerdings von „Tugendterror“ spricht. Jedenfalls war man solche Töne von dem liberalen Hauk nicht gewohnt. Als ehrenamtlicher Organist in Hemsbach bei Osterburken trifft er den Ton. In diesem Fall aber . . . Ministerpräsident Winfried Kretschmann fand, der CDU-Fraktionschef sei „aus der Spur“ geraten. Großzügig gewährte er dem Sünder „Ablass“.

Wie war das mit dem „Gesinnungsterrorismus“ eigentlich gemeint? Hauk, offener Hemdkragen, Gel im Haar, sitzt am Redaktionstisch und lächelt. „Normalerweise fechte ich mit dem Florett. In diesem Fall habe ich mir erlaubt, das Schwert zu ziehen.“ Hauk gibt den fröhlich-entschlossenen Freiheitskämpfer: „Ich stelle fest, dass es die Grünen mit der Freiheit der Andersdenkenden nicht mehr so ernst meinen.“ Konkret macht er das an einem Satz der Grünen-Landtagsabgeordneten Brigitte Lösch fest, die in einer Landtagsdebatte über Gegner des Themas sexuelle Vielfalt im Bildungsplan gesagt hatte, solche Menschen hätten in unserer Gesellschaft nichts verloren. „Das ist Ausgrenzungspolitik“, sagt Hauk. „Das geht nicht.“

Lösch hatte ihre Aussage später korrigiert. Wie ist es bei Hauk? „Ich wiederhole den Begriff nicht“, antwortet er. Statt von „Gesinnungsterrorismus“ spricht der 53-Jährige jetzt von „Bevormundungspolitik“. Zurückzunehmen aber hat er nichts. Schon gar nicht in der Sache. „Ich habe großen Zuspruch erfahren“, sagt Hauk. Viele CDU-Mitglieder dächten ähnlich wie er. Darin drücke sich auch Enttäuschung über die angebliche Bürgerregierung aus, die eine Politik des Gehörtwerdens versprochen habe, in Wahrheit aber nur höre, was sie hören wolle. Hauk blickt streng. Bei der Frage, ob ihm die Äußerung eher geschadet oder genutzt habe, lächelt er wieder: „Ich handle nicht nach dem Motto, was nützt oder was schadet mir.“ Ein Versuch, um sein politisches Profil zu schärfen? Hauk schüttelt den Kopf: „Nein, das spielt keine Rolle.“

Fragen darf man ja. Schließlich taucht am Horizont das Thema Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2016 auf. Manche meinen, die Frage stelle sich indirekt bereits bei der turnusmäßigen Wahl zum Fraktionsvorsitz am 8. April. Hauk wird wieder antreten. Selbstverständlich. Auch um sich im Rennen um die Spitzenkandidatur alle Chancen offen zu halten. Ob er in Person von Landtagspräsident Guido Wolf einen Gegenkandidaten bekommen wird, ist offen. Wolf wird wie Hauk nachgesagt, nächster CDU-Spitzenkandidat werden zu wollen. Schlägt er Hauk bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden aus dem Feld, hätte er es nur noch mit CDU-Landeschef Thomas Strobl zu tun, der als erster sein Interesse an der Spitzenkandidatur bereits offiziell angemeldet hat. Wolf könnte allerdings auch versuchen, abzuwarten und auf Zeit zu spielen – um den Preis, sich zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise gleichzeitig gegen Hauk und Strobl behaupten zu müssen.

Hauk lässt sich auf solche Gedankenspiele nicht ein: „Es gibt keinen Automatismus mehr zwischen Fraktionsvorsitz und Spitzenkandidatur“, sagt er in Anspielung auf vergangene CDU-Zeiten, in denen der Fraktionsvorsitzende automatisch erster Anwärter auf den Ministerpräsidentensessel war. Überhaupt sei die Kandidatenkür aktuell kein Thema. Schon aus taktischen Gründen. Im Mai stünden die Kommunalwahlen an, da könne die CDU keine Personaldiskussion brauchen. Wann dann? Hauks Antwort: „Ein Zeitplan liegt noch nicht vor. Der Spitzenkandidat wird durch eine Mitgliederbefragung gekürt. Das sollte erst 2015 erfolgen.“ Bis dahin gelte es, geschlossen aufzutreten. Wen sollte die CDU aufstellen? „Denjenigen, der die größten Chancen hat.“ Heißt der zufällig Hauk? „Diese Frage stellt sich für mich derzeit nicht.“ Man spürt: vermintes Gelände. Jedes falsche Wort könnte eines zuviel sein. Am besten lächeln.

Der Gast will lieber über Inhalte reden. Zum Beispiel über die Enquete-Kommission Pflege, die die CDU-Landtagsfraktion unter allgemeinem Beifall beantragt hat; das Thema Pflege im Alter soll einen höheren Stellenwert erhalten, finden alle. Strittiger ist die Bildungspolitik. Speziell der Bildungsplan und die Absicht von Grün-Rot dem Thema sexuelle Vielfalt im Schulunterricht einen größeren Stellenwert zu geben. Gegen dieses Ansinnen laufen konservative Kritiker Sturm; eine Online-Petition hat es auf 190 000 Unterschriften gebracht. Gegner und Befürworter haben für diesen Samstag zu neuerlichen Demonstrationen in Stuttgart aufgerufen. Der Ministerpräsident sieht bereits einen „Kulturkampf“ heraufziehen, den es unbedingt zu vermeiden gelte.

Hauk macht Kretschmann allerdings den Vorwurf, sich den grünen Bestrebungen nicht energisch genug zu widersetzen. Der Regierungschef müsse dringend Signale aussenden, „um die Gesellschaft nicht zu spalten“. Aufgabe der Regierung sei es, die beiden Lager zusammenzuführen, „ohne dass eine Seite ihr Gesicht verliert“. Hauks Vorschlag: eine Leitlinie Toleranz im Bildungsplan statt einer „einseitigen Überhöhung“ der sexuellen Vielfalt. „Da kann doch niemand was dagegen haben.“ Man sei zu Gesprächen bereit. „Bis jetzt ist der Ministerpräsident aber noch nicht auf uns zugekommen.“

Spielt das Thema der Opposition nicht sogar in die Hände? „Haben die vielen Kritiker Sie auf die Idee gebracht, ebenfalls empört zu sein?“, wird Hauk vom stellvertretenden Chefredakteur Wolfgang Molitor gefragt. „Vollkommen falsch!“ entgegnet er. Die CDU führe keinen Kulturkampf; ihre Aufgabe sei es, die Sorgen der Menschen aufzunehmen. Nichts anderes tue man.

Klar ist aber auch: Bildung wird im Landtagswahlkampf ganz oben stehen. „Mit welchen Themen wollen Sie Kretschmann stellen?“ lautet eine Frage aus der Runde. Hauks Antwort: „Bildung, Infrastruktur, Wissenschaft und Forschung. Dazu die Haushaltspolitik.“ Noch wirken seine Angriffspunkte jedoch verschwommen. Die Grundschulempfehlung will Hauk bei einem Regierungswechsel nicht wieder verbindlich machen. Auch Gemeinschaftsschulen sollen bleiben, allerdings schließt er eine gymnasiale Oberstufe an der neuen Schulart aus, wie sie Grün-Rot beabsichtigt.

Beim Thema Infrastruktur lautet Hauks Vorwurf an die Grünen: „Mobilitätsfeindlichkeit.“ Dass die Landesregierung über zu wenig Bundesmittel für den Straßenbau klage, gleichzeitig aber vorhandene Gelder nicht abrufe, weil es an Personal fehle (wie unsere Zeitung berichtete), kann sich Hauk nur mit „ideologischen Gründen“ erklären.

Drängt sich die Frage auf: Kann man mit „Mobilitätsfeinden“ und „Gesinnungsterroristen“ koalieren? Hauk grinst: „Koalitionen sind nie einfach.“ Aber nicht unmöglich.