Der Schriftsteller Peter Esterházy ist tot. Foto: dpa

Der ungarische Schriftsteller Peter Esterházy ist im Alter von 66 Jahren gestorben. Er war ein Großmeister der Ironie und mit allen avantgardistischen Wassern ­gewaschen.

Stuttgart - Im April stand der ungarische Schriftsteller Peter Esterházy noch am Grab seines Landsmanns Imre Kertesz und hielt eine bewegende Rede. Eine Beerdigung sei nicht das Ende von etwas, sondern der Beginn, sagte er da, und dachte dabei nicht an das ewige Leben, sondern an die Aufgaben, die der Tote der Nachwelt hinterlassen hat.

Nur wenige Monate später stellt sich diese Frage wieder, diesmal bezogen auf den Grabredner selbst. Während Imre Kertesz durch die Hölle der Geschichte gegangen war, hat Eszterházy ihren Schrecken in ein raffiniertes Spiel verwandelt und seinem verwinkelten literarischen Privatuniversum eingemeindet. Peter Esterházy ist der Großmeister der Ironie und mit allen avantgardistischen Wassern gewaschen.

Der Glanz der Esterházys war längt verblichen

Doch was er seinem scheinbar so unpolitischen intertextuellen Spiegel-Kabinett anvertraute, verdankte sich nicht minder schmerzlicher eigener Erfahrung. Die anarchische Verweigerung der ästhetischen Ausschweifung wird in ihrer Kühnheit erst verständlich vor dem Hintergrund des Versuchs, Literatur an die ideologische Kette zu legen. Als Péter Esterházy 1950 in Budapest das Licht der stalinistischen Welt erblickte, war der einstige Glanz des Geschlechts der Esterházy, bei denen der Komponist Joseph Haydn einmal in Diensten stand, längst verblichen. Enteignet und beargwohnt landete die Familie in einem Provinznest. Der gräfliche Vater schlug sich als verfemter Tagelöhner durch, sein Sohn spielte Fußball und studierte später Mathematik.

In der drückenden Enge hinter dem eisernen Vorhang staut sich der Freiheitsdrang der Fantasie. Maske, Ironie und Anspielung bahnt ihr den Weg. Mit einem Kindheitsbuch für Erwachsene, „Fancsiko und Pinta“, debütierte Esterházy 1976. Werke wie „Kleine ungarische Pornographie“ (1997), „Donau abwärts“ (1992) machten ihn rasch zum Kultautor.

Ein bewegendes Denkmal für den Vater

Zehn Jahre schrieb er an seinem großen Roman „Harmonia Caelestis“, in dem er die Geschichte seiner Familie in die Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts einbettete, und dabei eine poetische Gerechtigkeit walten ließ, die die Barbarei der ersten kommunistischen Räterepublik so wenig verschwieg wie die Verbrechen der darauf folgenden Konterrevolution. Esterházy wurde für dieses Buch mit dem Sándor-Márai-Preis und dem Ungarischen Literaturpreis ausgezeichnet.

Welch ein Schock, als Esterházy kurz nach Erscheinen seines Werks erfahren musste, dass sein Vater, dem er darin ein bewegendes Denkmal gesetzt hatte, als Spitzel für das Regime tätig war. 2003 erschien das Buch „Verbesserte Ausgabe“, eine Art Revision der „Harmonia Caelestis“. Noch sein jüngster, im März auf Deutsch erschienener Roman „Die Markus-Version“ kreist im biblischen Echoraum um das familiäre Martyrium.

Esterházy, der 2004 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, litt an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Dagegen sei Schreiben keine Therapie, erklärter er kürzlich augenzwinkernd. Nun ist er im Alter von 66 Jahren gestorben.