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Das Erste, was Grün-Rot im Südwesten erreicht haben, ist die Quadratur des Kreises.

Stuttgart - Das Erste, was Grün-Rot im Südwesten erreicht haben, ist die Quadratur des Kreises. Also aufzulösen, was nicht auflösbar scheint. In diesem Fall: die gegensätzlichen Positionen zum Thema Volksabstimmung miteinander in Einklang zu bringen. Beide Parteien hatten den Bürgen im Wahlkampf eine Volksabstimmung zum umstrittenen Milliardenprojekt Stuttgart 21 versprochen - beide hatten damit jedoch etwas unterschiedliches gemeint. Die Grünen eine Abstimmung zu neuen Bedingungen, die SPD eine Abstimmung auf der Basis der Landesverfassung, die ein fast unerreichbar hohes Quorum von einem Drittel der Wahlberechtigten vorschreibt. Beide Seiten beharrten auf ihrer Position. Es bestand die Gefahr des Scheiterns noch bevor die grün-rote Unternehmung angefangen hatte.

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Dies aber wollten die Verhandlungsführer Winfried Kretschmann und Nils Schmid unter keinen Umständen riskieren. Im dritten Anlauf lösten sie den eigentlich unlösbaren Konflikt gestern Nachmittag auf. Kernstück der Lösungsformel ist die Abkopplung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm von Stuttgart 21. Bei einer Volksabstimmung im Oktober soll nur noch über die Landesanteile für die Tieferlegung des Stuttgarter Bahnhofs entschieden werden. Damit steht fest: Die Neubaustrecke kommt. Hier hat sich die SPD durchgesetzt. Durch die Festlegung auf Oktober ist zudem sichergestellt, dass die Abstimmung nicht auf den St. Nimmerleinstag verschoben wird. Insofern besteht Klarheit.

Die Quadratur des Kreises verdankt sich in diesem Fall nicht mathematischer Kunst, sondern ist das Ergebnis eines politischen Tauziehens, bei dem den Grünen am Ende die Kräfte geschwunden sind. Sie stimmten einer Volksabstimmung auf der Basis der Verfassung zu, wissend, dass Stuttgart 21 auf diesem Wege kaum noch zu kippen sein wird. Das angekündigte gemeinsame Bemühen um ein deutlich niedrigeres Quorum hat lediglich den Charakter einer Absichtserklärung, denn für eine Verfassungsänderung ist Grün-Rot auf das Wohlwollen von CDU und FDP angewiesen. Stellen diese sich quer, bleibt es bei der Hürde von 33 Prozent der Wahlberechtigten, die sich an der Abstimmung beteiligen müssen, damit sie Rechtskraft erlangt.

Die Aussicht auf das gewünschte Verfahren ließ Schmid als Befürworter von Stuttgart 21 gestern von einem Durchbruch sprechen. Doch Vorsicht! Die SPD legte sich ihrerseits fest, keine weiteren Mittel bereitzustellen, sollten sich bei dem bevorstehenden Stresstest über die vereinbarten 4,5 Milliarden Euro hinaus Mehrkosten ergeben. Mit anderen Worten: Wird der Bahnhof teurer, steht er auf der Kippe. Das ist und bleibt die Hoffnung Kretschmanns. Er setzt auf die Strategie Ausstieg über die Kostenfrage. Sie wird vor Oktober beantwortet sein.