Im zweiten Stock war die Abteilung für Handelsbeziehungen, erinnern sich Kent Logsdon und Ehefrau Michelle (l.). Foto: Lg/Leif Piechowski

Der amtierende US-Botschafter Kent Logsdon begann seine Karriere im früheren Generalkonsulat. Mit Frau und Sohn war er zu Gast in der Landeshauptstadt und wunderte sich über die vielen Veränderungen.

Stuttgart - Stuttgart statt Piste: Eigentlich wollten die Logsdons in der vergangenen Woche zum Skifahren. Aber der amtierende US-amerikanische Botschafter Kent Logsdon musste wegen einer Verletzung, die er sich beim letzten Skiurlaub in Österreich zugezogen hatte, passen, und so wurde aus dem Trip in den Schnee eine Stippvisite in der Landeshauptstadt. Der 14-jährige Sohn Will sollte den Ort erleben können, in dem sozusagen die Basis für die Familie Logsdon gelegt wurde. „Das wird immer ein besonderer Ort für uns bleiben“, schwärmt der Vater. In Stuttgart startete seine Karriere, hier lernte er seine Frau Michelle kennen, die zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder in Stuttgart war. Kent Logsdon, heute in Berlin als Botschafter tätig, arbeitete als Vizekonsul von 1987 bis 1989 im Generalkonsulat in der Urbanstraße.

Das erste Date beim Ball

Michelle Logsdon, heute Kulturattaché, hatte damals als frischgebackene Diplomatin im Amerikahaus in der Friedrichstraße ihren Job. „Ich wurde ihm im Generalkonsulat vorgestellt“, berichtet sie. „Wir waren damals in den 20ern. Um uns herum waren alle älter“, fügt er hinzu. Es funkte – der junge Vizekonsul machte als erste Anbandelungsaktion die junge Diplomatin mit den damals noch sehr rigiden deutschen Ladenschlusszeiten vertraut: Samstags waren sie zusammen shoppen, und das erste richtige Date war der traditionelle Marineball im November. Das Foto, das sie beide in Ballgarderobe zeigt, hat Michelle Logsdon sogar mitgebracht – und noch ein zweites Bild: Es zeigt das junge Paar auf dem Weindorf. „Das hat uns so gut gefallen“, erinnert sich ihr Mann. Auch die Fahrradtouren am Neckar entlang und die Besenwirtschaften, die Kässpätzle und die Maultaschen hatten es dem Paar angetan. „Es war eine schöne Zeit“, sind sie sich einig.

Botschafter auf Zeit

Logsdon, der als stellvertretender Botschafter in Berlin eingesetzt ist, fungiert derzeit als amtierender Repräsentant der USA auf Zeit. Das hängt mit dem Amtsantritt des 45. Präsidenten zusammen. Zum Prozedere eines solchen Wechsels im Weißen Haus gehört es, dass jene Botschafter abberufen werden, die direkt vom Vorgängerpräsidenten eingesetzt worden sind. Dies war bei John B. Emerson der Fall. Im Januar hat er Deutschland verlassen, und Logsdon nimmt seine Position ein, bis Donald Trump einen Nachfolger bestimmt.

Wir hatten eine Klingel für die Security

Im Deutsch-Amerikanischen Zentrum (Daz) macht die Familie als erstes Station. Von dort spazieren sie zusammen mit der Daz-Direktorin Christiane Pyka zum ehemaligen amerikanischen Generalkonsulat in der Urbanstraße. „Es sieht genauso aus wie damals. Sie haben es nur frisch gestrichen“, stellt Logsdon fast belustigt fest. Er staunt, wie sehr sich Stuttgart verändert hat: „Alles ist ganz anders hier.“ Am früheren Konsulat hat sich nur eines verändert: Der hohe Metallzaun, der das Gebäude umgab, ist verschwunden. Die Sicherheitsvorschriften waren, gemessen an heutigen Standards, geradezu rührend naiv: „Wir hatten eine Klingel für die Security. Man rief dann in die Sprechanlage: Ich bin’s, Kent, und sie machten auf“, erzählt Logsdon. Heute ist er auch beim Familienausflug von drei Sicherheitsbeamten und Mitarbeiterinnen umringt.

Der Imbiss an der Ecke fehlt

Am Charlottenplatz vermisst er den Imbiss an der Ecke. „Da kaufte ich immer meine Snacks.“Heute ist an der Stelle ein Geschäftshaus. Und an dem Platz, wo er immer sein Auto parkte, steht heute eine Häuserzeile. Auf der gegenüberliegenden Seite im Komplex der Allianz jedoch sind die alten Zeiten noch lebendig. „Dort hatte ich ein schönes großes Apartment“, Logsdon zeigt zum obersten Stockwerk. Das Generalkonsulat hatte er von dort immer im Blick. Auch am Wochenende kam er oft rüber, um zu arbeiten.

75 Mitarbeiter – 25 US-Bürger und 50 Deutsche – waren bis zur Schließung im Jahr 1996 im Generalkonsulat beschäftigt. „Wir haben 100 000 Visa im Jahr allein für Baden-Württemberg ausgestellt“, sagt Logsdon. Vor allem im Sommer vor der Ferienzeit bildeten sich lange Schlangen vor dem Eingang. Aber nicht nur Visa, Passformalitäten für US-Bürger sowie die Vorbereitungen für Handelsbeziehungen und die Kooperation von Wissenschaftlern fielen in seine Zuständigkeit. „Ich besuchte auch US-Bürger, die hier inhaftiert waren“, berichtet er. Oft war er in Stammheim, sorgte dafür, dass seine Landsleute einen Anwalt bekamen, dass sie zu essen hatten und betreut wurden. „Das waren zum Beispiel ehemalige Army-Leute, die hier geblieben waren und mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren“, erklärt er.

Fernbeziehung ohne Internet

1989 wurde er nach Pakistan abberufen. Michelle blieb noch ein Jahr in Stuttgart und gestaltete das Kulturprogramm im Amerikahaus. Die Fernbeziehung über Erdteile hinweg war eine harte Zeit für das junge Paar. „Es gab kein Internet, und telefonieren kostete ein Vermögen“, erzählt er. „Wir haben Briefe geschrieben.“ Ein Jahr später heirateten sie in Washington und arbeiteten 25 Jahre in verschiedenen Ländern Asiens und den Staaten der Sowjetunion mit Unterbrechungen in Washington. Die Tochter studiert mittlerweile in den USA. Sohn Will berichtet bei seinem ersten Besuch in Stuttgart Schülern des Eschbach-Gymnasiums, wie es sich als Diplomatenkind lebt, das alle zwei Jahre in ein anderes Land umzieht. Der Teenager brennt darauf, das Porsche-Museum zu sehen. „Und nächstes Mal will ich das von Mercedes sehen“, kündigt er an.

Am ersten Tag der Stippvisite steht die Ausstellung im Haus der Geschichte über den Hollywood-Pionier Carl Lämmle auf dem Programm. Neben den vielen baulichen Veränderungen in Stuttgart ist Logsdon über die politische Veränderung erstaunt: „Als ich hier lebte, war Rommel Bürgermeister. Da hätte es sich niemand vorstellen können, dass es einmal ein Grüner werden könnte.“ Dann meint Michelle Logsdon nostalgisch: „Wir lieben das Wetter hier. In Berlin ist es oft kalt. Wir sollten wiederkommen – zum Weindorf.“