Das „Herrenzimmer“ von Eugen Bolz – die Einrichtung lagert heute in Ellwangen und ist noch fast vollständig erhalten Foto: Privatbesitz Eugen Rupf-Bolz

Die Villa von Eugen Bolz beim Kriegsbergturm steht vor dem Abriss – sein ältester Enkel erläutert die Gründe dafür, das Anwesen an ein Wohnungsbauunternehmen zu verkaufen.

Stuttgart - Der drohende Abriss des früheren Wohnhauses von Eugen Bolz am Kriegsbergturm hat eine breite Diskussion ausgelöst: Es geht um die Frage, ob der historische Ort, an dem der gebürtige Rottenburger Eugen Bolz (1881–1945) fast zwölf Jahre gelebt hat, bewahrt werden sollte oder nicht. Die Rede ist von einer der zentralen Persönlichkeiten des deutschen Widerstands gegen die Hitler-Diktatur und dem ranghöchsten Politiker der Weimarer Republik, der dem Terror der Nationalsozialisten zum Opfer fiel.

Angestoßen wurde die Diskussion durch unsere Zeitung und einen Beitrag des Blogs „Der Killesberger“. Wie berichtet, will der heutige Eigentümer, das Wohnungsbauunternehmen „wohnbau Studio“, die Villa abreißen. Auf dem 13 Ar großen Grundstück mit bester Aussicht auf Stuttgart soll ein Gebäude mit vier exklusiven Eigentumswohnungen entstehen. Ein erster Entwurf wurde vom Baurechtsamt als zu raumgreifend zurückgewiesen; in Kürze will das „wohnbau Studio“ sein Baugesuch einreichen. Die vier Enkel von Eugen Bolz hatten das Anwesen im vergangenen Jahr an das Wohnungsbauunternehmen verkauft. Ihre Mutter Mechthild Rupf-Bolz war im Dezember 2011 verstorben. Die Tochter von Eugen Bolz hatte bis zu ihrem Tod in dem Haus gewohnt. Danach stand es leer. Bolz’ Ehefrau Maria war 1948 gestorben.

Die Nachricht vom bevorstehenden Abriss stößt auf Kritik. Der Historiker Gerhard Raff sprach sich vehement für den Erhalt der Villa aus. Ebenso der Stuttgarter Professor für Neuere Geschichte, Wolfram Pyta. Auch der Architekt Roland Ostertag wandte sich gegen die Abrisspläne. Der Leiter des Hauses der Geschichte, Thomas Schnabel, und Ausstellungs- und Sammlungsleiterin Paula Lutum-Lenger zeigten Sympathie für einen Erinnerungsort im ehemaligen Wohnhaus von Eugen Bolz. Im Hintergrund laufen bereits intensive Bemühungen, die in diese Richtung weisen. In der Regierungszentrale in der Villa Reitzenstein, in der Bolz bis zu seiner Entmachtung und ersten Verhaftung 1933 amtierte, heißt es, man habe sich mit dem Thema bisher nicht befasst. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sei noch verreist.

„Das Haus hat seine Seele verloren“

Doch wie steht eigentlich die Familie zu dem Thema? Eugen Rupf-Bolz (67), ältester der vier Enkel, fuhr in dieser Woche von seinem Wohnort Ulm nach Stuttgart, um im Gespräch mit unserer Zeitung seine Sicht darzulegen – im Gepäck ein Fotoalbum und Baupläne der ehemaligen Bolz-Villa.

Der gelernte Psychologe, der mit seiner Mutter und seinen Geschwistern bis zu Beginn seines Studiums in dem Haus am Kriegsbergturm wohnte, meint, das Gebäude habe „peu à peu seine Seele verloren“. Bombenschäden und Umbauten hätten dazu geführt, dass sich die heutige Villa stark von dem 1906 durch den Chemiefabrikanten Karl Schuster errichteten Bau unterscheide. Die Veränderungen sind zum Teil in einem Fotoalbum dokumentiert, das der Ehemann der Bolz-Tochter, Otto Rupf-Bolz, 1960 angelegt hat. Aus diesem Album stammen auch die hier abgedruckten Fotos.

Hauptsächlicher Beweggrund der vier Enkel, das Anwesen an das Wohnbauunternehmen zu verkaufen, waren nach den Worten von Eugen Rupf-Bolz jedoch die hohen Unterhaltungskosten. „Die Alternative wäre gewesen, dass einer von uns das Haus übernimmt“ – was man kaum hätte stemmen können. Ein Verkauf an das Land sei nicht erwogen worden, sagt der 67-Jährige. Nach seiner Erinnerung hatte die Mutter den Eindruck, das Land habe wenig Interesse an Erinnerungsstücken. „Wir waren deshalb gar nicht mehr auf dieser Schiene“, sagt der Enkel. Er räumt jedoch ein, dass es die Mutter gerne gesehen hätte, wenn das Haus als Erinnerungsstätte genutzt worden wäre.

„Bedarf es weiterer Erinnerungsorte?“

Für ihn stellt sich eine andere Frage: „Bedarf es weiterer Erinnerungsorte, oder müssen nicht vielmehr die bestehenden mit Leben gefüllt werden?“ Dazu zählt er die Stuttgarter Hochschule für Technik. Immerhin habe die Technische Hochschule Eugen Bolz 1929 die „Ehrenbürgerwürde“ verliehen. Nach der Entmachtung als Staatspräsident 1933 habe Bolz dort Vorlesungen besuchen wollen, was ihm die Hochschule untersagte. Bis heute lasse die Universität dies unerwähnt, kritisiert sein Enkel.

Ungeachtet der Entscheidung für den Verkauf der Villa versucht Eugen Rupf-Bolz das Andenken an seinen Großvater und an weniger bekannte Personen des Widerstandes wachzuhalten. Die Erinnerungskultur sei unterschiedlich stark ausgeprägt, sagt er. Positiv erwähnt er das Engagement der Ellwanger Eugen-Bolz-Realschule und des Rottenburger Eugen-Bolz-Gymnasiums. Andere Aktivitäten seien eingeschlafen – etwa das Gedenken am Pragfriedhof jeweils am 23. Januar, dem Tag der Hinrichtung von Bolz in Berlin-Plötzensee.

Herzstück der Villa: das „Herrenzimmer“

Eugen Rupf-Bolz, der tief in die Biografie seines Großvaters eingedrungen ist, versichert: „Ich war immer bemüht, die Erinnerungsstücke in geordnete Bahnen zu bringen.“ Dazu gehört der Erhalt des „Herrenzimmers“, des von Bolz selbst eingerichteten Arbeitszimmers im ehemaligen Musikzimmer der Villa. „Das war der Raum, in dem mein Großvater gearbeitet und gelebt hat. Dort standen auch seine Bücher.“ Das Zimmer ist nach den Worten von Eugen Rupf-Bolz fast vollständig erhalten. Es befindet sich derzeit (eingelagert) beim Geschichts- und Altertumsverein in Ellwangen. Dort hatte Bolz einst für den Reichstag kandidiert. Dennoch: Warum Ellwangen?

Eugen Rupf-Bolz verweist auf seine vergeblichen Bemühungen, das „Herrenzimmer“ an das Stuttgarter Haus der Geschichte zu vermitteln. Dieses habe – wie auch die Stadt Rottenburg – leider kein Interesse gezeigt. Man störte sich offenbar daran, dass Sitzmöbel des „Herrenzimmers“, auf denen einst der führende Verschwörer Carl Friedrich Goerdeler gesessen hatte, neu überzogen worden waren. Von der Möglichkeit einer möglichen Erinnerungsstätte hätte damals ebenfalls niemand gesprochen.