Der wegen eines Bindestrichs um 500 Euro geprellte Autofahrer ist noch immer nicht gefunden. Foto: dpa

Der wegen eines Bindestrichs um 500 Euro geprellte Autofahrer ist noch immer nicht gefunden.

Berlin/Wien/Rom - Wo ist das Phantom? Seit Tagen wabern Gerüchte, Anekdoten und Halbwahrheiten von Bekannten des Schwagers der Arbeitskollegin durch diverse Verkehrs- und Empörungsforen im Internet. Sie alle wollen „gehört haben“, dass wahlweise italienische oder österreichische Polizisten deutschen Autofahrern 500 Euro für einen Bindestrich zu viel im Fahrzeugschein abgeknöpft haben. Den Trennstrich gibt es auf den zwischen 1994 und 2000 eingeführten Euro-Kennzeichen zwischen Ortskennung und Buchstabenfolge nicht mehr – gleichwohl wird er noch immer von den meisten Behörden in die Zulassungspapiere eingetragen. Ein automatisierter Prozess.

Eine schöne Geschichte nicht nur fürs Sommerloch – so sie denn stimmt. Leider hat sich die Bekannten-Schwager-Kolleginnen-Saga noch in keinem Fall verifizieren lassen. Weder die Automobilclubs Deutschlands, Österreichs und Italiens noch die diplomatischen Vertretungen wurden bislang von einem echten Geschädigten in Fleisch und Blut kontaktiert. Was für die These spricht, dass es sich tatsächlich um reines Urlauber-Garn handelt. Vielleicht fühlte sich ja jemand ungerecht von der Polizei behandelt – und hat dann zu Hause ein bisschen dazuerfunden. Der Sprecher der österreichischen Botschaft in Berlin formuliert es so: „Warum rufen nur Medien bei uns an, aber kein einziger Bürger?“

Andererseits: Wer sollte sich einen solchen Schmarrn ausdenken? Und wozu? Falscher Bindestrich im Fahrzeugschein. 500 Euro Strafe. Auf behördlicher Seite nimmt man die Sache auch durchaus ernst. Unter anderem die Landratsämter haben den Stein erst ins Rollen gebracht. Mit Pressemitteilungen warben die Zulassungsstellen für die zum Teil kostenlose Umschreibung des Fahrzeugscheins. Dass diese sich jetzt über den großen Ansturm und ausgegangene Dokumente beklagen, ist nur ein Randaspekt. Genauso wie die Bemerkung des baden-württembergischen Landkreistags, die Papiere ließen sich doch einfach kopieren.

Botschaften reagieren gelassen

Auch die Botschaften sind im Bilde, wenngleich nicht direkt aufgeschreckt. Die italienische Vertretung verwies zunächst auf das Verkehrsministerium in Rom, von dem man sich nähere Informationen erhoffte. Darauf wartet man offenbar bis heute. Zumindest blieb die neuerliche Anfrage unserer Zeitung unbeantwortet.

Mit österreichischer Gelassenheit reagierten auch die Vertreter im Nachbarland. „Ein undenkbarer Fall“, sagte der Berliner Botschaftssprecher. Man habe sowohl mit dem Innen- als auch mit dem Verkehrsministerium in Wien Rücksprache gehalten. Auch dort keine Spur von dem bestraften Phantom. Auf die Frage nach einem möglichen Imageschaden für die österreichischen Gendarmen antwortete der Botschaftsvertreter: „Sich für etwas zu entschuldigen, was nicht stattgefunden hat, ist natürlich schwierig.“

Das deutsche Bundesverkehrsministerium übt sich ebenfalls in Diplomatie. Kein Wort des Verdachts gegenüber Österreich und Italien. Auch hat sich Verkehrsminister Peter Ramsauer noch nicht mit seinem italienischen Amtskollegen ins Benehmen gesetzt, wie besorgte Italien-Fahrer von ihm bereits forderten. Stattdessen hat das Ministerium ein Papier aufgesetzt, das sich jeder Autofahrer ausdrucken kann. Darin wird – allerdings nur auf Deutsch – die Zulässigkeit beider Schreibweisen im Fahrzeugschein bekräftigt. Grundsätzlich gilt: Ist ein Pkw in Deutschland ordnungsgemäß zugelassen worden, kann keine Polizeistreife der Welt etwas daran zu beanstanden haben. Theoretisch.

„Ich bin der . . . von Heidenheim“

Unsere Redaktion hat sich unterdessen ebenfalls auf die Suche nach dem leidigen Kronzeugen gemacht. Ein beiläufig mitgehörtes Gespräch auf dem Wochenmarkt entpuppte sich leider nicht als die zunächst erhoffte heiße Spur. Der Erzähler brüstete sich mit besagter Geschichte. In seiner Version hat er die 500 Euro hinterher über seine Rechtsschutzversicherung wieder bekommen. Auf Nachfrage war es dann aber doch wieder nur der Bekannte eines Bekannten, der gerade im Urlaub weilt – in Norwegen, nicht in Italien. Nachfragen bei den Rechtsabteilungen der deutschen Automobilclubs führten ebenso ins Nichts.

Zu guter Letzt der Hinweis eines Lesers, der glaubt, die wahre Geschichte zu kennen. Demnach ist ein Provinzfürst aus Heidenheim beim Rasen von der österreichischen Polizei erwischt worden. Der als Choleriker bekannte Beamte habe die Polizisten mit den Worten zurechtgewiesen, er sei der . . . von Heidenheim und auf sein Dienstfahrzeug verwiesen. Angebotene VIP-Karten für Spiele des örtlichen Fußball-Drittligisten sollten zusätzlich zur Besänftigung beitragen. Beim Abgleich seines Kennzeichens mit den Zulassungspapieren hätte die Gendarmerie ihn darauf hingewiesen, dass in Österreich Nummernschilder mit Bindestrich zwar für das diplomatische Korps zugelassen sind, eine Bevorrechtigung jenen Heidenheimers jedoch nicht erkennbar sei. Daraufhin sei dieser ausgerastet.

Ob’s stimmt? Wir wissen es nicht und können an der Stelle nur an alle Italien- und Österreich-Fahrer appellieren: Phantom, bitte melden! Und den Beleg gleich mitliefern!