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Schwäbisch lebt! Seit die Unesco den Dialekt als "bedroht" bezeichnet hat, erbringen unsere Leser den Gegenbeweis.

Stuttgart – Schwäbisch lebt! Seit die Unesco den Dialekt als "bedroht" bezeichnet hat, erbringen unsere Leser den Gegenbeweis. Hunderte Lieblingswörter haben sie auf unseren Aufruf hin eingesandt, und die Liste wird immer länger. Dabei zeigt sich: Schwäbisch ist nicht gleich schwäbisch.

Bruddla, Bobbel, Breschtleng, bockelhert ... manche Zuschriften enthalten vollständige Glossare, und zwar alphabetisch geordnet. Gäbe es nicht schon dickleibige schwäbische Wörterbücher, die Dialektforscher könnten sich bei unseren Lesern bedienen. "Urschwäbisch ist für mich keine Mundart, sondern eine eigene Sprache, denn es gibt viele Wörter, die das Hochdeutsche nicht kennt", schreibt uns Susanne Schneider aus Spiegelberg und fügt hinzu: "Übersetzen Sie einmal "Muggaseggale."

Fast könnte man glauben, der Dialekt macht alle, die ihn gebrauchen, zu einer großen Familie – wenn es da nicht die kleinen Nickeligkeiten gäbe wie in jeder Familie. "Sie schrieben heute, Luggeleskäs sei Frischkäse. Ich will nicht meckern, aber ich glaube, das stimmt nicht", schreibt uns Helga Wilbrenner (online), "das heißt Quark." Und ein Kollege bemerkt beiläufig: "Wieso Grumbiera? Bei uns in Ravensburg heißt das aber anders."

Gibt es denn mehrere Arten von Schwäbisch? "Und ob!", sagt Arno Ruoff, der den Dialekt ein ganzes Forscherleben lang untersucht hat. "Innerhalb einer Mundart sind die örtlichen Unterschiede oft riesengroß." Er führt das auf den bunten Flickenteppich der politischen Territorien zurück, die der Südwesten noch vor etwas mehr als 200 Jahren gebildet hat. "Der sprachliche Flickenteppich hat sich erhalten."

Selbst Nachbarorte wie Baiersbronn und Freudenstadt ziehen sich gegenseitig mit ihren mundartlichen Unterschiede auf, wie die Sprachforscher Norbert Feinäugle und Hermann Fischer in einem lesenswerten Buch schildern ("Wie dr Schwob schwätzt", DRW-Verlag). Und ihr Kollege Ruoff kann anhand von Tonbandaufnahmen zeigen, dass sich diese Abstufungen des Schwäbischen in Jahrzehnten kaum verändert haben.

"Im Gegenteil!, sagt Ruoff. "Die Unterschiede bauen sich neu auf!" So sei die "Sprachgrenze" zwischen Baden und Württemberg an manchen Orten erst seit dem Verschwinden der politischen Grenze entstanden – im oberen Murgtal zum Beispiel. "Man will nicht so sein wie die Badener und grenzt sich deshalb sprachlich ab", sagt der Forscher und fügt hinzu: "Das beruht aber auf Gegenseitigkeit." Dass das Schwäbische sprachwissenschaftlich als Unterform des Alemannischen gesehen werden kann, interessiert die Lokalpatrioten dabei nicht – die Grenze zählt.

Auch dafür taugt also das Instrument des Dialekts. Deshalb hat Ruoff auch keine Sorge, dass die Mundart ausstirbt. Dieser Eindruck könne entstehen, weil immer mehr Menschen zweisprachig seien, meint er. Doch wie kommen die Unesco-Vertreter dann zu ihrem Urteil? Ruoff: "Keine Ahnung. Vielleicht, weil sie auch Schwaben manchmal Hochdeutsch sprechen hören."

Eines allerdings müssen auch die glühendsten Anhänger der Mundart einräumen: Viele alte Begriffe sterben aus. Was etwa ein Gääder (Handgelenk) ist oder ein Goggs (Hut), das wissen nur noch einige unserer Leser. Der "Endaklemma" (Geizhals) dürfte sich da schon etwas länger halten.

In Mundart geschrieben von H.J. Gläser

A jeder merkt’s, isch’s au koe Schlaule,bei ons hoeßt Frau ganz oefach: Fraule!A Schultes isch a Bürgermoeschter,en Bäb des isch Dabedakleischter,en Megg’l hoeßt bei uns d’r Kopf;Hilfsbedürftig isch en armer Tropf.A Wirtshaus ka a Boizle sei,Semsarassler isch en saure Wei;A Bäu’re isch a Bauersfrau,a Nutte isch a alte Sau!

Zom Schwobeland saget mir Ländle! A Hand hoeßt bei ons oefach Händle,a Waga isch a Wägele, a jonge Frau a Mädele,en knappa Schurz a Schürzele,en kurza Schwanz a Bürzele,a Brüschle isch a schöne Bruscht,en Gremp’l isch en Haufa Gruscht!Zom Großa secht mer bei ons: morts,d’r Darmwend hoeßt bei ons en Furz. Was "l.m.i.A." hoeßt, woeß a jeder!Streita hoeßt bei ons Gezeter,a Rotzbremser, isch’s au apart,secht mer zom Oberlibbabahrt!

Zom schempfa secht mer: bruddle, maule, zum streite secht mer sich verkraule.A Treppa isch bei ons a Trittle, a Latta isch bei ons a Brittle! Zom reg’na secht mer bei ons "soiche"zom d’Füaßabwäsche, d’ Stotza woiche, zom pullern secht mer bei ons bronza,zerstöra hoeßt bei ons "verhonza",a Herzele isch a goldig’s Mäd’le,en Daubaschlag a Hosalädle!D’r Nosasaft hoeßt bei ons Rotz,a blöd’s Weib isch a daube ... Kuah,a Niggerle a Mittagsruah!A Sackduach isch a Dascheduach; "Hemm’l-Stuegert-Sapperment"d’ schwäb’sch Fluach!

Zom Leibgericht, do g’höret Spätzle,Goisburger Marsch on Butterbretzele, Lensa ond Spatza ond sau’re Rädla,a guete Fleischbrüahsupp’ mit Flädla, Buabaspitzla, ond vom i d’r Dupfer,zom Nochtisch no en Ofaschlupfer,en Backstoikäs on Schwarze Wurst;A Viertele no für da Durst!

Mir Schwobe send em Reich verrufa,mir dädet äll’weil ane fluacha,mir seiet oigesennig ond g’schlitzt,beim Handla seiet mir so g’witzt,mir dädet gar beim Gaul no henta,d’r letschte Bolla Dong rausschenta;Mir dädet dauernd gruable, schaffe,on jeden Pfennig z’sammeraffe!

Teils stemmt’s, teils isch’s d’r Wahrheit fern, denn Geld, des hat a jeder gern!Ond jetzt, jetzt sag’ i nemme meh;Sodele - Jezetle!

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