Das Fahrradsymbol ist immer häufiger zu sehen: Stuttgart baut die Radwege kontinuierlich aus – das Wie und Wo ist im Rathaus aber durchaus umstritten Foto: Peter Petsch

Der Ausbau der Radwege sorgt weiterhin für Zwist im Stuttgarter Rathaus. Die CDU mahnt, die Sache nicht zu übertreiben. Im Interesse des Autoverkehrs müsse für Radfahrer auch mal nur die zweitbeste Route ausgeschildert werden. Die Grünen monieren, für Radfahrer gebe es in Stuttgart noch zu viele Hindernisse.

Stuttgart - Spätestens im Sommer 2015 kommt es im Stuttgarter Gemeinderat wieder einmal zur Nagelprobe. Die Fraktionen werden sich dann fragen lassen müssen, ob sie knapp drei Millionen Euro bereitstellen, um an einer der wichtigsten Hauptverkehrsstraßen einen durchgehenden Radweg zu schaffen: an der Neuen Weinsteige.

Bei den Etatberatungen Ende 2013 war das Projekt durchgefallen. Zu teuer. Am Dienstag im Technik-Ausschuss machte Peter Pätzold (Grüne) deutlich, dass die Pläne noch aktuell sind. Wenn die Verwaltung jetzt den Weg der Radfahrer auf der Hauptradroute 3 durch den Bopserwald besser ausschildere, sei das keine Dauerlösung: „Im Wald ist es nachts dunkel, das Fahren unsicher.“ Gäbe es einen Radweg auf der Neuen Weinsteige, hätten die Radler auf dem Weg von der Innenstadt nach Degerloch nicht nur Licht, sondern auch weniger Steigung.

Der Chef-Verkehrsplaner der Stadt, Stephan Oehler, stimmt zu: „Das wäre im Gegensatz zu dem Radweg durch den Bopserwald eine Ganzjahresroute.“ Anders als auf der alten B 14 in Cannstatt dürfe für den Autoverkehr an der Neuen Weinsteige natürlich keine Spur wegfallen. Das lasse sich auch erreichen, wenn man die Parkplätze und Haltebuchten zur Talseite hin opfere und den Gehweg umbaue. Das Problem: Die Brüstung und das Gelände des Verkehrsbauwerks müssen saniert werden. Das treibt die Kosten hoch, sagte Oehler unserer Zeitung. Aus dem üblichen Budget für die Radverkehrsförderung und ohne Sondermittel könne man das Vorhaben nicht realisieren.

Je 2,12 Millionen Euro stehen 2014 und 2015 für die Förderung des Radverkehrs zur Verfügung. Die Liste der Vorhaben ist noch lang. Und eigentlich bräuchte man mehr Personal angesichts ehrgeiziger Ziele. Für den Doppelhaushalt 2014/2015 waren drei zusätzliche Arbeitsplätze beantragt, zwei halbe Stellen wurden bewilligt. Außerdem verlängerte der Gemeinderat zwei auslaufende Stellen bis Ende 2017. Für den Haushalt 2016/2017 ist mit neuen Stellenanträgen zu rechnen – wenn das Radverkehrsbudget „auf diesem hohen Niveau bleiben soll“.

Eine Kehrtwende ist nicht in Sicht, denn das öko-soziale Lager im Gemeinderat dringt auf weitere Verbesserungen – und auch das bürgerliche Lager will „aktiv mitarbeiten für einen hohen Radverkehrsanteil“, wie Alexander Kotz (CDU) sagte. Dabei setzt die CDU aber andere Vorzeichen. Radverkehrsprojekte, die zu mehr Staus von Autos führen, wären eine Fehlinvestition, warnte Kotz. Das Radeln sei eine Schönwettererscheinung. Der Verkehrsbedarf müsse immer befriedigt werden. Die Gesamtbevölkerung akzeptiere Radverkehrsprojekte nur, wenn man die Schraube nicht überdrehe. Im Interesse des Autoverkehrs müsse man da und dort auch mal „den zweitbesten Weg für die Radfahrer“ in Erwägung ziehen. Bei dem Thema denken Kotz und Co. an den ungeliebten neuen Radweg in der Waiblinger Straße in Bad Cannstatt. Außerdem sei in der Gnesener Straße Geld verbaut worden für einen Radweg, „der im Nichts anfängt und im Nirwana endet“, schimpfte Beate Bulle-Schmid. Aber auch die Vorhaben an der Weinsteige und in der Olgastraße werden von ihrer Partei infrage gestellt.

Günter Stübel (FDP) kritisierte, die Stadt konzentriere sich zu sehr auf versierte Radler und auf die Hauptrouten. Er zweifelte auch erneut am Sinn solcher Radwege wie in Kaltental. Der Vorwurf: Sie kosten Platz für die Autos, nützen aber wenigen Radfahrern.

Der städtische Fahrradbeauftragte Claus Köhnlein widersprach. Eine neue automatische Zählanlage bei der Haltestelle Waldeck beweise, dass dort bis zu 1300 Radfahrer pro Tag unterwegs seien, im Durchschnitt rund 600. „Früher waren es etwa 100 – anscheinend gab es also doch Bedarf an diesem Radweg.“ An einer anderen Stelle der Hauptradroute 1 zwischen Vaihingen und Fellbach, beim Mineralbad Leuze, ermittle man bis zu 5500 Radfahrer pro Tag, im Schnitt etwa 3000. Vor Radwegeprojekten ermittle man außerdem mit „intensiven Computersimulationen“, ob Staus drohen könnten.

Wenn der Eingriff in den Autoverkehr zu groß wäre, suche man sehr wohl Auswege, sagte auch Peter Pätzold. Ihn stört aber, dass noch zu oft Verknüpfungen von Radwegen fehlten – und außerdem eine gute Wegweisung in Baustellenbereichen: „Dass in der Tübinger Straße noch kein Unfall passierte, ist ein Glück.“ Und in der ganzen Innenstadt werde es noch lange Zeit viele Behinderungen für Radfahrer durch Baustellen geben.