Mäusebussarde fliegen meist nur Scheinangriffe – dennoch gibt es immer wieder Verletze. Foto: dpa-Zentralbild

Mäusebussarde werden zu Kämpfern, wenn es um den Schutz ihres Nachwuchses geht. Immer wieder treffen Angriffe Jogger und Radfahrer, wenn sie dem Nest zu nahe kommen.

Stuttgart - Lautlos und ohne Vorwarnung - so hat der Greifvogel zugeschlagen. Was auf den Menschen wirkt wie eine sinnlose Attacke aus dem Nichts oder wie eine Szene aus Hitchcocks „Die Vögel“, ist eine Episode, die für Dominik Florian am Sonntagnachmittag auf der gewohnten Joggingrunde über das Schmidener Feld begann und in der Notaufnahme endete. Wunden am Kopf und am Ohr trug der 32-jährige Sportredakteur davon, am Ohr nähten die Ärzte die Verletzung mit drei Stichen.

Eine brutale Attacke ohne Anlass? Nein, der Angreifer hatte einen Grund, aus der Luft niederzufahren, weil er eine viel größere Gefahr befürchtete, als dem Jogger dräut, der in diesen Tagen dem Greifvogelnest zu nahe kommt: Gefahr für Leib und Leben seiner Brut witterte der Mäusebussard, der dann wie die sprichwörtliche Löwenmutter sein Brutgebiet verteidigt.

Jedes Jahr zur selben Zeit häufen sich die Meldungen der Verletzungen, wie sie Dominik Florian erlitt. Denn in der Brut- und Aufzuchtzeit betrachten die Vögel jeden, der durch ihr Gebiet joggt, als eine Bedrohung für den noch wehrlosen Nachwuchs im Nest. Die Küken würde zwar kaum ein Jogger je erspähen, der Mäusebussard nimmt den Läufer dennoch als Angreifer wahr. Es trifft aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sie sich fortbewegen, vor allem Jogger und Radfahrer. Fußgänger in normalem Gehtempo sind vergleichsweise sicher vor Mäusebussarden.

Scheinangriffe

„Die Vögel beobachten, wie beispielsweise Joggerinnen und Jogger ihren gerade flügge werdenden oder bereits ausgeflogenen Jungvögeln nahe kommen und wollen diese schützen“, erklärt Volker Weiß, Biologe beim Naturschutzbund Baden-Württemberg (Nabu), die Attacken der Tiere. Vor allem in den Monaten Juni und Juli sei das zu beobachten, insofern ist der Angriff auf den joggenden Sportredakteur ungewöhnlich. Der Experte hat auch einfache Tipps, wie man sich schützen kann: Da Greifvögel immer den höchsten Punkt anfliegen würden, also normalerweise den Kopf, solle man einen Stock dabeihaben. Schwenke man diesen im Falle einer Attacke über dem Kopf, so würde der Vogel darauf losgehen – und der Jogger bliebe unverletzt. Da dieser Trick nicht für Läufer jeden sportlichen Anspruches und schon gar nicht für Radfahrer praktikabel ist, gibt es noch eine andere Lösung: „Am besten, man geht den Weg zurück, den man gekommen ist, dann hören die Angriffe auf“, rät der Fachmann vom Nabu. Man solle am besten den Rückzuck antreten, wenn man merkt, dass man ins Brutgebiet geraten ist, also den Weg zurückgehen, den man gekommen ist. Auf gar keinen Fall solle der Angegriffene nach dem Vogel schlagen.

Der Vogel verletzt den Menschen, den er als Eindringling betrachtet, in den allermeisten Fällen nicht. Zunächst fliegt er Scheinangriffe. Der Mäusebussard weiß um seine imposante Größe und sein damit beeindruckendes bis beängstigendes Wirken. Meist überfliegt er den Jogger von hinten, nähert sich lautlos und stößt Warnrufe aus.

Tetanusgefahr

So hat es auch Dominik Florian erlebt: „Zwei Tage vorher ist ein Bussard sanft über mich hinweggeflogen, ich dachte noch, dass der aber ganz schön tief fliegt“, erinnert sich der 32-Jährige. Als er kehrtgemacht habe, sei der Vogel noch einmal scharf an ihm vorbeigeflogen. Inzwischen weiß er durch schmerzvolle Erfahrung, was das zu bedeuten hatte, und macht beim Joggen einen weiten Bogen um das Brutgebiet. Der Schreck über den Angriff sei noch der geringste gewesen: „Am schlimmsten war für mich, dass ich am Sonntag plötzlich in der Notaufnahme war. Und dann braucht man ja noch lauter Spritzen wegen der Tetanusgefahr, das hat mich mehr gestresst“, sagt der 32-Jährige. Auf den Vogel habe er keinen Groll: „Der tut ja nur alles, um seinen Nachwuchs zu verteidigen, das ist ja verständlich.“

Einen heiteren Aspekt hatte die Geschichte auch noch: In der Notaufnahme sei er mit großem Hallo begrüßt worden. „Die waren froh, zwischen all den angetrunkenen Verletzten vom Frühlingsfest mal einen anderen Fall zu haben“, erzählt Dominik Florian.