In der Waldhaus-Schule lernen minderjährige Flüchtlinge nicht nur Deutsch. Auch die Kultur und die Regeln der neuen Heimat stehen auf dem Lehrplan. Foto: factum/Archiv

In der Jugendhilfeeinrichtung Waldhaus leben viele Flüchtlinge. Damit sie nicht in die Fänge von Extremisten geraten, arbeitet der Leiter Hans Artschwager mit externen Experten zusammen.

Hildrizhausen - Seit der Terror auch in Deutschland angekommen ist, verändert sich das Klima. Angst geht um vor Attacken von Terroristen und Amokläufern. Und da überwiegend junge muslimische Männer zu Tätern werden, hat sich der Blick vieler Bürger auf Flüchtlinge verändert. Wie wirkt sich das auf die Arbeit der Jugendhilfeträger im Landkreis aus, die sich um junge Asylbewerber kümmern? Hans Artschwager, Geschäftsführer des Waldhauses in Hildrizhausen, setzt auf Schulungen der Mitarbeiter und warnt vor Panikmache.
Herr Artschwager, macht sich nach den jüngsten Terroranschlägen auch Angst in Ihrer Einrichtung breit?
Panikmache hilft uns ganz sicher nicht weiter. Wir müssen unseren Verstand einschalten. Unser Problem mit den Flüchtlingen ist, dass wir mit jungen Menschen arbeiten, über die wir eigentlich nichts wissen. Normalerweise haben wir über unsere Jugendlichen dicke Akten, wissen, was sie zuvor erlebt haben, welchen familiären Hintergrund sie mitbringen. Nun betreuen wir 83 minderjährige Flüchtlinge. Über die jedoch wissen wir nur das, was sie uns erzählen. Und das ist am Anfang zumeist sehr wenig, Aber einige haben offenbar Schlimmes erlebt.
Wie äußert sich das?
Viele haben eine dramatische Flucht hinter sich, andere ihre Familien verloren. Einige Jugendliche sind traumatisiert. Das kommt aber erst nach und nach zum Vorschein. Mir erzählen Betreuer von Jugendlichen, die nachts in ihren Albträumen schreien.
Wirkt sich das auch auf das Verhalten der Jugendlichen aus?
Mit Einzelnen haben wir Probleme. Die haben Schwierigkeiten, sich in eine Gruppe einzufügen. Damit sie nicht die ganze Gruppe aufmischen, bringen wir diese Jugendlichen einzeln unter. In Einzelfällen holen wir auch die Polizei. Über diese Unterstützung sind wir dankbar.
Wie wollen Sie Gewaltausbrüche verhindern?
Wir haben jetzt einen extra Nachtdienst eingerichtet. Und für unsere neue große Einrichtung in Leonberg werden wir zumindest für die ersten zwei, drei Monate einen zusätzlichen Sicherheitsdienst engagieren. Außerdem schulen wir unsere Mitarbeiter – es gibt ein Selbstbehauptungsprogramm. Vor allem unsere jungen Mitarbeiterinnen haben häufig das Problem, dass sie von den Jugendlichen nicht akzeptiert werden. Das gehen wir jetzt an. Unser großes Problem aber ist, dass es nicht genügend Traumatherapeuten für die traumatisierten Jugendlichen gibt. Die brauchen viel mehr, als wir es in unseren Gruppen leisten können.
Wie wollen Sie verhindern, dass sich Jugendliche aus Ihrer Einrichtung dem islamistischen Terror anschließen? Sprechen Sie mit den Jugendlichen darüber?
Wir haben uns von Anfang an Mitarbeiter ins Haus geholt, die den gleichen kulturellen Hintergrund wie die Jugendlichen haben und deren Sprache sprechen. Diese sind uns eine große Hilfe. Intern schulen wir alle unsere Mitarbeiter. Sie müssen, wenn sich Jugendliche mit den Symbolen des IS umgeben – auch in den sozialen Medien –, diese als solche erkennen. Auch wenn zum Beispiel Fahnen des islamischen Staats in den Zimmern der Jugendlichen sind. Im Moment arbeiten wir an Regeln für unsere Häuser, solche Symbole und Flaggen zu verbieten. Allein sind wir aber mit diesem Thema überfordert. Deshalb holen wir uns nun externe Hilfe. Wir sind aktuell dabei, mit Experten für islamische Fragen – zum Beispiel zur Moschee in Sindelfingen – Kontakte zu knüpfen. Diese können uns helfen, mit den Jugendlichen über dieses Thema zu reden.
Wie ist Ihre Einschätzung: Wird es gelingen, die jungen Männer in Deutschland zu integrieren?
Zwei Dinge machen uns zu schaffen. Zum einen ist da die fehlende Perspektive für Jugendliche. Es fehlt es immer noch an Sprachkursen und niederschwelligen Ausbildungsangeboten. Für viele sind die Anforderungen für die Angebote des Jobcenters zu hoch. Das andere Thema ist die lange Dauer des Asylverfahrens, unter dem die jungen Leute leiden. Solange sie nicht anerkannt sind, hängen sie in der Luft. Zudem lastet oft der Druck ihrer Familien im Heimatland auf ihnen, es schnell in Deutschland zu schaffen. Trotz der schwierigen Gesamtsituation bin ich optimistisch. Es gilt diese Herausforderung anzunehmen, damit diese jungen Menschen eine Perspektive bekommen und hier Fuß fassen können.