Flagge zeigen: Die Polizei bei einer Schwerpunktkontrollaktion am 19. März 2023 in der Stuttgarter Innenstadt. Foto: SDMG/Schulz

Legt Landesinnenminister Thomas Strobl die Karten auf den Tisch? Der Innenausschuss will am Mittwoch eine umfängliche Aufklärung zum Altbacher Friedhofattentat. Ministerpräsident Kretschmann gibt bereits eine erste Einschätzung.

Was wird der Innenausschuss des Landtags am Mittwoch streng vertraulich und in nicht öffentlicher Sitzung über die seit Monaten dauernden bewaffneten Auseinandersetzungen von rivalisierenden Gruppierungen erfahren? Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat jetzt schon sein Fazit gezogen: „Von einer Bandenkriminalität, wie wir sie in anderen Bundesländern im Ansatz haben, sind wir sehr weit entfernt“, sagte er am Dienstag bei der Landespressekonferenz.

Damit tritt Kretschmann den Mutmaßungen über Clanstrukturen entgegen. „Wir sind nicht in einer Situation einer ausgeprägten Clankriminalität in Baden-Württemberg“, so der Landesregierungschef. Der Handgranatenanschlag in Altbach (Kreis Esslingen) sei „sozusagen ein Einzelfall“. Es werde mit hohem Druck und hoher Personenzahl ermittelt. „Die Maßnahmen aber öffentlich zu diskutieren, ist der Sache nicht dienlich“, so Kretschmann.

„In höchstem Maße alarmierend“

Die Mitglieder des Innenausschusses erwarten freilich mehr Details. Auch die des grünen Koalitionspartners: „Ich glaube, dass es auch für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in der Region Stuttgart ein wichtiges Signal ist“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecher der Grünen, Oliver Hildenbrand. Es sei höchste Zeit für einen aktuellen Überblick und Einblicke des Innenausschusses in den Stand der Ermittlungen. „Der Einsatz von Schusswaffen und Sprengmitteln in den vergangenen Monaten ist in höchstem Maße alarmierend“, so Hildenbrand.

Zuletzt hatte ein Anschlag mit einer Handgranate auf eine Trauergemeinde auf dem Friedhof in Altbach (Kreis Esslingen) am 9. Juni mehrere Verletzte gefordert. Dabei wurde ein 23-jähriger Tatverdächtiger festgenommen, nachdem er selbst von Trauergästen überwältigt und schwer verletzt worden war. Für zusätzliche politische Brisanz sorgt der von unserer Zeitung aufgedeckte Abbruch einer polizeilichen Observation, bei der verdeckt agierende Fahnder den Tatort fluchtartig verlassen haben sollen.

Mit Kritik vorab halten sich die Grünen im Landtag zurück. Und doch: „Das Sicherheitsgefühl ist erschüttert“, sagt Fraktionsvize Hildenbrand. Es sei „auch im Sinne der Öffentlichkeit wichtig, dass das Parlament einen Blick darauf hat, was die Polizei gegen diese irritierenden und erschreckenden Vorgänge unternimmt“.

SPD fordert Sonderlagebericht

Aus der Opposition werden scharfe Vorwürfe gegen Innenminister Strobl formuliert. Innenexperte Sascha Binder von der SPD fordert einen Sonderlagebericht zur organisierten Kriminalität: „Denn es sind keine Einzelstraftaten mehr“, sagt Binder, „es sind zusammenhängende Straftaten, das bestätigt ja auch das LKA selbst.“ Bei der parlamentarischen Aufarbeitung am Mittwoch müsse zur Sprache kommen, „wieso das notwendige Bewusstsein über Bandenkriminalität einfach nicht an der Spitze der Polizei und des Innenministeriums ankommt“, kritisiert er. „Der Anschlag in Altbach muss jetzt endlich zu einem Wandel führen“, sagt Binder. Außerdem müsse das Verhalten der Fahnder am Tatort dargelegt werden. Man dürfe von den Verantwortlichen „mehr erwarten als Augen zu und Eigenlob“.

Ist es womöglich Clankriminalität?

Die stellvertretende Vorsitzende der FDP/DVP-Fraktion, Julia Goll, will ein Ende der „bisher eher zurückhaltenden“ Informationen. „Wenn es so etwas wie Clankriminalität geben sollte, dann müsste man das einräumen und benennen“, sagt sie. Für den innenpolitischen AfD-Fraktionssprecher Daniel Lindenschmid ist das Urteil schon vor der Sondersitzung eindeutig: „Die Fassade von Strobls Baden-Württemberg, das so sicher sei wie seit 40 Jahren nicht mehr, zerfällt vor aller Augen.“

Innenminister Thomas Strobl hatte vergangene Woche die Sondersitzung für Mittwoch angekündigt und die Vorwürfe zurückgewiesen. „Die Opposition pöbelt hier völlig zu Unrecht“, erklärte Strobl, „wir krempeln die Ärmel hoch, arbeiten unter Hochdruck und machen Baden-Württemberg sicherer.“