Ohrschlich zu besorgen kann ganz schön knifflig sein Foto: StN

Dorothee Kilian aus Stuttgart-Plieningen berichtet: „Als ich vor über 30 Jahren nach Plieningen kam, musste ich für meinen Mann ,Ohrschlich‘ beim Küfer besorgen.

Stuttgart - Dorothee Kilian aus Stuttgart-Plieningen berichtet: „Als ich vor über 30 Jahren nach Plieningen kam, musste ich für meinen Mann ,Ohrschlich‘ beim Küfer besorgen. Ich habe mich fast geschämt, das zu verlangen. In der Zwischenzeit weiß ich, dass das Fassdichte ist. Woher kommt dieses Wort?“ Auch Rolf Grass aus Urbach und Siegfried Kölz aus Waiblingen stellen diese Frage. Zu Beginn der sprachlichen Untersuchung muss eine kleine, doch wesentliche Korrektur bei „Ohrschlich“ vorgenommen werden. Dieses Wort hat nichts mit dem Ohr zu tun, die erste Silbe ist ein nasales „õ“, so dass das Wort „Õschlich“ lautet. Dieses nasale „õ“ ist in weiten Teilen des schwäbischen Sprachraumes die Sprechweise für die Vorsilbe „un“, wie „õguåt, õleidig, Õnãmå“ zeigen. Mit diesem Laut kommen wir zum eigentlichen Wort „Unschlitt“, das im Schwäbischen verschiedene Sprechformen hat: Õschlitt, Õschlich, Õschlech, Õschlick. Im südlichen Sprachgebiet wird es mit einem „u“ anstelle des „õ“ gesprochen.

Was bedeutet nun „Unschlitt“? Heute nichts anderes als „Talg“, doch die Vergangenheit war vielfältiger. Den Begriff „Unschlitt“ gebrauchte man für tierisches Fett, das allerdings weniger zur Nahrung als zu gewerblicher Verwendung bestimmt war. „Unschlitt“ ist seit dem 9. Jahrhundert reichlich bezeugt, der Grund dafür ist, dass damals der Kienspan durch die Kerze verdrängt wurde. Man nimmt an, dass „Unschlitt“ auf das althochdeutsche „ungislaht“ (= ungeschlacht) zurückgeht. Dieses „ungeschlacht“ bedeutet „von übler äußerer Beschaffenheit, unförmig“. Unter „ungislahti“ verstand man „das zum Essen nicht Verwendbare vom Geschlachteten“, daneben gab es das Wort „ingislahti“ = das Eingeweide, die Innerei. Später sind beide Wörter verschmolzen und auf die Bezeichnung des Eingeweidefettes eingeengt.

Unschlitt wird zur Herstellung von Kerzen, Wagenschmiere, Schuhwichse, Seifen und zur Beleuchtung in Bergwerken und auch zur Abdichtung von Fässern verwendet. Im 16. Jahrhundert hat der vom Niederdeutschen ins Hochdeutsche (= Oberdeutsche) übernommene Begriff „Talg“ das hier übliche „Unschlitt“ immer mehr verdrängt.

In Nürnberg gibt es einen Unschlittplatz, neben dem sich ein Unschlittamt befand. In Johann Georg Krünitz’scher „Oekonomischer Encyklopaedie“ erfährt man folgendes Interessante: Es ist „ein obrigkeitliches Amt, welches aus drei Abgeordneten des Rathes, einem Amtmanne, einem Schreiber und einem Unschlittschauer besteht und in welches die Fleischer alles ihr Unschlitt oder Talg liefern und die Lichtzieher und Seifensieder es von demselben nehmen müssen.“

Der Spruch des Tages lautet: „A bissle isch emmer no besser wia gar nix.“

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