Es ist nur wenige Jahre her, da entrümpelte halb Deutschland seine

Es ist nur wenige Jahre her, da entrümpelte halb Deutschland seine Dachböden, um die Fundstücke auf Ebay zu versteigern. Nun scheint das Auktionshaus entzaubert - und befindet sich hierzulande in einer großen Krise.

Von Jörg Heinrich

Auf Ebay waren der Papst-Golf im Angebot, die abrasierten Haare von US-Popsängerin Britney Spears und ein zehn Jahre alter Käsetoast mit dem Porträt der Jungfrau Maria. Das leicht angegammelte heilige Sandwich brachte bei der Versteigerung etwa 17 000 Euro ein. Im Rückblick waren das die goldenen Zeiten des Internet-Auktionshauses. Heute sind die Dachböden leer geräumt, das Geschäft läuft schlecht, der einstige Lieblingsflohmarkt der Deutschen steckt in der Krise. Autor Axel Gronen, der seit Jahren Bücher über Ebay schreibt, beklagt: "Ebay ist entzaubert. Es ist nur noch ein ganz normaler Marktplatz." Konsequenz für viele unzufriedene Nutzer: Drei, zwei, eins - raus!

Das Hauptproblem: Ebay will nicht mehr Ebay sein, also eine virtuelle Fundgrube für Gebrauchtwaren aller Art. Sondern eher Amazon, ein Online-Kaufhaus für Neuwaren zum fixen Preis, die mehr Umsatz bringen als die Dachbodenverkäufe, deren Potenzial längst erschöpft ist. In England sind bereits 80 Prozent der Artikel Festpreisangebote, nur 20 Prozent stammen noch aus Auktionen. "Das Ebay, das Sie kennen, ist nicht das, was wir sind - oder das, zu dem wir werden wollen", kündigt Unternehmenschef John Donahoe an. Doch den Kampf gegen Amazon kann er kaum gewinnen. Die US-Firma mit ihrer zuverlässigen Logistik und ihrem Saubermann-Image ist Ebay als Internet-Kaufhaus weit voraus.

Wer bei Amazon einkauft, muss kaum Angst haben, übers Ohr gehauen zu werden. Bei Ebay sieht dies anders aus. Zwar meint der Ökonom Matthias Wibral von der Uni Bonn, der eine Studie über Ebay erstellte: "Die überwiegende Mehrheit der Verkäufer ist ehrlich." Dennoch nutzen so viele kleine und große Betrüger Ebay, dass Wibral zum Schluss kommt: "Leute bleiben der Plattform fern, weil sie Angst haben, betrogen zu werden." Im dritten Quartal 2009 gingen die Versteigerungen weltweit um zwölf Prozent zurück, im vierten Quartal um weitere drei Prozent. Nur der Verkauf der Internettelefon-Firma Skype, die im September für 1,9 Milliarden Dollar abgestoßen wurde, sorgte 2009 für den Rekordgewinn von 2,39 Milliarden Dollar. In seiner Deutschland-Zentrale in Dreilinden bei Berlin (in der seit Ende 2008 bereits drei Chefs das Sagen hatten) entlässt das Unternehmen zur Jahresmitte 400 der 630 Beschäftigten.

Seine Kunden verärgert Ebay zudem mit häufig wechselnden Regeln. So wurde erst 2009 bei den beliebten Ein-Euro-Angeboten der Gratisversand für bestimmte Warengruppen wie Bücher, CDs oder Videospiele vorgeschrieben, um dem häufig kostenlosen Versand bei Amazon Paroli bieten zu können. Nach zahlreichen Protesten hob Ebay diese Bestimmung gerade wieder auf. Für viel Ärger sorgt derzeit die neue Vorschrift, nach der Ebay-Einsteiger mit weniger als 50 Bewertungen verpflichtet sind, das Ebay-eigene Bezahlsystem Paypal ("Bezahlfreund") als Zahlungsoption anzubieten.

So will das Auktionshaus seinen expandierenden Finanzservice, der bereits für rund ein Drittel des Konzernumsatzes sorgt, in Deutschland weiter durchsetzen. Dadurch werden die Auktionen teurer (um mindestens 1,9 Prozent des Umsatzes plus 35 Cent). Zudem gilt Paypal wegen Sicherheitsbedenken und mangelnder Transparenz als umstritten. Das Internet ist voll von Beschwerden, in denen Kunden klagen, dass Paypal trotz ordnungsgemäßer Lieferung die Weitergabe der bezahlten Summe verweigert. Die Google-Suche nach der Wortkombination Paypal und Probleme bringt 2,6 Millionen Treffer. Derzeit prüft das Bundeskartellamt die Koppelung von Verkauf und Zahlungsmethode bei Ebay.

Verwunderlich ist es somit nicht, dass ein Redner auf der letzten Mitglieder-Konferenz "Ebay Live" in Chicago klagte: "We are running out of Germans" - "Uns gehen die Deutschen aus . . .".