Die Kulturpolitik des Landes Baden-Württemberg stützt sich auf eine Kunstkonzeption aus

Die Kulturpolitik des Landes Baden-Württemberg stützt sich auf eine Kunstkonzeption aus dem Jahr 1990. In diesem Jahr soll einer Neuauflage erarbeitet

werden - als Leitbild für die Kultur-

politik des Landes in den nächsten

zehn Jahren.

Von Nikolai B. Forstbauer

Herr Birk, Baden-Württemberg verweist im Grundsatz auf eine Qualität der Vielfalt. Wie realistisch ist dieser Ansatz mittelfristig vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen

Rahmenbedingungen und der sich

verschärfenden Konkurrenz?

Wir haben in unserem Land eine hohe Qualität - in der Spitze wie in der Breite. Diese Qualität müssen wir halten. Umso wichtiger ist es, hierfür die richtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Es geht um Bestandspflege und um Entwicklung zugleich. Und hier wird es keinen Rückzug der öffentlichen Hand aus bestimmten Bereichen geben - vor allem dort nicht, wo wir Träger sind.

Ist das Land dann sogar bereit, in die Bresche zu springen, etwa wenn Kommunen ihre

Kulturausgaben reduzieren?

Die Kulturpolitik in Baden-Württemberg lebt von der Kontinuität. Aus dem Landeshaushalt fließen pro Jahr 350 Millionen Euro in diesen Bereich. Eine Kürzung um fünf bis zehn Prozent würde die Arbeitsfähigkeit oder sogar die Existenz vieler Einrichtungen gefährden. Wir haben uns bewusst gegen diesen Weg entschieden. Aber man muss auch deutlich machen, dass das Land kein Ausfallbürge sein kann, wenn kommunale Zuschüsse oder Sponsorenmittel wegfallen.

Die von Ihnen bekräftigte Qualität der Vielfalt stützt sich auf das paritätische Zusammenspiel von Stadt und Land. Hat dieses Modell Zukunft?

Mehr als 90 Prozent der Kulturförderung kommen von der öffentlichen Hand. Und es gibt in unserem Land schwerpunktmäßig diese gemeinsame Verantwortung von Land und Kommunen für die Finanzierung. Auf beiden lastet der gleiche Druck. Deshalb ist es wichtig, dass es einen Austausch in der Frage von Synergien und Einsparpotenzialen gibt. Für das Land stelle ich fest, dass im aktuellen Landeshaushalt keine einseitigen Kürzungen in einer Mitträgerschaft des Landes vorgesehen sind.

Alle Besucherbefragungen zeigen eine hohe Abhängigkeit der Kultureinrichtungen von besonderen Angeboten. Mit Blick auf die Museen: Wie realistisch ist der Ruf nach mehr Forschung und stärkerer Sammlungsarbeit?

Im Grundsatz gibt es diese vier Grundaufgaben: Sammeln, bewahren, vermitteln und Forschung. Diese Bereiche werden von uns sehr ernstgenommen. Und dort, wo es sinnvoll ist, setzen wir auf eine Schwerpunktbildung. So liegen in der Forschung Chancen, die wir besser nützen können. Wir müssen prüfen, wo und wie wir die Zusammenarbeit von Museen, Universitäten und Forschungseinrichtungen noch vertiefen können. Hier müsste es ein Interesse auf beiden Seiten geben, zumal Universitäten und Akademien meist über eigene Sammlungsbestände verfügen, die noch besser erschlossen werden können. Deshalb müssen wir Museen und Universitäten stärker miteinander vernetzen. Dieser Weg ist schon deshalb wichtig, weil die Universitäten erfolgreich darin sind, Drittmittel im Forschungsbereich zu aquirieren.

Damit sind wir bei der Struktur der großen Kultureinrichtungen. Bisher hat doch die

Umwandlung in Landesbetriebe nicht die

erhoffte Flexibilität gebracht - oder?

Öffentliche Museen sind keine Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht. Das Entscheidende ist, dass wir den Museen mehr Handlungsspielräume in der in der Haushalts- und Wirtschaftsführung geben, zum Beispiel über kaufmännische Buchführung und dezentrale Budgetierung. Und wir erlauben ihnen, Rücklagen zu bilden, über die sie neben den laufenden Mitteln verfügen können.

Sie haben vorher selbst die Zahl genannt - mehr als 90 Prozent der Kulturförderung kommt von der öffentlichen Hand. Sehen Sie hier wirklich noch Spielräume?

Gerade aufgrund der Stärke der Forschung in unseren Museen sehe ich die Notwendigkeit, Kräfte zu bündeln. Wir wollen nicht Grenzen ziehen, sondern Möglichkeiten schaffen, zum Beispiel durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Universitäten. Dabei geht es auch um Drittmittel auf europäischer Ebene und auf Bundesebene.

Wie verträgt sich denn die Finanzknappheit mit dem Thema Große Landesausstellung?

Die Großen Landesausstellungen haben sich bewährt. Ich möchte an ihnen ohne Wenn und Aber festhalten. Sie sind wichtig, damit unsere Museen Sammlungsschwerpunkte bearbeiten und entsprechend präsentieren können. Große Landesausstellungen haben eine überregionale Ausstrahlung. Das ist auch wichtig, um mehr Menschen für die Dauerausstellungen zu gewinnen. Drittens sind die Großen Landesausstellungen ein etabliertes Markenzeichen. Wichtig ist, dass die Ausstellungen gut beworben werden. Mit Blick in den Herbst: Wir freuen uns auf die Präsentation der "Grauen Passion" von Hans Holbein in der Staatsgalerie Stuttgart. Aber ohne Förderung als Große Landesausstellung könnten wir eine solche Ausstellung mit dem Vorlauf an Restaurierung und Aufarbeitung nicht stemmen.

Große Landesausstellungen haben zudem den Vorteil, dass sie sich finanziell gut steuern lassen. Belebt das Ideen, die Verwaltung der Kultureinrichtungen zu zentralisieren?

Profilbildung setzt Eigenständigkeit voraus. Zugleich sollten wir die Zusammenarbeit dort verstärken, wo es sinnvoll ist. Zum Beispiel gemeinsamer Einkauf, gemeinsame Personalverwaltung, gemeinsame Haushaltsverwaltung. Aber nicht, um die Museen unter ein Dach zu bringen, sondern um Serviceleistungen sinnvoll zu bündeln.

Immer wird Kulturarbeit mit Bildungsarbeit gleichgesetzt. Muss man dann aber nicht

konsequenterweise die Etats zugunsten der Kultur umschichten?

In erster Linie geht es mir nicht um die Frage der Ressortzuständigkeit der Finanzmittel, sondern um pragmatische Lösungen. Uns allen ist klar, dass wir die Kultureinrichtungen und die Schulen näher zusammenbringen müssen. as Land in seiner bildungspolitischen Verantwortung, die Kommunen als Schulträger und die Kulturverwaltungen und Kultureinrichtungen haben daran ein gemeinsames Interesse. Ich bin froh, dass Ministerpräsident Stefan Mappus die kulturelle Bildung in seiner Regierungserklärung aufgegriffen hat. Wir haben den Auftrag zur kulturellen Bildung und wollen diesen im Alltag der Schülerinnen und Schüler noch stärker verwirklichen. Es wird - gerade auch im Zuge der Ganztagesschule - darum gehen, dass sich Schüler jeder Jahrgangsstufe entsprechend ihres Interesses und ihrer Begabung mit Kunstprojekten in allen Sparten vom Tanz bis zum Film beschäftigen können.

Sehen wir diese Frage aus der Sicht der Spitzenkunst. Mehr und mehr wird künstlerisches Handeln als Forschungsarbeit verstanden. Immer häufiger rufen Kultureinrichtungen entsprechend auch EU-Mittel aus der Bildungsarbeit ab. Welche Konkurrenz sehen Sie hier?

Ich halte es für richtig, dass sich kulturelle Einrichtungen an der Kunstforschung beteiligen, um neue Impulse für die Kunst geben zu können. Wir haben zum Beispiel mit dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie und der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe hervorragende Plattformen. Ein Thema ist das Zusammenspiel der künstlerischen Sparten vor dem Hintergrund Neuer Medien und globaler Vernetzung. Hier liegt eine große Chance der Kunst, und Baden-Württemberg muss dabei sein. Gleichzeitig dürfen wir die Bildungsarbeit nicht beschränken. Impulse gehen gerade auch von der Laienkultur aus und werden besonders in einer Gesellschaft mit einem wachsenden Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund immer wichtiger. Wir müssen also über die Bildung die Breite der Gesellschaft erreichen und über die Forschung neue Tendenzen erkennen und aufgreifen.

Gerne spricht man der Kultur gesellschaftspolitische Bedeutung zu. Wie sehen Sie das?

Ein Thema, das ganz zentral ist. Ich glaube, dass Kunst und Kultur zum Beispiel auch in der Aufarbeitung der Wirtschafts- und Finanzkrise Impulse geben können.

Inwiefern?

Im Sinn einer gesellschaftskritischen Selbstreflektion. Kunst kann Fehlentwicklungen in der ihr eigenen Weise aufgreifen und sichtbar machen.

Als eine Fehlentwicklung sehen die Kultureinrichtungen, dass ihnen die Kürzungen die Möglichkeit nehmen, Projektmittel zu akquirieren. Wer keinen Eigenanteil von 30 bis 50 Prozent bringen kann, braucht in Brüssel "

keinen Antrag einzureichen.

Für mich gilt, dass der laufende Betrieb in erster Linie über die öffentliche Hand abgesichert wird. Die Einwerbung von Projektmitteln und Sponsorengeldern ist Sache der Einrichtungen. Diese Mittel können aber die laufende Finanzierung durch die öffentliche Hand nicht ersetzen, darauf lege ich Wert.

Derzeit wird an der neuen Kunstkonzeption gearbeitet. Sind auch Künstler beteiligt?

Unsere Kunstkonzeption entsteht im Dialog. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn die Betroffenen in die Inhalte und in den Fahrplan eingebunden sind. Wir sind im Gespräch mit vielen Vertretern der Kultur in Baden-Württemberg, zum Beispiel mit dem Bühnenverein, der Kunststiftung Baden-Württemberg, den Vertretern der freien Theater, der Interkultur, der Literatur, mit den Vertretern der Künstlerverbände, aber auch mit einzelnen Persönlichkeiten.

Und wie ist der Fahrplan?

Wir sind dabei, den Entwurf zu erstellen. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens im Mai ins Kabinett gehen können und anschließend in das parlamentarische Verfahren. Ziel ist es, die Kunstkonzeption noch vor der Sommerpause zu verabschieden.

Wozu brauchen wir eine Kunstkonzeption?

Wir entwickeln ein Leitbild für die Kultur- und Kunstpolitik der nächsten zehn Jahre. Die jetzige Kunstkonzeption stammt von 1990. Seitdem haben wir erhebliche gesellschaftliche Veränderungen erlebt. Wir haben nicht ohne Grund über die kulturelle Bildung und über die Integrationsaufgabe der Kunst gesprochen. Diese Themen sollen - neben anderen - in die Kunstkonzeption einfließen. Dabei bildet die Kunstkonzeption kein abschließendes Regelwerk, sondern einen Rahmen, der einem ständigen Prozess unterliegt.

Welche Rolle soll in der Kulturförderung und -politik künftig die Landesstiftung spielen?

Eine der wichtigsten Aufgaben der Landesstiftung war von Beginnn an die Kulturförderung. Bisher sind rund 45 Millionen Euro in die Kultur geflossen. Und ich kann überhaupt nicht festestellen, dass die Zahl der Projektanträge rückläufig wäre. Die Landesstiftung hat vieles ermöglicht, was über den Landeshaushalt nicht finanzierbar gewesen wäre. Bei der Beurteilung der Anträge ist wichtig, dass es einen hohen Innovationsgehalt gibt.

Ist dieser im Tanzbereich nicht gegeben? Es scheint so, als hätte es der Tanz in Baden-Württemberg besonders schwer.

Das ist sicher ein spannendes Zukunftsthema, das wir aufgreifen. Es hat sich bereits ein runder Tisch formiert, an dem alle Akteure der Tanzszene Baden-Württemberg zusammen treffen; das Land unterstützt das und hat unter www.tanzszene-bw.de auch einen Internetauftritt finanziert. Es geht darum, deutlich zu machen, dass der Tanz als wichtige Sparte in Baden-Württemberg wahrgenommen werden muss - und andererseits, die Chancen zu nutzen, die gerade der Tanz für die interkulturelle Arbeit und die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bietet.

Seit wenigen Wochen hat das Land einen neuen Ministerpräsidenten. Welche Rolle wird Stefan Mappus für Ihre Arbeit spielen?

Wir setzen in Baden-Württemberg auf Kontinuität in der Kunstpolitik, weil wir dadurch ein hohes Niveau erreicht haben. Ich weiß, dass Ministerpräsident Stefan Mapppus an diesem Thema sehr interessiert ist. Ich meine, jeder Ministerpräsident ist bisher gut damit gefahren, Kunst und Kultur in Baden-Württemberg einen hohen Stellenwert einzuräumen und entsprechende Akzente zu setzen.

In einer Klausurtagung zur Kunstkonzeption stehen Sie heute Ihrer Fraktion, der CDU, Rede und Antwort. Wie ist denn das Interesse der anderen Fraktionen an diesem Thema?

Kunstpolitik eignet sich nicht für den parteipolitischen Schlagabtausch. Ich freue mich sehr über das Interesse der eigenen Fraktion. Und Sie können sicher sein, dass wir dort wo es Anregungen von anderer Seite gibt, diese auch aufgreifen und diskutieren.