Kein Platz mehr frei: Lkw-Parkplatz bei Aichelberg Foto: dpa

Seit die EU 2006 die Ruhezeiten für Lastwagenfahrer geändert hat, ist der Bedarf an Parkplätzen für den Schwerlastverkehr an Autobahnen gewachsen. Obwohl der Bund an den Tank- und Rastanlagen laufend neue Stellplätze schafft, reichen sie nicht. Ein Leitsystem soll helfen – ein Pilotprojekt.

Stuttgart - Wie lange Lkw-Fahrer ununterbrochen hinterm Steuer sitzen dürfen, ist ein schwieriges Kapitel. Die Tageslenkzeit darf neun Stunden nicht überschreiten, zweimal pro Woche kann sie auf zehn Stunden ausgedehnt werden. Zu den Lenkzeiten gehört auch das vorübergehende Stehen, also etwa im Stau. Die Wochenlenkzeit darf höchstens 56 Stunden betragen. Die Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen soll aber 90 Stunden nicht überschreiten. Innerhalb von 24 Stunden müssen die Fahrer elf Stunden ruhen – im Einzelfall genügen auch neun Stunden.

Hier finden Sie die Schwerlastverkehr-Statistik der letzten Jahre

Bei Verstößen können Fahrer und Unternehmen zu Geldbußen und sogar Freiheitsstrafen verurteilt werden. Die meisten Fahrer achten deshalb penibel darauf, die Ruhezeiten einzuhalten. Doch an den Autobahnen scheitern sie oft: Die Rastanlagen sind brechend voll, in jedem Winkel haben sich Kollegen mit ihren Lkw hingequetscht. „An den Raststätten und Zufahrten herrschen chaotische Zustände“, stellte jüngst Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bei einem Besuch der Tank- und Rastanlagen Hohenlohe Nord und Süd an der A 6 fest.

Dort wird zur Zeit gebaut: Die Zahl der Lkw-Stellplätze wird von 64 auf 197 erhöht. Das ist überfällig: Seit dem Fall der Mauer und der EU-Osterweiterung ist die A 6 zur Ost-West-Achse Paris-Bratislava geworden. Landesweit ist dort das Transportaufkommen am höchsten. Die Zahl der Lastwagen und Schwertransporte steigt ständig, die Grün- und Standstreifen sind regelmäßig zugeparkt. Vor allem ab 18 Uhr wird die Parkplatzsuche zum Lotteriespiel.

Aktuell gibt es laut Verkehrsministerium 6500 Stellplätze an den Tank- und Rastanlagen im Land. Wie viele fehlen, ist dagegen unbekannt. Mittelfristig sei der Bau von 3000 weiteren Stellplätzen geplant, sagt die Behörde. Prognosen werden dort nicht erstellt, weil in der Vergangenheit einige Fachbüros falsch lagen. Bekannt ist aber, dass der Anteil der Lastwagen etwa auf der A 8 rund 15 Prozent ausmacht, auf der A 6 sogar 22 Prozent. Beide sind – ebenso wie die A 5 – die wichtigsten Transitachsen in Baden-Württemberg.

Der Deutsche Speditions-. und Logistikverband (DSLV) nennt ebenfalls keine konkrete Zahl, wie viele Lkw-Stellplätze an den Raststätten fehlen. „Dass Parkraum fehlt, ist indes nicht zu übersehen“, sagt Pressesprecher Ingo Hodea. Das Bundesverkehrsministerium sehe für die nächsten zehn Jahre einen weiteren Bedarf von 8000 Plätzen – obwohl seit 2008 bereits 11 000 zusätzliche gebaut wurden.

Bundesverkehrsminister Dobrindt hat im Juni eine Prognose vorgestellt. Demnach wird es bis 2030 in Deutschland ein Verkehrswachstum von insgesamt 38 Prozent geben. Die Transportleistung werde sich bei allen Verkehrsträgern erhöhen: Bei der Bahn um 43 Prozent, beim Lkw um 39 Prozent und beim Binnenschiff um 23 Prozent. In Baden-Württemberg hat der Schwerlastverkehr allein zwischen 1990 und 2005 um 90 Prozent zugenommen.

Nach Einschätzung des Verbands des Württembergischen Verkehrsgewerbes fehlen im kommenden Jahr bundesweit 14 000 Stellplätze – 1500 davon im Südwesten. Die Politik reagiert darauf: Von 2015 an werden jährlich 42 Millionen Euro in den Ausbau der Tank- und Rastanlagen investiert.

Die Mittel fließen aber nicht nur in neue Lkw-Stellplätze, sondern auch in Gebäude und Grunderwerb. Die Flächen sind nur zum Teil im Besitz des Bundes oder Landes, teils gehören sie Kommunen oder Privatleuten. Vor allem die Anlagen an den Haupttransitstrecken an den Autobahnen 5, 6 und 8 sollen ausgebaut werden. Der Bund kommt für den Aus- und Umbau auf, das Land für Personal, Verwaltungskosten und die Ingenieurleistungen für Planung und Ausführung.

Doch diese Maßnahmen werden nicht ausreichen. Während auf der A 6 zwischen Heilbronn und Nürnberg täglich rund 28 000 Lkw unterwegs sind, bieten die Raststätten im Schnitt nur 100 bis 150 Stellplätze. „Der immense Bedarf kann durch den Ausbau alleine nicht abgedeckt werden“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann. Er setzt deshalb auf ein neues Elektronisches Leitsystem , das jetzt als Pilotprojekt getestet wird. Lastwagenfahrer müssen an einer Schranke ein Ticket ziehen – um registriert zu werden. Auf Basis dieser Daten wird auf einer Tafel über der Autobahn angezeigt, ob auf dem betreffenden Parkplatz noch Plätze für Lastwagen frei sind und wie viele.

Das System wird seit wenigen Wochen an einem Autohof bei Bad Rappenau (Kreis Heilbronn) getestet. Das soll wenigstens lästige und zeitraubende Suchfahrten verhindern. Mehr Parkraum entsteht dadurch aber auch nicht.