Bei der Sanierung von 1986 bis 1988 wurde historisches Fachwerk-Holz aus Gebäuden in ganz Baden-Württemberg verbaut. Foto: Bernd Zeyer

Vor 25 Jahren ist die sanierte und umgebaute Zehntscheuer eingeweiht worden.

Zuffenhausen - Die Zehntscheuer wird ein Mittelpunkt unseres gesellschaftlichen und kulturellen Lebens werden“, hatte der damalige Bezirksvorsteher Wolfgang Meyle am 4. November 1988 gesagt – und Recht behalten. Damals war das frisch sanierte und umgebaute Gebäude offiziell eingeweiht worden. Dieses Projekt war das Kernstück für die Umgestaltung des Alten Fleckens, der sich in den Folgejahren von einem schmuddeligen Hinterhof zu einem beliebten Wohnquartier entwickelte.

„Das zahlt Ihnen niemand!“

Meyle kann sich noch gut an 1980 erinnern. In jenem Jahr, er hatte vor kurzem den Posten als Bezirksvorsteher angetreten, war er mit dem damaligen Stuttgarter Baubürgermeister Hans-Martin Bruckmann eine Hühnerleiter heraufgeklettert, um sich die Zehntscheuer anzusehen und Werbung für deren Sanierung zu machen. Der Gast aus dem Stuttgarter Rathaus hatte freilich recht schnell kehrt gemacht und den Kopf geschüttelt. „Das kostet eine Million. Das zahlt Ihnen niemand“, hatte er Meyle beschieden und war wieder in seinen Dienst-Mercedes gestiegen. In der Tat sah das Gebäude damals wenig vertrauenserweckend aus. Alte Herde, Öfen und allerlei anderes Gerümpel lagerten dort. Außerdem war in dem Haus die Freibank eingerichtet, die günstiges, weil minderwertiges Fleisch verkaufte.

Dass die Zehntscheuer eine lange und bewegte Vergangenheit hat, sah man ihr vor der Sanierung nicht an. Heute hängt an ihrer Nord-Ost-Ecke eine kleine Infotafel mit einigen historischen Daten. Als erste Jahreszahl ist dort 1366 erwähnt. Damals hatte das „Chorherrenstift zum Heiligen Kreuz zu Stuttgart“ das Gebäude erworben. Gut 200 Jahre später, nämlich 1569, wurde es als „Stiftsscheuer“ neu gebaut. Ein eingemauerter Stein, der sich direkt über der Infotafel befindet, trägt diese Jahreszahl. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden Teile der Scheuer zerstört. 1821 schließlich kaufte die Gemeinde Zuffenhausen das Bauwerk und nutzte es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Kleinkinderschule und als Armenhaus. 1880 zog dort die Feuerwehr ein, die dort bis Anfang des 20. Jahrhunderts untergebracht war. Danach verfiel das Gebäude in eine Art Dornröschenschlaf. Wach geküsst wurde es auch nicht nur den Bau des Bezirksrathauses im Jahr 1951, ganz im Gegenteil. Dessen großer Baukörper verdeckte den Alten Flecken und all das, was wenig zeigenswert erschien.

Ein Förderprogramm erwies sich als Glücksfall

Erst in den 1970er Jahren setzte ein Umdenken ein. „Damals konnte man immer wieder von Renovierungsabsichten im Bezug auf Zehntscheuern im Land lesen“, erinnert sich Wolfgang Meyle. Er machte es sich zur Aufgabe, bei der Stadt für eine Sanierung der Zuffenhäuser Zehntscheuer zu werben. Zunächst biss er auf Granit, dann aber kam ihm ein neues Stadterneuerungsprogramm zur Hilfe, dass der Bund 1985 aufgelegt hatte. „Dieses Programm aus Bonn wurde zu unserem Glücksfall“, sagt Meyle heute. Mit heißer Nadel wurde ein Sanierungsgebiet festgelegt, als erstes Projekt davon die Zehntscheuer in Angriff genommen. Deren Renovierung begann 1986. Im Laufe der Arbeiten stellte sich allerdings heraus, dass die tragende Holzkonstruktion in einem solch schlechten Zustand war, dass wesentliche Teile ausgetauscht werden mussten. Architekt Michael Karst ging dabei einen schwierigen Weg: Anstatt sich neues Holz vom Sägewerk zu beschaffen, machte er sich auf die Suche nach authentischem, handgeschlagenen Holz, welches 200 bis 300 Jahre alt sein sollte. Er wurde fündig. Aus alten Gebäuden in ganz Baden-Württemberg wurde Holz nach Zuffenhausen geschafft. Großer Glückstreffer war eine Scheune in Malms-heim, deren Holz man sogar geschenkt bekam. Dennoch kostete die Sanierung weit mehr, als Baubürgermeister Bruckmann Jahre zuvor befürchtet hatte: Am Ende waren aus der einen Million stattliche 2,3 Millionen Mark geworden. Bezahlt hat es schließlich auch jemand: Ein Drittel des Geldes kam vom Bund, die restliche Summe von der Stadt.