"Oben bleiben" - das wollen die Gegner von Stuttgart 21. Ihre Forderung machten sie am Freitag wieder mit einer Demo deutlich. Foto: Rothe

Nach Polizeiangaben mindestens 30.000, laut Veranstalter 65.000 Menschen auf der Straße.

Stuttgart - Mit 65.000 Teilnehmern habe die Stadt die "bisher größte Demonstration gegen Stuttgart 21" erlebt, teilten die Veranstalter am späten Freitagabend mit. Die Polizei zählte 30.000 Teilnehmer.

Ungeachtet solcher Differenz war es ein eindrucksvoller Aufmarsch, der sich am Freitagabend gegen 19.15 Uhr vom Mittleren Schlossgarten aus über Schloss-, Friedrich- und Bolzstraße Richtung Schlossplatz in Bewegung setzte. Als die ersten Demonstranten die Konrad-Adenauer-Straße für den Rückweg erreicht hatten, passierten die letzten noch den Hauptbahnhof.

"Stuttgart steht auf"

Mit Sprechchören wie "Mappus weg!", "Schuster weg!" oder "Wir sind das Volk!" und dem Krach von Vuvuzelas, Fanfaren und Trillerpfeifen zog die Menge mit grünen Luftballonen durch die City. Auf dem Transparent an der Spitze des Zuges hieß es: "Stuttgart steht auf!"

Bilder der Demo

Die Polizei sperrte mehrere große Kreuzungen sowie die B14 und die Friedrichstraße halbseitig. Für viele Autofahrer wurde das Warten auf freie Fahrt zur nervenzehrenden Geduldsprobe.

Bereits bei der Auftaktkundgebung im Schlossgarten hatte die Stadträtin Clarissa Seitz (Grüne) für Aufsehen gesorgt, als sie den "Kulturvandalismus" der letzten Jahrzehnte in Stuttgart geißelte und dabei auch Parallelen zog zwischen der Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamyan durch die afghanischen Taliban 2001 und den laufenden Abrissarbeiten der Bahn am Nordflügel des Hauptbahnhofs für Stuttgart 21.

Bilder der Demo

Auch bei der Abschlusskundgebung, die gegen 21 Uhr im Schein Tausender Kerzen und Lampen wieder im Park stattfand, wurde Klartext geredet. "Was hier geleistet wird, ist beispielhaft für die Republik", sagte Winfried Wolf, der 1994 bis 2002 für die PDS im Bundestag saß und zu den ersten Kritikern des Projekts zählte. Stuttgart 21 könne noch verhindert werden, sagte Wolf.

Gangolf Stocker vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 forderte die Bahn auf, "ab Montag den Abbruch des Nordflügels zu stoppen". Falls die Bagger nicht ruhten, werde das erste "Sondierungsgespräch" zum Runden Tisch nicht stattfinden. "Wir werden noch stärker Druck ausüben, bis Stuttgart 21 beendet ist", kündigte der Stadtrat (SÖS) an. Auch die geplante ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm solle nicht gebaut werden, forderte Stocker.

Robin-Wood-Aktivisten bauen Baumhaus

Die Großdemo ging gegen 22 Uhr friedlich zu Ende. Auch der Bau eines Baumhauses auf einer großen Platane im Schlossgarten durch Aktivisten von Robin Wood und der Parkschützer-Initiative wurde von den Ordnungskräften toleriert. Für Stuttgart 21 müssen 282 große Bäume im Park und vor dem Bahnhof fallen.

Bilder der Demo

Tagsüber war es allerdings zu zwei gefährlichen Attacken auf Polizeibeamte gekommen. Gegen 10.15 Uhr drängte der 63-jährige Fahrer eines Lieferwagens einen Motorradpolizisten auf der B10 bei Stammheim links gegen die Leitplanke. Der Polizist konnte einen Zusammenstoß nur durch eine Vollbremsung verhindern.

Der 63-Jährige war einem abfahrenden Lkw mit Schutt seit der Baustelle am Nordflügel gefolgt und dabei dem Beamten aufgefallen. Der 63-Jährige konnte nach dem Zwischenfall mit Hilfe von Zeugen gestellt werden.

Bilder der Demo

Gegen 14.30 Uhr stieß eine 56 Jahre alte Frau einen Polizeibeamten an der Baustelle unerwartet und so heftig vor die Brust, dass dieser rückwärts auf die Straße taumelte. Ein heranfahrender Lkw konnte gerade noch stoppen, sonst hätte er den Mann überrollt. In beiden Fällen geht die Polizei derzeit davon aus, dass die Täter vorsätzlich und bewusst gehandelt haben.

OB Wolfgang Schuster hat unterdessen angekündigt, unter bestimmten Voraussetzungen die Einladung zu einer der sogenannten Montagsdemonstrationen gegen Stuttgart 21 anzunehmen. Die Veranstalter müssten aber gewährleisten, dass er einige Minuten zu Wort kommt, sagte Schuster im Interview mit der "Stuttgarter Zeitung".

Die 42. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 findet am 6. September um 18 Uhr vor dem Nordausgang des Hauptbahnhofs statt. Die nächste Großdemo ist für Freitagabend angekündigt. Eine Initiative ermöglicht es allen Bürgern, sich vor den Freitagsdemos um 17 Uhr über Lautsprecher an der Baustelle zu äußern.