Durchs „Sacher“ schicksalhaft verbandelt: Julia Koschitz, Ursula Strauss und Josefine Preuß (v.li.) Foto: ZDF

Mit dem starbesetzten Zweiteiler „Das Sacher. In bester Gesellschaft“ betätigt sich das ZDF nach der „Adlon“-Saga ein weiteres Mal als Geschichtsschreiber der Grandhotel-Branche.

Stuttgart - Gleich zu Beginn kreuzen sich ihre Blicke vielsagend im Hotelfoyer. Dass es im Laufe des ZDF-Zweiteilers „Das Sacher. In bester Gesellschaft“ zu einer amourösen Vierecks-Geschichte zwischen den adeligen von Traunsteins aus Österreich und dem Berliner Verlegerpaar Aderhold kommt, ist dann nicht wirklich eine Überraschung; Goethes „Wahlverwandtschaften“ standen angeblich Pate.

Was aber schon verblüfft, ist die Unangestrengtheit, mit der diese Ménage-à-quatre zwischen Berlin und Wien im ausgehenden 19. Jahrhundert praktiziert wird. Reiseentschlüsse fallen alle naselang, es wird munter hin- und hergependelt in einer Zeit, die noch ohne ICE und Lufthansa auskommen musste. Trotzdem schneien nach mehreren Hundert Kilometern die Ehebrecher jedes Mal ausgeruht in die Hotellobby, wo die Chefin des Hauses die Stammgäste Zigarren paffend begrüßt.

Die Drehbuchautorin Rodica Doehnert demonstriert damit die Weltläufigkeit der Eliten, die damals im Sacher ein- und ausgingen. Das Hotel war um die Jahrhundertwende „the place to be“, wie der Produzent Oliver Berben sagt, ein mondäner Ort der Wiener Moderne, bevölkert von Adeligen, bürgerlichen Neureichen, Künstlern, Intellektuellen, die das Haus mit ihren Plaudereien, Geschäftstreffen, politischen Debatten, Ausschweifungen und Eskapaden zum Schwirren brachten.

Die Geschicke des Luxusdomizils sind nur Nebensache

Mit dem historischen Zweiteiler betätigt sich das ZDF mit seiner Autorin Rodica Doehnert also nach der „Adlon“-Familiensaga (2013) abermals als Geschichtsschreiber der Grandhotel-Branche, widmet sich nun aber der untergehenden k. u. k. Doppelmonarchie – die Zeitspanne reicht von 1892 bis 1919. Fürstin Konstanze von Traunstein (Josefine Preuß) und ihr aus rein pekuniären Gründen angeheirateter Mann Hans Georg (Laurence Rupp) sowie Martha (Julia Koschitz) und der Schriftsteller Maximilian Aderhold (Florian Stetter), die dabei sind, in Berlin einen Verlag aufzubauen, beziehen im Sacher just in jener Nacht Quartier, als Anna Sachers (Ursula Strauss) Mann Eduard, Gründer des Hotels, Erfinder der legendären Torte, stirbt. Gegen etliche Widerstände kann sie sich als seine Nachfolgerin etablieren und zu einer Wiener Institution heranreifen.

Doch die Geschicke des Luxusdomizils, die der Portier Mayr (Robert Palfrader) zwischendurch als Erzähler in wenigen blumig-diskreten Sätzen referiert, werden zur Nebensache angesichts der Vielschichtigkeit des Stoffs, den Doehnert mit Regisseur Robert Dornhelm zusammenballt. Sie schildern, wie sich die Monarchie selbst degradiert, politische Reformideen keimen, der Krieg hereinbricht, lassen eine in Konventionen gefangene Prinzessin eine Doppelexistenz als Schriftstellerin führen und die Frauen ganz allgemein nach Unabhängigkeit streben. Mit der Lovestory zweier Bediensteter wird fix noch das einfache Volk abgedeckt.

Die Männer sind lasch, die Frauen naiv oder zugeknöpft

Melodram, Sittengemälde, Ideengeschichte – fehlt noch eine Prise Suspense in diesem Kulissenzauber, der auf Außenaufnahmen weitgehend verzichtet und mit digital bearbeiteten Postkartenansichten arbeitet. Dafür muss das abstruse und an den Fall Kampusch erinnernde Schicksal der Marie Stadler herhalten, uneheliche Tochter einer Hotelwäscherin, die vom Notenwart der Wiener Oper sechs Jahre lang gefangen gehalten wird, bis sie erfährt, dass der Fürst von Traunstein ihr Vater ist.

„Das Sacher“ ist modern multiperspektivisch erzählt; Der Plot klappert reihum die Protagonisten ab, eine zentrale Identifikationsfigur aber fehlt; Anna Sacher jedenfalls bleibt eher eine Randerscheinung. Ihr wie auch den anderen Figuren kommt man nicht wirklich nah. Preuß gibt ihrer Konstanze einen naiv-süßlichen Unterton und kann vor allem im zweiten Teil, wo Konstanze Mutter von zwei erwachsenen Töchtern ist, mit ihrer knabenhaften Jugendlichkeit nicht überzeugen. Koschitz bleibt als emanzipierte, aber zugeknöpfte Verlegerin Martha spröde. Auch die Männer sind lasch. Der eine, Hans Georg, ist ein Gutmensch, der sich für die Friedensbewegung erwärmt; der andere, Maximilian, ein narzisstischer Luftikus und erfolgloser Schriftsteller.

Schlussendlich spiegelt sich die Zerrüttung der Epoche am ehesten in der Figur der Marie Stadler, von Jasna Fritzi Bauer abgründig gespielt. Aschgraues Gesicht, wirres Haar, verrutschtes Tüllkleid – so entkommt sie ihrem Gefängnis, um zu einer Salon-Intellektuellen zu reifen und am Ende mit maliziösem Blick den Beginn einer neuen Zeit anzukündigen. Das Sacher hat auch diese überdauert. Sendetermin: ZDF, 16. und 18. Januar, jeweils 20.15 Uhr. Im Anschluss an den ersten Teil folgt die Dokumentation „Die Königin von Wien – Anna Sacher und ihr Hotel“.