WMF-Chef Peter Feld will den Konzern voranbringen Foto: PPfotodesign/Peter-Michael Petsch

WMF-Chef Peter Feld krempelt den Konzern um. Bei dem Spezialisten für Besteck, Töpfe und Küchengeräte sollen bis zu 600 Jobs wegfallen, der Großteil in Geislingen.

WMF-Chef Peter Feld krempelt den Konzern um. Bei dem Spezialisten für Besteck, Töpfe und Küchengeräte sollen bis zu 600 Jobs wegfallen, der Großteil in Geislingen.

Stuttgart - Herr Feld, warum sind solche harten Einschnitte nötig?
Lassen Sie mich dazu bitte erst einen Schritt zurückgehen. Die WMF steht auf einer stabilen Basis, hat sich in ihrer 160-jährigen Gesichte erfolgreich entwickelt und die Umsatz-Milliarde überschritten. Jetzt geht es um eine Standortbestimmung, wo soll es hingehen soll. Und wir haben eine klare Vision: Wir wollen weltweit zur Nummer 1 in den Bereichen Tisch und Küche und bei professionellen Kaffeemaschinen werden – nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wo wir Platzhirsch sind. Deshalb haben wir unser strategisches Transformationsprogramm auf den Weg gebracht. Es steht auf fünf Säulen: Kundennähe, beschleunigte Internationalisierung, profitables Wachstum in Europa, operative Exzellenz und eine hocheffektive Organisation. Hierzu gehört auch ein neues Logistikkonzept. Die bisher 33 Logistikzentren sollen bis Ende 2015 auf zwei Standorte konzentriert werden.
Was heißt das für den Stammsitz Geislingen?
Von der Umstrukturierung des Konzerns werden maximal 370 bis 390 Mitarbeiter betroffen sein, davon maximal 260 bis 280 in Geislingen. Beim Logistikprojekt laufen gerade Gespräche mit dem Betriebsrat.
Es kursiert die Zahl, dass 250 Stellen gestrichen werden sollen?
Die Zahl 250 betrifft nicht nur Produktionsmitarbeiter in der Logistik, sondern auch Planungsmitarbeiter – die wird es aber weiter in Geislingen geben. Die Zahl ist geringer, denn wir werden Verwaltungsfunktionen in Geislingen zusammenführen, so dass hier neue Aufgaben entstehen werden. Das wird die Gesamtauswirkungen abschwächen.
Können Sie mal ein Beispiel machen?
Von Geislingen aus werden wir künftig die Marken aus einer Hand führen, und möchten auch einen Konsumentenservice einrichten. Wenn Kunden künftig eine Frage zu unseren Marken haben, müssen sie sich nicht mehr an Alfi, Silit oder Kaiser wenden, sondern einfach an den – ich nenne es mal WMF-Consumerservice. Das ist meine Wunschvorstellung. Bislang sind all diese Funktionen in Deutschland verstreut. Ich wünsche mir, dass wir in Geislingen auch einige Mitarbeiter aus den Schwesterunternehmen ansiedeln können – also zum Beispiel aus Riedlingen. Eine gemischte Kultur täte dem Unternehmen gut.
Nochmals zu den Gesprächen mit dem Betriebsrat. Können Sie Entlassungen verhindern?
Ich will nichts unter den Tisch kehren. Das ist ein ganz schwerer Umbau für unsere Organisation in Deutschland. Die neue Organisation sieht rund zehn Prozent weniger Personalkosten vor. Wir sind daran interessiert, schnellstmöglich sozialverträgliche Lösungen zu finden . Wir haben eine Art Vakuumsituation – keiner weiß, ob er betroffen ist. Das ist nicht gut, denn wir müssen auch die 90 Prozent der Mitarbeiter wieder motivieren, die mit uns in die Zukunft gehen. Mit dem Betriebsrat laufen sachlich konstruktive Diskussionen.
Halten Sie an den Standorten in Baden-Württemberg fest?
Geislingen ist die Wiege des Unternehmens, Das gilt es zu pflegen. Wir haben hier aber eine Infrastruktur, in der vor etlichen Jahrzehnten 6000 Produktionsmitarbeiter gearbeitet haben. In enger Verzahnung mit der Stadt überlegen wir, wie die Zukunft des Standortes aussehen kann. Da gehört auch der Fabrikverkauf in der Fischhalle dazu wo über 20 Unternehmen ansässig sind und nicht nur WMF-Produkte verkauft werden, Wir haben zwei große Kraftwerke – die brauchen wir mitnichten für die Produktion. Auch die Produktionsstandorte in Hayingen und Riedlingen – hier liegt die Kernkompetenz der Silargan-Produktion – liegen uns am Herzen.
Welche Rolle spielt Finanzinvestor KKR beim WMF-Umbau. Gibt es Renditevorgaben des Eigentümers, redet er ins operative Geschäft?
Überhaupt nicht. Was mich überzeugt hat, zur WMF zu kommen, war auch die Aussage, dass wir nicht über die jetzigen fünf Jahre nachdenken müssen, sondern über die Jahre danach. Wenn ein Finanzinvestor – egal ob er KKR oder anders heißt – irgendwann zu Mehrwert verkaufen möchten, muss er eine erfolgreiche Wachstumsgeschichte erzählen können. Das geht nicht ohne Nachhaltigkeit. Deshalb gab es auch breite Zustimmung im Aufsichtsrat, als wir unser Transformationsprogramm vorgestellt haben. Es ist kein Einsparprogramm, sondern eine Weiterentwicklung vom Platzhirsch in Europa zu internationaler Stärke.
Können Sie mal konkrete Beispiele nennen?
Nehmen wir den Kaffeemarkt. Der ist hochemotional und hat sich sehr schön weiterentwickelt. Wir befinden uns mit großen Maschinen in einer Nische und genießen hier über 40 Prozent Marktanteil. Auf der anderen Seite ist gerade ein neuer milliardenschwerer Kaffeekonzern unter anderem aus den Marken Jacobs und Senseo entstanden. Ich möchte gerne in Zukunft der sein, der von diesen Unternehmen angesprochen wird – nicht nur für unsere Premiummaschinen.
Stichwort Internationalisierung. Sie wollen den chinesischen Markt aufrollen?
Um wirklich international erfolgreich zu sein, braucht es ein Stück weit einen Kulturwandel. In China sind wir in einer absoluten Startsituation. Wir betrieben dort 130 Geschäfte, die Marke ist kaum bekannt. Wir brauchen hier ein völlig anderes Geschäftsmodell als in Deutschland oder der Schweiz, wo die Empfehlung für unsere Produkte oft eine Generationenweitergabe ist. Ich bin auf die WMF gekommen als meine Mutter mir bei der Vorbereitung auf meine Hochzeit gesagt hat, kauf bloß kein Silberbesteck , sondern nimm das Cromargan-Besteck von WMF. Das kannst Du in die Spülmaschine stecken. Das Besteck haben wir heute noch. Diese Empfehlung nimmt uns leider in China niemand ab. Das ist auch der Grund, warum wir dort seit Januar ein neues Führungsteam haben. Wir müssen viel spitzer in den Markt rein. Mit so vielen Produkten und dem Ansatz der generalistischen Kompetenz von Tischaccessoires bis zu Vorbereitungsprodukten für die Küche ist in China nichts zu gewinnen .
In Europa haben Sie das Produktprogramm verkleinert. Warum?
Wir sind ein Unternehmen, das technisch denkt, wir produzieren Kaffeemaschinen und Küchenhelfer. Wir produzieren unheimlich viele tolle Ideen, müssen aber stärker herausarbeiten, was wirklich relevant für die Verbraucher ist und das viel lauter kommunizieren. Von 40 000 Produkten haben wird 16 000 aus dem Programm genommen ohne dass es Beschwerden gab. Wir müssen deshalb fragen: Arbeiten wir wirklich noch an wertschöpfenden Produkten, welche wollen wir beibehalten?
Auch die Einkaufswelt verändert sich. Wird das Auswirkungen aufs Online-Geschäft haben?
Ich glaube, dass der Ausbau des Online-Geschäfts künftig einen starken Stellenwert haben wird – egal ob über Plattformen wie Otto oder Amazon oder unseren eigenen Onlineshop. Es muss aber in Koordination mit den Filialen laufen. Ich kann mir da einiges vorstellen. Ich möchte online kaufen und in der Filiale abholen, oder ich möchte in der Filiale kaufen und bekomme das Produkt nach Hause geliefert. Dazu gehört aber ein effizientes Logistikkonzept.
Wollen Sie deshalb die Logistik konzentrieren?
Wir wollen die Dinge ganzheitlich angehen und Mehrwert für die WMF-Gruppe schaffen. Derzeit haben wir 33 Logistikzentren, wissen aber nicht, welche Waren an welchen Standorten verfügbar sind. Wir müssen unseren Warenbestand auf Knopfdruck erfassen können, um sicherzustellen, dass die richtige Ware am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt ist. Ein zweiter Punkt ist Lieferfähigkeit. Die liegt zwischen 60 und 90 Prozent. Die Erwartung im Handel ist heute jenseits der 96 Prozent.
Erklären sie das genauer.
Wenn Sie am Dienstag bestellen, möchten sie am Donnerstag die Ware haben. Das trifft bei uns nur zu 60 Prozent ein, das ist inakzeptabel. Es liegt an der nicht verfügbaren Datentransparenz. Es gibt also viel Luft nach oben. Ich nenne mal ein konkretes Beispiel. Unsere Filialen in Österreich werden direkt aus Deutschland beliefert. Unsere Kaffeemaschinen fahren wir von Geislingen aber erst mal nach Innsbruck ins Lager, damit die dann in Österreich ins Hotel gebracht werden. Das macht keinen Sinn. Deshalb werden wir uns auf zwei Logistikstandorte in Deutschland fokussieren – einen fremd vergeben, die Ausschreibung läuft, der andere wird Dornstadt sein. Dort arbeiten derzeit rund 90 Mitarbeiter im Logistikzentrum, das wird erheblich ausgebaut. Die dort entstehenden Arbeitsplätze können aber mitnichten die Zahl der Mitarbeiter auffangen, die in Geislingen wegfallen. Aber wir werden einigen die Möglichkeit anbieten, zu wechseln. Die Strecke ist machbar. Ich fahre sie jeden Tag in umkehrter Richtung – von Ulm nach Geislingen.