Die erste von zehn Doppel-Alben: Gotthilf Fischers Werksausgabe Foto: 7us Media Group

Gotthilf Fischer feiert an diesem Freitag den 70. Jahrestag der ersten Aufnahme seiner Chöre.

Winnenden - Mit 18 Jahren hat der Chorleiter und musikalische Tausendsassa Gotthilf Fischer den ersten Schritt ins Tonstudio gewagt. Das war vor genau 70 Jahren, am 28. Oktober 1946, dem Geburtstag seiner 2008 gestorbenen Frau Hildegard. Jetzt muss man kurz rechnen und kommt dann zu dem Ergebnis, dass Fischer mittlerweile 88 Jahre alt ist. Ans Aufhören denkt er allerdings noch lange nicht. Und so kommt es, dass er pünktlich zum 70-Jährigen eine Werksausgabe auf zehn Doppelalben mit 300 Liedern herausgibt: „70 Jahre Tonaufnahmen – Das Beste von 1946 bis 2016“.

Der Ort des historischen Ereignisses vor 70 Jahren war nicht Beutelsbach, heute ein Teilort Weinstadts, wo Gotthilf Fischer viele Jahrzehnte lebte, und auch nicht sein Geburtsort Deizisau, sondern Stuttgart. Die Stadt begann damals nach den verheerenden Bombardements, die zwei Jahre zuvor die Stadt verwüstet hatten, wieder in die Normalität zu kommen. Es gab wieder Cafés, Konzerte wurden veranstaltet und Fußballspiele fanden statt. Gotthilf Fischer begann mit seinem ersten Männerchor aufzutreten und heimste die ersten Preise ein. Von daher lag der Gedanke nicht fern, deren Gesang auf Schallplatte zu bannen. Nur: es gab im Jahr 1946 in Stuttgart kein Tonstudio.

Not macht erfinderisch

Rolf Bauer, der Gründer des gleichnamigen Tonstudios in Ludwigsburg, sprang dem jungen Chorleiter bei. Kurzerhand wurde Fischers Wohnzimmer in der Senefelderstraße 72 b zum Aufnahmeraum umfunktioniert, die Sänger vor eigens herangeschaffte Röhrenmikrofone gestellt und eine Magnettonmaschine angeschlossen.

Um ausreichend Strom in der Wohnung zu bekommen, mussten außen an der Hauswand Leitungen gezogen werden. Nach einigem Hin und Her war es soweit, fünf Lieder wurden gesungen und auf Band aufgenommen: „Rosemarie“, „Nun leb wohl du kleine Gasse“, „O wunderschöne Frauen“, „Suliko“ und „Feierliche Stille“.

Der Chorleiter selbst ist als Solist zu hören

Alle Titel waren von Fischer arrangiert, das letzte Lied sogar von ihm komponiert und er selbst ist als Solist zu hören. „Auf Schallplatte ist die Aufnahme allerdings nicht gepresst worden“, sagt Hans Derer, dessen Winnender Musikverlag 7us Media Group die Geburtstagssausgabe bearbeitet hat. „Ein Dreivierteljahr war Mattias Niemyt mit der technischen Restaurierung der Originalbänder und dem Remastering beschäftigt. Er ist bei uns eigentlich als Hip-Hop-Produzent am Werk“, verrät Hans Derer und lacht.

Die Werksausgabe kann man streamen, das Mammutwerk auf CD zu pressen, ist vorerst nicht geplant. „Sollten allerdings 300 Interessenten zusammenkommen, wäre eine Produktion möglich“, so Derer. Dass Fischers Hörer in einem Alter seien, in dem Musik nicht aus dem Internet ziehe, könne man so nicht sagen. „Einige seiner Lieder zählen zu den meistgestreamten in der Schlagerszene“, sagt Derer.

Dabei haben die Arbeiten an der Produktion selbst für den Chorleiter eine Geburtstagsüberraschung geboten. Die Noten des Liedes „Eine Sehnsuchtsmelodie“, ebenfalls aus dem Jahr 1946, galten als verschollen, wurden jedoch vor einem Jahr gefunden und neu aufgenommen. „Das war meine allererste Komposition. Ich war überglücklich, denn ich dachte, ich hätte sie verloren“, sagt Gotthilf Fischer.