Kann auch mit der CSU diskutieren: Winfried Kretschmann (Grüne) mit Horst Seehofer. Foto: dpa

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist ein erprobter Realo. Was seine Partei, die Grünen, nicht immer gerne sieht, erwies sich in den Sondierungen als Segen.

Berlin - Der einzige grüne Ministerpräsident mutet seiner Partei stets viel zu – auch in den zurückliegenden Sondierungswochen mit Liberalen und Union. Da mussten sich die Grünen, als sie gerade von einem fixen Enddatum für den Verbrennungsmotor abgelassen hatten, von CSU-Seite anhören, dass ja auch der Baden-Württemberger Winfried Kretschmann das Jahr 2030 für einen „Schwachsinnstermin“ halte – Landesgruppenchef Alexander Dobrindt spielte damit auf das heimlich aufgenommene Youtube-Video vom Grünen-Parteitag an. Und dann bestätigte der Oberschwabe kürzlich in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung auch noch, dass die Grünen Ansprüche auf die Ministerien für Energie, Landwirtschaft und Verkehr angemeldet haben. Die Partei war „not amused“.

Der Grüne muss die Brücken nach Bayern bauen

Aber natürlich braucht die Grünen Kretschmann in dieser heiklen Phase, in der sich alles auf die flüchtlingspolitische Auseinandersetzung mit der CSU zugespitzt hat, besonders dringend. Niemand von den Grünen hat einen besseren Draht zum bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer als der Regierungschef des Nachbarbundeslandes. „Mit Kretschmann könnte ich schon morgen ein Bündnis für ganz Deutschland machen“, hatte Seehofer im Wahlkampf gegenüber dieser Zeitung verkündet. Nun, da genau dieses Bündnis infrage steht, ist Kretschmann als eben jener Brückenbauer nach Bayern gefragt, der tiefe Gräben überwinden kann, aber der CSU mit einer klaren Positionierung auch signalisieren kann, „dass ein bestimmter Punkt nicht nur eine grüne Spinnerei ist“. Diese Rolle war, wie es im grünen Verhandlungsteam heißt, „auch von Anfang an so vorgesehen“.

Im Verlauf der entscheidenden Sondierungstage hat es nach Informationen dieser Zeitung bereits „einige“ direkte Gespräche zwischen Kretschmann und Seehofer gegeben, das vorerst letzte in der Nacht auf Freitag. Im CSU-Lager wird es als „kollegial und leichter als mit anderen Grünen, aber ergebnislos“ beschrieben. Kretschmann will weiter versuchen, das zu ändern.

Der Ball liegt bei der CDU

Im Lager des Ministerpräsidenten wird betont, dass es keinesfalls darum gehe, die Rolle der grünen Chefverhandler Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir infrage zu stellen. Hilfreich will man sein – nicht mehr und nicht weniger. Dass Kretschmann bei einem Zustandekommen einer Jamaikakoalition nicht gefeiert werden will, mag damit zusammenhängen, dass er umgekehrt erst recht nicht für ein Scheitern der Gespräche in Haftung genommen werden möchte. In diese Richtung zielt auch der Hinweis, dass eine Verständigung mit der CSU nicht nur Aufgabe der Grünen sei, es nun vielmehr an der CDU und an deren Vorsitzenden Angela Merkel liege, ihre Schwesterpartei endlich auf Kompromisslinie zu bringen.

Mit Kretschmanns Rolle erklärt sich auch sein Wutausbruch vom Mittwochabend, als er aufseiten der CSU ausdrücklich nicht seinen Ministerpräsidentenkollegen Seehofer kritisierte, mit dem er bei der Kompromisssuche möglicherweise schon weiter war, sondern Dobrindt und Generalsekretär Andreas Scheuer ins Visier nahm und den Verdacht formulierte, „dass diese Herren es gar nicht wollen, dass wir konstruktiv und erfolgreich verhandeln“. Von einem „Machtkampf in der CSU“, der die Verhandlungen blockiere, sprachen in der Nacht zu Freitag dann auch andere Grüne, was aus der CSU freilich als „absoluter Unsinn“ gebrandmarkt wird.

Winfried Kretschmann ist aber offenbar fest entschlossen, sich die Laune nicht verderben zu lassen. „Die Stimmung“, steht unter einem Selfie mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, das der in der Nacht auf Freitag verbreitet hat, „ist gut.“