Foto: dpa

Umweltminister Untersteller konkretisiert seine Pläne für den Bau von 1200 Windkraftanlagen.

Stuttgart - Erwin Teufel müsste sich geehrt fühlen. Zwar ist der frühere Ministerpräsident schon lange nicht mehr im Amt und stattdessen landauf, landab als Vortragsreisender unterwegs. Aber ein Begriff aus seiner Amtszeit wird in diesen Tagen im politischen Alltagsgeschäft häufiger denn je gebraucht: die Verspargelung. Jeder weiß, dass es dabei nicht um das wertvolle weiße Gemüse im Frühjahr geht. CDU-Mann Teufel brachte die Wortschöpfung vielmehr einst auf die Welt, um davor zu warnen, dass überall im Land die Windräder aus dem Boden schießen.

Und nun? Mit dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg hat sich der Wind gedreht. Grün-Rot setzt auf einen massiven Ausbau der Windkraft und will den Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung von jetzt 0,8 Prozent auf zehn Prozent im Jahr 2020 ausdehnen. Wie das gelingen soll, haben die Experten der neuen Landesregierung längst ausgerechnet: Landesweit ist in den nächsten gut acht Jahren der Bau von 1200 neuen Windkraftanlagen nötig. Aber wo darf gebaut werden, wo nicht? Und vor allem: Wie geht die Regierung mit den Sorgen der Bürger um, von denen viele nun fürchten, dass nun alsbald im Vorgarten ein Windrad steht, oder mit den Touristikern, die fürchten, dass die Höhenzüge im Schwarzwald alsbald einem Igel gleichen?

Der zuständige Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) spürt die Skepsis immer mehr, hat am Donnerstag im Landtag aber versprochen: "Es wird nicht zu einer Verspargelung kommen." Es sei vielmehr das Ziel der Landesregierung, die Ansiedlung der Anlagen so weit als möglich zu bündeln. Untersteller hat konkrete Vorstellungen, wo das sein könnte: in der Hohenloher Ebene etwa, auf der Ostalb, auf den Hochlagen der Schwäbischen Alb und des Schwarzwalds. "Diese Flächen wollen wir erschließen", macht er klar.

Nun weiß freilich auch Untersteller, dass die Standortsuche das eine ist, die Überzeugung der Bürger aber deutlich schwieriger werden dürfte. Den Kommunen in Baden-Württemberg will der Minister deshalb im neuen Landesplanungsgesetz so weit wie möglich entgegenkommen und noch in diesem Jahr eine Art Leitfaden an die Hand geben, was machbar ist und was nicht. Wo bisher mancher Regionalverband die Ansiedlung von Windrädern blockierte, dürfen die Gemeinden künftig vor Ort selbst entscheiden, welche Flächen sie für den Bau der riesigen, bis zu 160 Meter hohen Windräder ausweisen. "Wir werden einen positiven Standortwettbewerb bekommen", glaubt der Minister und plant in den nächsten Wochen eine Charmeoffensive. Auf vier Regionalkonferenzen im Land will er den Diskurs mit den Bürgern suchen. "Es findet eine Politik des Gehörtwerdens statt", verspricht er.

Windräder bringen nur dann gute Erträge, wenn der Wind ungehindert auf sie trifft

Diskussionsbedarf gibt es in ausreichendem Maß. Denn während die grün-rote Landesregierung davon ausgeht, dass für die Masse der angestrebten 1200 Windkraftanlagen nur eine Fläche von zusammen zwölf Hektar Bauland nötig sein wird und man dafür vor allem Gebiete im Staatsforst nutzen will, sehen Energieexperten das ganz anders. Für die neuen Anlagen rechnen sie mit 18.000 Hektar Fläche, was rund 25.000 Fußballfeldern entsprechen würde.

Der einfache Grund: Windräder bringen nur dann gute Erträge, wenn der Wind ungehindert auf sie trifft und sich die Anlagen nicht gegenseitig die Energie wegschnappen. "Abschattungsverlust" heißt das im Branchendeutsch. Immer öfter kaufen Betreiber von Windkraftanlagen deshalb auch benachbarte Grundstücke, um dem sogenannten Windklau vorzubeugen. Aber ist das ein rentables Geschäft, werden künftig unten am Boden die Schafe weiden, während sich oben in luftiger Höhe die Rotoren drehen? Der Grünen-Landtagsabgeordnete Alexander Schoch spricht am Donnerstag jedenfalls von "einer Goldgräberstimmung" unter den Investoren: "In Baden-Württemberg weht jetzt ein anderer Wind."

Aber nicht alle teilen diesen Optimismus. Ohne ausreichende und noch auszubauende Netze werde "die Energiewende nicht gelingen", warnt Paul Nemeth (CDU). Und Andreas Glück (FDP) erinnert an die Vergangenheit: "Goldgräberstimmungen haben langfristig bisher selten Glück gebracht." Ohnehin, so Glück, würden die 1200 Anlagen niemals ausreichen, um den Strombedarf im Land abzudecken.

Aber Untersteller ist nicht bange. Baden-Württemberg werde den Kurs fortsetzen, weil das Land "bei der Windenergie bundesweit das Schlusslicht darstellt". Dass man beim Ausbau der Windkraft durchaus auf Widerstände treffen werde, diese aber nicht alle beseitigen könne, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann bereits am Wochenende auf dem Grünen-Parteitag in Aalen deutlich gemacht: "Wir können Windräder nun mal nicht in den Keller stellen und Blockheizkraftwerke auf die Berge."