Den Künstler Horst Kuhnert stören die an der Wand angebrachten Silhouetten und Informationstafeln des so genannten Geschichtswinkels. Foto:  

Um das Projekt des Zukunftsforums an der SSB-Haltestelle Wilhelm-Geiger-Platz in Feuerbach ist neuer Streit entbrannt. Der Künstler fordert, dass Figuren und Tafeln entfernt werden.

Feuerbach - Ein Blick zurück: Als die Feuerbacher Haltestelle 1990 fast zeitgleich mit einer Handvoll weiterer Stationen in der Stadt in Betrieb genommen wurde, erfuhr sie die größte Aufmerksamkeit. Weit über Stuttgart hinaus. Gerühmt wurde das schlüssige Zusammenspiel von drei Kernelementen: die „geöffnete Versenkung“ als Verbindung zum Rathausplatz, die lichte oberirdische Stahlkonstruktion als neues städtisches Merkzeichen – und schließlich die alle Ebenen verbindende und bis in den Tunnel hineinführende, im Stil von Konstruktivismus und Konkreter Kunst ausgeführte Gestaltung durch den Stuttgarter Künstler Horst Kuhnert.

Integraler Bestandteil war die „Grüne Wand“. Sechs Bäume, welche die abstrakt gestaltete „Durchbohrung von Erdschichten“ mit einer naturhaften Bewegung nach oben kontrastieren sollten. Lebensbäume, als Pinkel-Zone missbraucht, bald leidend und vor Jahren ersatzlos entfernt. Frei sichtbar wurde so die raumhohe, nord-östliche Ecke, die zum Großteil aus quadratischen Granitplatten besteht.

Als „leere Wand“ bewertet, weckte dieses Stück des Kuhnert-Werkes Begehrlichkeiten. Die Arbeitsgemeinschaft des Zukunftsforums Feuerbach „Erlebbare Stadtgeschichte“ sah hier den idealen Ort zur Präsentation von Lokal-Geschichte und touristischer Information. Auch wegen der hohen Publikumsfrequenz. Und so wurde im Einvernehmen mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG im Jahr 2012 der „Feuerbacher Geschichtswinkel“ installiert.

Und heute? Horst Kuhnert wirkt vor Ort noch immer fassungslos: „Das passt wie die Faust aufs Auge.“ Ein ästhetischer Befund, den der international renommierte Künstler argumentativ unterfüttert – dann aber den Fokus darauf legt, was ihn erschüttert: „Bei den Verkehrsbetrieben finde ich kein Ohr für den künstlerischen Wert und die Gesamtkonzeption der Arbeit, zu der auch die Wände gehören. Ich muss mich sogar fragen lassen, ob das überhaupt Kunst sei.“ Und: „Hier wird das Urheberrecht mit Füßen getreten.“ Als Kuhnert „per Zufall“ von dem Vorhaben erfuhr, hatte er schriftlich Einspruch erhoben, zusammen mit Professor Klaus-Jürgen Zabel, dem Gesamtplaner der Haltestelle: „Trotzdem wurde es gemacht. Im Wissen um die Verletzung des Urheberrechtes. Das ist ungeheuerlich.“

So fordert Kuhnert: „Diese Missachtung meiner Arbeit muss möglichst schnell rückgängig gemacht werden.“ Ihn stört auch, dass OB Fritz Kuhn Briefe nicht beantwortet habe. Auf Nachfrage lässt Kuhn durch einen Pressesprecher verlauten, „dass die Sache eine Angelegenheit der SSB“ sei. Rechtlichen Beistand erhält Kuhnert vom Berufsverband Bildender Künstler. Der „Stabsbereich Recht“ der SSB kontert mit dem Hinweis auf „geringfügige Änderung“ und rechtlich gedeckte „Einschränkung der Urheberrechts“.

Wolfgang Arnold, Technischer Vorstand der SSB, „in einer späteren Phase hinzugezogen“, sieht den „Fehler, dass mit Kuhnert nicht vorher gesprochen wurde“. Den „Zankapfel“ will er durch ein moderiertes Gespräch ausräumen – „in absehbarer Zeit“. Kuhnert dazu: „Das hat er schon mehrfach versprochen.“

Eingriff nur mit Zustimmung des Künstlers

Solidarisch mit Kuhnert erklärt sich Petra von Olschowski, Direktorin der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart: „Ein Eingriff in eine künstlerische Konzeption kann nur mit Wissen und Zustimmung des Künstlers erfolgen. Das ist schon ein Gebot der Fairness. Stadt und Land würden mit einer Arbeit nicht in dieser Weise umgehen. Eine angedachte Änderung muss in einem künstlerisch besetzten Beirat beraten werden. Das ist Standard. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Feuerbacher Plan durchgegangen wäre. Hier wurde eine Gesamtkonzeption zerstört.“

Ähnlich sieht das Gerd Dieterich, im städtischen Kulturamt zuständig für Kunst im öffentlichen Raum: „Wir haben am Bismarck-Platz eben eine Kuhnert-Plastik saniert. Selbstverständlich in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler. Das ist der übliche, der professionelle Weg. Ich verstehe nicht, warum die SSB das in Feuerbach anders gemacht hat.“

Jutta Sailer-Paysan, Grafikdesignerin, hatte am Geschichtswinkel mitgearbeitet und die visuelle Umsetzung realisiert. Sie findet das Projekt „nicht so gravierend störend“, betont aber: „Die rechtliche Seite ist ganz klar. Wir hatten die SSB im Voraus schriftlich darauf hingewiesen, dass der Urheber informiert und hinzugezogen werden muss. Das wurde leider versäumt.“ Wie es nun weitergehen könnte? „Das weiß ich leider auch nicht“, sagt sie und fügt hinzu: „Wenn Zabel und Kuhnert hart bleiben, wird der Winkel verschwinden.“