Westen: Ein Drama um eine junge Witwe (Jördis Triebel) aus der DDR, die mit ihrem Sohn (Tristan Göbel) in der BRD ein neues Leben aufbauen will. Foto: Senator Film Verleih

Ein wenig viel Symbolik hat Regisseur Christian Schwochow in sein DDR-Drama „Westen“ gepackt. Doch mit dem feinen Ensemble um Jördis Triebel zeichnet er eindringlich eine Welt, in der die Angst vor der Bespitzelung einschnürender ist als die Bespitzelung selbst.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Westen"

Ausziehen soll sie sich. Einfach so. Sogar den Ehering rupfen zwei Grenzbeamtinnen ihr unter kaltem Wasser vom Finger. Schikane, blanke Schikane. Sommer 1978, die Chemikerin Nelly (Jördis Triebel) will mit ihrem Sohn (Tristan Göbel) von Ost-Berlin in den Westen, um eine Zukunft ohne Vergangenheit aufzubauen. Die beiden schaffen es bis in ein Notaufnahmelager.

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Während Kinder ihren Sohn als Ostpocke beschimpfen, wird Nelly dort von alliierten Geheimagenten verhört. Warum sie aus der DDR wegwollte. Wer ihr Mann war. Ob er vielleicht nicht gestorben ist, sondern Spitzel war und sich aus dem Staub machte. Nicht golden entpuppt sich der Westen: die gleiche Überwachungsmaschinerie wie auf der anderen Seite der Mauer. Doch ohne Stempel der Geheimdienste dürfen sie das Lager nicht verlassen. „Wissen Sie, warum ich aus der DDR wegwollte? Wegen solcher Fragen“, sagt Nelly. Selbstbewusst pocht sie auf Freiheit und Demokratie, die sich die Bürokraten auf die Westen schreiben und mit süffisantem Lächeln zerschmettern. Es ist der Sohn, der mit Marmeladenbrot im Mund den Widerspruch in Worte fasst: „Und was machen die sicher, die Sicherheitsdienste?“

Fahles Licht dominiert. Die Beklemmung spiegelt sich wider in der engen Bildführung zwischen anonymen Gemeinschaftsräumen, schmalen Stockbetten und kalten Lagermauern. Wem soll Nelly trauen? Den anderen im Lager, mit ihren gezischten Gerüchten? Dem Agenten (Jacky Ido), der ihr sanft die Bluse wieder überzieht? Dem verschlossenen Kauz (Alexander Scheer), der ihrem Sohn Makkaroni kocht? Leider überfrachtet Regisseur Christian Schwochow mit einem weihnachtlichen Ausgang den Film (frei nach dem Roman „Lagerfeuer“ von Julia Franck) mit Symbolik. Doch mit feinem Ensemble, angeführt von einer zarten, mutigen Triebel, zeichnet er eindringlich eine Welt, in der die Angst vor der Bespitzelung einschnürender ist als die Bespitzelung selbst.

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