Dem Stuttgarter Autobauer droht erneut Ärger mit Werkverträgen Foto: dpa

Immer mehr Beschäftigte, die über Werkverträge bei Daimler arbeiten, klagen auf Festeinstellung. In Stuttgart könnte es über 100 Prozesse geben.

Immer mehr Beschäftigte, die über Werkverträge bei Daimler arbeiten, klagen auf Festeinstellung. In Stuttgart könnte es über 100 Prozesse geben.

Stuttgart - Das Arbeitsgericht in der Landeshauptstadt muss sich in Zukunft voraussichtlich häufiger mit der Praxis von Werkverträgen auseinandersetzen. „Ich schätze, dass wir mehr als 100 Prozesse in Stuttgart haben werden“, sagte Stefan Nägele, Fachanwalt für Arbeitsrecht, unserer Zeitung. Seit November reiche er beinahe täglich ein bis zwei Klagen von Arbeitskräften ein, die über Werkverträge beim Stuttgarter Premiumautobauer Daimler im Einsatz sind und auf Festeinstellung pochen. Bei der IG Metall in Stuttgart gibt es zu diesem Thema „fast täglich Anfragen“, sagte IGM-Anwalt Dieter Stang. Diese beträfen schwerpunktmäßig Einsatzkräfte bei Daimler, allerdings nicht ausschließlich.

Die Anfragen häufen sich insbesondere, seit Nägele Anfang August für zwei ehemalige IT-Beschäftigte bei Daimler einen Erfolg vor dem Landesarbeitsgericht erstritten hat. Ihre Leistung hatte Daimler über Jahre hinweg im Zuge von Werkverträgen eingekauft, tatsächlich waren die IT-Experten bei einem EDV-Dienstleister als freie Mitarbeiter beschäftigt. Ihre Klage auf Festeinstellung bei dem Autobauer sah das Gericht als begründet an, da die Männer in die betrieblichen Abläufe bei dem Autobauer eingebunden waren und regelmäßig auch Arbeitsanweisungen von Daimler-Mitarbeitern erhalten haben. Dies ist bei einer Beschäftigung über Werkverträge nicht zulässig.

Zwar hat der Stuttgarter Konzern gegen das Urteil Revision eingelegt. Schon im August prognostizierte Nägele aber, dass die Entscheidung weitere Klagen nach sich ziehen werde. Nicht nur von IT-Kräften: Bei dem Arbeitsrechtler melden sich darüber hinaus Beschäftigte, die in der Daimler-Lkw-Entwicklung in Stuttgart sowie in der Brennstoffzellenforschung in Nabern über Werkverträge im Einsatz sind. Die Qualifikationen reichen laut Nägele vom Handwerker bis zum Ingenieur, die Einsatzzeit liegt zwischen zwei und zehn Jahren.

Nägele wirft Daimler nicht nur vor, Arbeitskräfte rechtswidrig über Werkverträge zu beschäftigen. Im Konzern werde zudem „brutal Einfluss auf die Leute genommen“, kritisierte der Anwalt. Nach Einreichung der Klage bei Gericht wird diese wenige Tage später dem Autobauer zugestellt, im Schnitt jeder zweite klagende Arbeitnehmer sei daraufhin jüngst von seiner Tätigkeit bei Daimler freigestellt worden, so Nägele. Einigen Beschäftigten sei zudem von ihrem eigentlichen Arbeitgeber fristlos gekündigt worden. Auch die beiden IT-Kräfte, die vor dem LAG Erfolg hatten, waren Nägele zufolge arbeitslos geworden, nachdem sie gegenüber Daimler den Wunsch nach Einstellung geäußert hatten.

Der Autobauer wollte auf Anfrage keine Häufung von Klagen bestätigen, zu laufenden Verfahren äußere man sich nicht, sagte ein Sprecher. Eine Sprecherin am Arbeitsgericht Stuttgart erklärte, es gebe vereinzelte Fälle. In Sindelfingen hat Daimler einer möglichen Klageflut bereits vorgebeugt: Dort wandelt der Konzern Werkverträge um – 1400 Beschäftigte in IT und Entwicklung bekommen bald Verträge als Leiharbeiter.