Trinken bis sich alles dreht - das verträgt der Magen nicht mehr Foto: Sigerist

Trinken bis der Arzt kommt? Maßvoller Genuss von Wein verlängert das Leben, hat unser Kolumnist Michael Weier erfahren. Ob das Trinken deshalb gesund ist, steht auf einem anderen Blatt.

Stuttgart - Es ist schon traurig, die guten alten Zeiten des Viertelesschlotzens scheinen mir endgültig vorbei. Diese Erkenntnis kam mir nach einem Besuch an diesem Samstagnachmittag im Katzenbacher Hof. Meiner Meinung nach der eindeutig schönste Biergarten weit und breit, genau deshalb ist der Mensch dort samstags auch eher selten allein. Egal. Wer früh hingeht, kriegt immer einen Platz. Während meine Mitmenschen noch einkaufen waren, habe ich meinen kleinen Sohn bereits in Richtung Spielplatz geschoben.

Das Wetter war genial, meine Laune auch. Und in solchen Momenten neigt der Mensch dazu, Dinge zu machen, die er sonst eher nicht macht. Zum Beispiel: Alkohol trinken am helllichten Tag! Ich war übrigens nicht der Einzige. Eine ganze Horde US-Amerikaner turnte ebenfalls im schönsten Biergarten der Welt rum, alle ordentlich hinten die Haare ausrasiert, Vater wie dreijährige Söhne – und die haben Weizenbier getrunken. Kristallweizen!

Ich hingegen sah mich einmal mehr meinem Leser verpflichtet und versuchte mich beim Weinangebot. Der Rosé war leider nicht trocken, also habe ich den Spätburgunder Weißherbst probiert. Trocken. Als vermeintlicher Weinkenner darf man das ja gar nicht sagen, aber Leute: Der geht runter wie nix! Leicht, fruchtig, prickelnd und beschwingend. Bei Sonnenschein und blauem Himmel noch ein bisschen beschwingender. Und weil ich derart beschwingt war und mein Sohn entdeckt hat, dass Sandeln auch mit Washington-Mädchen (nach unserem Urlaub in der US-Hauptstadt ist alles Amerikanische Washington) durchaus Spaß machen kann, habe ich mir noch ein Viertele geholt. NATÜRLICH mit einem schlechten Gewissen!

Ich dachte sofort: Wie gut hatte es mein Vater. Der hat immer mit folgendem Witz brilliert: Vier Viertele sind doch bloß en halber Rausch – und folgerichtig isch des nausg’schmissenes Geld! Heute dagegen halten wir uns an die Empfehlungen des Gesundheitsministeriums. Männer dürfen im Überschwang schon einmal ein Achtel trinken, Frauen aber höchstens zwei Fingerhüte, weil die weiblichen Wesen doch so zart sind. Zum Glück gibt es auch noch andere Expertenmeinungen, mein Lieblingsautor zu dieser Thematik ist Udo Pollmer mit seinem Lexikon der populären Ernährungsirrtümer. Der Lebensmittelchemiker schreibt: Wer täglich ein Viertel Wein trinkt, lebt länger als jemand, der nichts trinkt. Wer täglich zwei Viertel trinkt, lebt noch länger. Mit drei Vierteln erreicht man wieder das Lebensalter von einem Viertel, und ein Mensch, der täglich einen Liter konsumiert, der liegt wieder beim Abstinenzler. Politisch korrekt sind diese Empfehlungen sicher nicht. Aber Udo Pollmer will vermutlich nur sagen: Der moderate Weintrinker ist der zufriedenere Zeitgenosse – und lebt nicht wegen des zugeführten Alkohols, sondern wegen seiner guten Laune einfach länger.

Ich persönlich habe die zwei Viertele keinesfalls als gesundheitsfördernd in Erinnerung. Am Abend nach dem Besuch wollte ich zur „Sportschau“ noch ein Bier trinken, das ging schon nicht mehr. Mein Magen rebellierte! War das vielleicht eine psychosoziale Trinksperre? Während mein Vater locker vier Viertele geschafft hat, wird mir nach der Hälfte schlecht? Oder war das alles nur eine Folge der Magen-Darm-Epidemie im Kindergarten meines Sohnes? Immerhin: So etwas gab’s auch schon in den guten alten Zeiten.