Das Landgericht hat den Streitparteien beim Gütetermin am Freitag eine Einigung empfohlen Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Landeshauptstadt ist am Freitag dem Kauf und eigenständigen Betrieb des Wassernetzes einen großen Schritt näher gekommen. Die 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat in der Güteverhandlung der Kommune nicht nur grundsätzlich das Recht auf den Rückkauf der Versorgungsanlagen bestätigt.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt ist am Freitag dem Kauf und eigenständigen Betrieb des Wassernetzes einen großen Schritt näher gekommen. Die 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat in der Güteverhandlung der Kommune nicht nur grundsätzlich das Recht auf den Rückkauf der Versorgungsanlagen bestätigt. Die Richter sagten auch, dass der Preis des Netzes auf den subjektiven Ertragswert zu begrenzen sei.

Der subjektiver Ertragswert setzt sich aus dem Ertragswert und möglichen Einspareffekten der Stadt durch Synergien mit anderen Betriebsbereichen zusammen. Außerdem, so die Richter, sei ein Aufschlag von bis zu 15 Prozent für Prozessrisiken üblich.

Die Stadt hatte nach einem Bürgerbegehren und Beschluss des Gemeinderates die EnBW zur Herausgabe des Netzes verklagt, weil sie an der Preisfrage gescheitert war. Die Stadt hat einen Ertragswert von 138,9 Millionen Euro ermittelt, die EnBW einen Sachzeitwert von 600 bis 750 Millionen.

Die Stadt hatte 2002 zwar mit dem Verkauf der Neckarwerke (NWS) an die EnBW Leitungen, Hochbehälter und Pumpen abgeben, es habe aber nie eine vollständige Übertragung der Versorgung stattgefunden, so Richter Bernd Schendzielorz. Die Konzession (Recht zur Versorgung) endete 2013. Die EnBW versorgt zwar zurzeit weiter, die Bedingungen müssen aber geklärt werden.

Weil Wasser zur Daseinsvorsorge und somit zum Kernbereich einer Kommune zähle, müsse es einer Gemeinde möglich sein, „einmal Weggegebenes wieder in Eigenregie durchführen zu können“. Ein Kauf müsse dabei zu „wirtschaftlich tragbaren Konditionen“ möglich sein, so der Richter. „Weggegeben“ hatte die Stadt das Eigentum 1994 an die eigenen Technischen Werke (TWS)

Laut Schendzielorz gilt für die Wertermittlung noch heute Paragraf 6 der Konzessionsabgabenordnung aus 1943 mit dem Sachsubstanzwert. Der müsse aber begrenzt werden auf den subjektiven Ertragswert, weil der schon 1994 zu Grunde gelegen habe. Ihn solle ein Gutachter ermitteln. Schendzielorz appellierte „dringend“ an die Parteien, sich zu einigen. Ein Rechtsstreit könne fünf Jahre dauern. „Verwenden sie ihre Energie auf eine Lösung“, so der Richter.

Die Anwältin Ursula Steinkemper von der Kanzlei CMS argumentierte für die EnBW, dass die Stadt sich mit dem Verkauf 2002 jeglicher Einflussmöglichkeit entledigt habe. Der Zwang zur Rückübertragung komme einer Enteignung gleich. Anwalt Christian Stenneken (Büro Aulinger, Essen) für die Stadt sagte, man wolle sich wie vom Richter vorgeschlagen bis 31. März 2015 über den Umfang des Kaufs einigen und dann gemeinsam einen Gutachter benennen. Die EnBW will bis 30. Januar Bedenkzeit. Man müsse „das erst mal verdauen“, so ein Konzernvertreter. Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll erklärte, die Stadt wolle rasche Fortschritte. „Das Gericht kam unserer Rechtsauffassung sehr nahe. Der subjektive kann nicht weit vom objektiven Ertragswert entfernt sein“, sagte Föll.