Spirituelle Lebensberatung ist Madame Odessas Handwerk. Foto: Sandra Hintermayr

Madame Odessa hat ihre Gabe in die Wiege gelegt bekommen. Die Wahrsagerin liest ihren Gästen im Almhüttendorf auf dem Cannstatter Wasen aus der Hand und legt ihnen die Karten.

Stuttgart - Fast schon zärtlich nimmt Madame Odessa die Hand ihres Gastes in ihre eigenen. Die junge Frau ist unsicher, was die Wahrsagerin ihr wohl prophezeien wird. „Sie sind gut in Ihrem Beruf, aber noch nicht da angekommen, wo Sie hingehören“, sagt Odessa. Kinder werde die Frau haben, und sie sollte ein wenig auf ihre Finanzen achtgeben. Sie werde längere Zeit im Ausland verbringen, aber wiederkommen. „Sie sind ein Herzmensch, aber Sie stecken derzeit in einer emotionalen Krise“, liest die Wahrsagerin aus der Hand der Kundin. Sie rät ihr, Vergangenes loszulassen und nach vorne zu blicken.

In dem kleinen Wagen von Madame Odessa ist es schummrig, warm, der Duft von Patschuli verbreitet sich im Raum. Bilder von Engeln und antike Eisenbeschläge schmücken die dunklen Holzwände, auf ihrem kleinen Tischchen hat Odessa einen Kerzenständer aufgestellt. Von der alkoholgeschwängerten Stimmung auf dem Wasen ist in dem Wagen im Almhüttendorf wenig zu spüren. In der Enge des Raumes sitzt die Wahrsagerin auf ihrem Stuhl und wartet auf Gäste. In Stuttgart hat sie sich eine Stammkundschaft aufgebaut. „Ich habe schon vielen Menschen in schwierigen Lebenssituationen helfen können“, sagt Odessa. Dabei geht es nicht nur um den Blick in die Zukunft, sondern um den Blick in die Seele. Und darum, die Konflikte, die darin vielleicht brodeln, zu lösen.

Die Wahrsagerin nimmt sich Zeit für ihre Gäste

„Das Wahrsagen kann man nicht lernen. Die Gabe wurde mir in die Wiege gelegt“, sagt die 58-Jährige, die mit bürgerlichem Namen Renee Traber heißt und aus einer Artistenfamilie stammt. „Manche Menschen haben die Gabe zu singen, andere können mit Zahlen umgehen. Meine Gabe ist die Weissagung“, so Odessa. Seit 20 Jahren bereist sie mit ihrem Wagen Volksfeste, Jahrmärkte und Messen im ganzen Land. Das ständige Unterwegssein macht ihr nichts aus. „Ich bin damit groß geworden“, sagt Odessa. „In meinem kleinen Wagen habe ich mir ein Zuhause geschaffen.“

Spirituelle Lebensberatung nennt Odessa das, was sie macht. Dafür nimmt sich die Weissagerin Zeit. Wie lange, hängt von der Person ab. „Die Sitzung dauert so lange, bis ich alles gesehen habe und mein Gast keine offenen Fragen mehr hat“, sagt Odessa. Doch nicht alle ihre Gäste kommen zu ihr, weil sie gezielt einen Rat suchen. „Es gibt auch Skeptiker, die lachend und grölend reinkommen“, sagt die Wahrsagerin. Solche, die sich über sie lustig machen wollen. „Sie gehen dann sprachlos wieder raus“, sagt Odessa und verschränkt ihre Hände mit den rot lackierten Nägeln.

Ein Gespür für Positives und Negatives

Sie nimmt meist die linke Hand, um daraus zu lesen. Bei dieser sei die Durchblutung besser, die Linien sind klarer zu erkennen. Legt Odessa die Karten, kann sie genauere Antworten auf die Fragen ihrer Gäste geben. „Ich sage, was ich sehe. Ich schaue, wo Probleme liegen und wie man sie lösen kann“, sagt die reisende Wahrsagerin. Manchmal, berichtet Odessa, sehe sie auch negative Dinge wie Krankheiten. Keine Details, aber sie merke, dass etwas nicht stimmt. Dann gehe es darum, die Menschen behutsam darauf hinzuweisen.

„Ich habe ein starkes Gespür für Positives und Negatives. Das ist meine Gabe“, sagt Odessa. Dennoch sei sie ein ganz normaler Mensch mit Stärken und Schwächen. „Ich plane gerne im Voraus, auch wenn ich weiß, dass es dann meistens anders läuft“, sagt die 58-Jährige. Sie glaubt an Gott und an Engel, und an die Schutz- und Heilkraft von Steinen. Jeder ihrer Gäste darf sich zum Ende der Beratung einen persönlichen Glücksstein aussuchen, den er mit nach Hause nehmen darf. Die junge Frau entscheidet sich für einen kleinen, grasgrünen Stein mit hellen Sprenkeln. Er soll ihr in der Liebe, der Gesundheit und dem Beruf Glück bringen.