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Heckler & Koch stellt wegen illegaler Waffen-Lieferung nach Libyen Anzeige gegen unbekannt.

Oberndorf/Tripolis - Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat der Bundesregierung gestern eine Anfrage geschickt: Was sie von den G36-Gewehren wisse, die in Oberndorf am Neckar bei der Firma Heckler & Koch produziert wurden und dann auf ungeklärte Weise im Waffenarsenal des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi landeten. In dem Schreiben an das Kabinett beruft sich Ströbele ausdrücklich auf die Berichterstattung unserer Zeitung über den Einsatz deutscher G36-Sturmgewehre durch libysche Rebellen.

Die Waffen waren den Aufständischen beim Sturm auf einen Palast in der Hauptstadt Tripolis in die Hände gefallen. Der Hersteller Heckler & Koch in Oberndorf stellte wegen der illegalen Lieferung der Waffen nach Libyen Anzeige gegen unbekannt.

Der 72-jährige Hans-Christian Ströbele ist im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages einer von zwölf Abgeordneten, die die deutschen Geheimdienste überwachen. Wohl auch deshalb will er wissen: "Inwiefern hatten Stellen der Bundesregierung, insbesondere der Bundesnachrichtendienst (BND), direkt oder indirekt am Export dieser Waffen nach Libyen mitgewirkt oder Kenntnis davon?"

In einem Punkt wird der BND von einem Augenzeugen aus Sicherheitskreisen entlastet, der unserer Zeitung an Eides statt versicherte: "Ich habe trotz intensiver Recherchen Mitte der 2000er Jahre vor Ort keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass der BND an Lieferungen von G36-Gewehren nach Libyen beteiligt gewesen ist oder diese initiiert hat." Der Mann hielt sich damals über einen längeren Zeitraum in dem nordafrikanischen Land auf. Weitere Recherchen unserer Zeitung bestätigen seine Angaben.

Er hatte nach eigener Aussage bereits im Sommer 2005 bemerkt, dass libysche Sicherheitskräfte mit der Waffe aus Oberndorf ausgestattet waren: Ihm waren der aufgestanzte Bundesadler sowie die Württemberger Geweihstange als Kennzeichen des Beschussamtes Ulm aufgefallen.

Vor allem Gaddafis Sondereinheiten waren unter anderem von ehemaligen GSG-9-Beamten und Polizisten mehrerer Spezialeinsatzkommandos aus Nordrhein-Westfalen in deren Freizeit in Anti-Terror-Taktiken und Schießen ausgebildet worden. Die Ausbildung selbst dürfte dem BND nicht verborgen geblieben sein. Zwar hätten sich die Nachrichtendienstler aus allem herausgehalten, sagt der Augenzeuge, aber "mein Eindruck war: Die gucken genau hin und melden fleißig". Fraglich ist, ob die BND-Beamten auch die G36 in Tripolis entdeckten und darüber Bericht nach Berlin erstatteten. Fraglich ist auch, ob Angehörige des BND für Gaddafi in Libyen als Ausbilder tätig gewesen sind. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte dazu: "Ich kann Ihnen darüber keine Auskunft geben."

Der Tübinger Anwalt Holger Rothbauer stellte im Namen des Freiburger Rüstungsgegners Jürgen Grässlin inzwischen Strafanzeige gegen den G36-Hersteller Heckler & Koch. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart soll ermitteln, wie die Waffen zu Gaddafi gelangten. Das will auch Heckler & Koch geklärt wissen. Das Unternehmen stellte in Rottweil Strafanzeige gegen unbekannt.