Gut isoliert, gut gespart: Ein Arbeiter befestigt Styroporplatten zur Wärmedämmung an einer Fassade Foto: dpa

In Zeiten mickriger Zinsen und stabiler Immobilienpreise investieren immer mehr Bürger ihr Geld in die energetische Sanierung ihres Eigenheims – besonders in Baden-Württemberg.

In Zeiten mickriger Zinsen und stabiler Immobilienpreise investieren immer mehr Bürger ihr Geld in die energetische Sanierung ihres Eigenheims – besonders in Baden-Württemberg.

Stuttgart/Mannheim - Es ist ein Erfolg, den sich Baden-Württemberg gerne auf die Fahnen schreibt. Während die Sanierung von Gebäuden – immerhin einer der wichtigsten Hebel der Energiewende – in Deutschland nur schleppend vorankommt, sieht die Lage in Baden-Württemberg anders aus. Hier investieren Immobilienbesitzer seit einiger Zeit zusehends in ihr Eigenheim oder ihre Wohnung, dämmen Wände und Dächer oder ersetzen zugige Fenster durch Thermoglas. Nicht nur der Daimler vor der Haustür, auch das Häuschen im Grünen soll glänzen.

Nach Daten des landeseigenen Förderinstituts L-Bank fließt ein Großteil der bundesweiten Fördergelder für Sanierungsmaßnahmen im Privatbereich in den Südwesten. Allein im ersten Halbjahr 2014 wurden knapp 188 Millionen Euro in Baden-Württemberg abgerufen. Das sind 22,4 Prozent der insgesamt in diesem Zeitraum ausgezahlten Beträge im Hauptförderprogramm „Energieeffizienzfinanzierung Sanieren“.

Deutlich mehr als ein Fünftel der staatlichen Mittel werden damit zwischen Konstanz und Heidelberg abgegriffen. Auch wenn man diesen Wert in Relation zu der hohen Bevölkerungszahl Baden-Württembergs setzt – zwölf Prozent an der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung kommen aus dem Südwesten –, steht unter dem Strich ein weit überdurchschnittlicher Sanierungswert.

Bei allen entscheidenden Kennzahlen liege das Land über Durchschnitt, sagt Christian Stolte, Bereichsleiter Energieeffiziente Gebäude bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Allerdings sei das Land „nicht immer der Spitzenreiter“.

Bei besonders aufwendigen Komplettsanierungen liegt man nach Dena-Daten im oberen Viertel, ebenso bei sogenannten Einzelmaßnahmen – also etwa dem alleinigen Austausch von Fenstern oder der Heizung. Spitzenreiter ist hier Schleswig-Holstein.

Über die Gründe des „kleinen Booms“ bei Haussanierungen in Baden-Württemberg herrscht aber Uneinigkeit. Zwar gibt es die sprichwörtliche Akkuratesse und Sorgfalt, die Badenern, Kurpfälzern und Württembergern seit Jahrhunderten nachgesagt wird, noch heute. Ein Blick in die aufgeräumten Vorgärten genügt da. Als alleiniges Erklärungsmotiv taugt die Liebe der Südwest-Bevölkerung zu Haus und Hof allein aber wohl nicht.

Es sind sozioökonomische Faktoren, die die Emsigkeit in den eigenen vier Wänden erklären. Kurz gesagt ist die Bevölkerung deutlich besser situiert als anderswo in der Republik. Mit rund 240 000 Euro liegt der Wert einer Durchschnittsimmobilie im Land gut 20 Prozent über dem Bundesschnitt – und teure Immobilien werden besser instand gehalten als günstige. Zudem besitzt fast die Hälfte der Baden-Württemberger Bausparverträge. Auch das ist bundesweit ein Spitzenwert.

Wichtiger noch ist aber, dass besonders viele Menschen im Land eine selbst bewohnte Immobilie ihr Eigen nennen. „Deren Anteil ist deutlich höher als in anderen Bundesländern“, sagt Oliver Lerbs, Experte für die Immobilienwirtschaft beim Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die einschlägige Eigentümerquote liegt nach ZEW-Daten bei rund 53 Prozent – im Bundesdurchschnitt sind es nur 43 Prozent.

Der Knackpunkt: Statistisch gesehen sanieren Eigentümer selbst bewohnte Immobilien besonders häufig, weil sie direkt von den Maßnahmen profitieren. Dass die Fenster nicht mehr ziehen, spüren sie im Winter am eigenen Leib.

Vermieter stehen bei den kostspieligen Maßnahmen dagegen immer vor der Frage, wann und ob sich das Investment überhaupt rentiert. Gesetzlich erlaubt ist es derzeit, elf Prozent der Investitionskosten pro Jahr auf die Mieten umzulegen. Ob das gelingt, hängt aber stark davon ab, wie gut es um den Immobilienmarkt vor Ort bestellt ist. Gerade in ländlichen Regionen bleiben Vermieter nicht selten auf ihren Kosten viel länger sitzen als geplant.

Gerade die sonst als Modernisierungsmuffel geltenden Vermieter zählen im Land aber zu den Aktivposten. Die Sanierungstätigkeit werde in Baden-Württemberg stärker als anderswo auch von ihnen getragen, sagt Lerbs.

Das hängt nach Meinung des Experten viel mit demografischen Besonderheiten Baden-Württembergs zusammen. Der Südwesten ist tendenziell Hochlohn- und Zuzugsland. Die Einkommen liegen über dem Bundesschnitt, und das Saldo aus Zu- und Abwanderung ist im langjährigen Mittel positiv. Für Vermieter bedeutet das, dass die Wahrscheinlichkeit von Leerständen und Zahlungsrückständen bei der Vermietung geringer ist als anderswo. Investitionen in die Bausubstanz fallen da leichter. „Das Risiko, durch eine Sanierung Geld zu verlieren, ist geringer“, sagt der ZEW-Experte.

Auch die Politik treibt das Thema energetisches Sanieren an. Im grün geführten Umweltministerium steht das Thema ganz oben auf der Tagesordnung. Zwischen Frühjahr 2012 und Ende 2014 wird das Land rund 8,8 Millionen Euro an Fördergeldern für Energieeffizienz in Gebäuden zur Verfügung stellen. Das meiste davon wird in die Subventionierung von Krediten der landeseigenen L-Bank für Häuslebauer und Wohnungsbesitzer gesteckt. Entscheiden sie sich für eine Haussanierung, winkt ein Zins von 0,75 Prozent. Dass das Land das Thema energieeffiziente Sanierung früh auf die Tagesordnung gesetzt habe, beginne sich auszuzahlen, sagt Dena-Fachmann Stolte.

Gleichwohl reichen die bisherigen Fortschritte bei weitem nicht aus, die von Bund und Land gesteckten Ziele beim Energiesparen zu erreichen. „Damit es klappt, müssen wir das Tempo beim Haussanieren mindestens verdoppeln“, sagt Stolte.