Der Gebäudekomplex Haußmannstraße 4-6: Gegen den langen Leerstand protestierten im Oktober Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Fraktionschef von SÖS/Linke-plus im Stuttgarter Gemeinderat hat unerlaubt ein Gebäude betreten, gegen dessen Leerstand er protestierte – aber die Bietinger Wohnbau AG als Eigentümerin will das nicht ahnden lassen. Sie möchte den Altbaukomplex am Eugensplatz jetzt schnell abreißen.

Stuttgart - Firmenchef Carsten Schüler hat es erwogen – und dann verworfen. Der Chef der Bietigheimer Wohnbau AG erstattet entgegen den ersten Ankündigungen im Oktober nun doch keine Anzeige gegen den Stuttgarter Stadtrat Thomas Adler.

Der Fraktionschef von SÖS/Linke-plus hatte bei einer Protestaktion gegen den Leerstand der Gebäude Haußmannstraße 4-6 im Stuttgarter Osten im Oktober den Gebäudekomplex unerlaubt betreten – was durch ein Video im Internet bekannt wurde.

Bauherrin will nach Genehmigung schnell handeln

„Sein Vorgehen verurteilen wir auf das Schärfste“, sagte Firmenchef Schüler dazu unserer Zeitung. Die Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, zu der ihm ursprünglich die Polizei geraten hatte, ließ er dann aber doch bleiben. Er wollte vermeiden, dass das Bauvorhaben sich verzögert, weil gegen Adler ermittelt wird. Jetzt, da nach längerem Warten die Baugenehmigung vorliege, wolle man keine Zeit verlieren. Da gehe man lieber zum Tagesgeschäft über als sich noch lang mit der Anzeige aufzuhalten, sagte Schüler.

Große Furcht hatte Adler vor der Anzeige ohnehin nicht gehabt. Der Fraktionschef, der bei der Protestaktion in der Nähe des Eugensplatzes auch als Aktivist des Internetportals Leerstandsmelder.de mit Mieterinitiativen unterwegs gewesen war, äußerte sich demonstrativ gelassen. Er spekulierte sogar darauf, dass eine Anzeige zusätzliche Aufmerksamkeit auf den Wohnungsleerstand in Stuttgart und die Spekulation mit Luxuswohnungen ziehen könnte.

CDU rüffelte den Linken-Stadtrat

Bei Teilen der Öffentlichkeit, die rechtstreues Verhalten erwarten, legte Adler mit der Aktion aber nicht gerade Ehre ein. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz hatte vor Beginn der Haushaltsberatungen sogar am Rednerpult im Rathaus erklärt, dass man mit den Vertretern der extremen Flügel im Gemeinderat schwerlich eine verlässliche Haushaltspolitik einfädeln könne, und Kotz hatte dabei auch kritisiert, dass sich die Vertreter dieser Flügel auf eigene Faust Zutritt zu Gebäuden verschafften, in denen sie nach seiner Meinung nichts zu suchen hatten.

Bei Adler war es das leerstehende Gebäude, im Falle des AfD-Stadtrats Heinrich Fiechtner ein Notaufnahmeheim für minderjährige Flüchtlinge. Der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann ging auf Distanz zu Adlers Vorgehen, ebenso die Stadtverwaltung, die sogar von „Leerstandsschnüffelei“ sprach. Bei den Gebäuden Haußmannstraße 4-6 handle es sich nicht um Fälle, in denen man das angestrebte Instrument des Zweckentfremdungsverbots anwenden wolle, hieß es.

Der Abriss wird langwierig

Bald wird es diese Häuser nicht mehr geben. Im Moment wähle man das Unternehmen aus, das den Auftrag zum Abriss bekommen soll, sagte Schüler unserer Zeitung. Zwei Firmen seien in der engeren Wahl. Nächste Woche hoffe man den Auftrag vergeben zu können. Eine der Firmen könnte zwar nicht sofort mit den Arbeiten beginnen, dennoch hofft Schüler auf zügige Abwicklung. Klar sei aber auch, dass dieser Abbruch länger als eine Woche dauern werde. „Da kann man nicht die große Abrissbirne einsetzen“, sagte der Chef der Bietigheimer Wohnbau. Vor dem Haus fahren nicht nur Autos, sondern auch Stadtbahnen.

Den Verkauf der Wohnungen möchte Schüler im Januar beginnen. Im Sommer 2017 könnten die geplanten 43 Eigentumswohnungen fertig werden.

Einsprüche verzögerten das Projekt

Wenn die Eigentümer oder ihre Wohnungsmieter einziehen, wird das Wohnungsbauunternehmen ein rund vier Jahre währendes Projekt abhaken können. Gekauft hat es das Gebäude, in dem früher der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen Sitz hatte, Anfang 2014. Danach hat Schüler lang auf die Genehmigung durch das Baurechtsamt gewartet. Das liege nicht allein am Amt, sagt der Firmenchef, sondern auch an Einsprüchen aus der Nachbarschaft.