Der krebskranke Ashya war mit seinen Eltern in Spanien. Foto: EFE

Mit Hochdruck fahndete die Polizei nach einem krebskranken Fünfjährigen, den seine Eltern einfach so aus dem Krankenhaus mitnahmen. Ist die Aktion gerechtfertigt? Oder lächerlich, wie der Vater meint?

Mit Hochdruck fahndete die Polizei nach einem krebskranken Fünfjährigen, den seine Eltern einfach so aus dem Krankenhaus mitnahmen. Ist die Aktion gerechtfertigt? Oder lächerlich, wie der Vater meint?

London/Malaga - Dürfen Eltern über die Therapie für ihr krebskrankes Kind bestimmen? Oder ist das Sache der Ärzte? Der spektakuläre Fall des fünfjährigen Ashya aus dem Süden Englands hat diese und andere Fragen neu gestellt. Aus dem Hirntumor des Jungen ist ein Kampf der Eltern gegen die Staatsgewalt geworden. Vater und Mutter sitzen inzwischen bei der spanischen Polizei fest und sollen dort bald von britischen Polizisten befragt werden. Der Junge ist in der Obhut spanischer Mediziner.

Am Donnerstagnachmittag hatten Brett King und seine Frau Naghemeh ihr Kind aus dem Krankenhaus der britischen Hafenstadt Southampton geholt und waren per Fähre ins französische Cherbourg übergesetzt. Sie wollten nicht, dass der Kleine weiter mit belastender Röntgen-Strahlentherapie behandelt wird. Sie wünschten stattdessen eine zielgenaueren und mit weniger Nebenwirkungen behaftete Protonen-Therapie.

„Die Röntgenstrahlen gehen rein in den Kopf und kommen auf der anderen Seite wieder heraus und machen alles kaputt“, sagte Brett King in einem Erklärungsvideo, das sein älterer Sohn ins Internet gestellt hat. Die Eltern befürchten, dass ihr Sohn an der Therapie erblindet oder Behinderungen davonträgt.

Kings wollen Protonentherapie

Die Kings befürworten stattdessen eine Protonentherapie, wie sie das staatliche Gesundheitswesen in Großbritannien für diese spezielle Art des Tumors nicht anbietet. Sie ist deutlich teurer, ihre Wirksamkeit für einzelne Tumorarten aber noch vergleichsweise wenig erforscht.

In einigen Ländern, etwa in den USA oder der Schweiz, wird die deutlich gezieltere und somit für benachbarte Organpartien schonendere Behandlung auch für die fragliche Tumorart angewendet. „Die schwereren Partikel sind präziser, man kann mit mehr Energie ein sehr spezifisches Gebiet behandeln“, sagte Professor Justin Stebbing vom Imperial College in London dem Sender Sky News.

„Wir wollten nach Tschechien, um Geld für die Behandlung zusammenzubekommen“, sagte Vater King über die spektakuläre Flucht. Eine Erklärung, warum die Familie im 17 Autostunden vom Fährhafen Cherbourg entfernten Malaga und nicht etwa in Tschechien oder der Schweiz gelandet ist, lieferte er zunächst nicht.

Ashya muss künstlich ernährt werden. Der Apparat, der ihm Nährstoff in den kleinen Körper befördert, läuft über Batterien. Nach Angaben der Ärzte in Southampton hätten diese noch am Donnerstag, spätestens aber am Freitag zu Ende gehen müssen. Der Vater sagte in dem Video, dessen Aufnahmezeitpunkt nicht genau bekannt ist, das Gerät arbeite problemlos. Dem Kind gehe es deutlich besser als im Krankenhaus.

Die britische Polizei hatte inzwischen einen EU-weiten Haftbefehl wegen Verdachts auf Kindesvernachlässigung gegen die Eltern erwirkt. Auf dessen Grundlage setzten die spanischen Behörden sie fest. Die Kings sollen nun auch von britischen Polizisten in Spanien zu ihren Motiven vernommen werden. Religiöse Gründe scheinen für die Anhänger der Zeugen Jehovas keine Rolle zu spielen. Die Glaubensorganisation teilte mit, sie lehne keine der fraglichen Therapieformen ab.

Für Rechtsexperten gibt es andererseits keine Anzeichen dafür, dass die Eltern irgendein Gesetz gebrochen haben. „Es gab noch nie einen Fall, bei dem Eltern so etwas gemacht haben und dann angeklagt worden wären“, sagte Professor Penne Lewis vom Londoner King’s College dem „Guardian“. Ros Barnes, Mutter eines anderen krebskranken Jungen, sagte dem Sender Sky News: „Ich hätte dasselbe getan.“ Die Barnes hatte ihren Sohn gegen den Willen britischer Ärzte erfolgreich in den USA mit Protonentherapie behandeln lassen.