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Ein Reisebericht von einer organisierten, internationalen Backpackertour - quer durch Vietnam.

Ein wild gewordener Schwarm aus Zweirädern ist unterwegs. Hunderte von Mopeds fahren dicht an dicht. Ganze Familien sitzen darauf: Der Vater vorn, die Mutter als Sozia mit einem Baby auf dem Arm und dazwischen noch ein Kind. Diese Sitzordnung ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Es gibt auch Ampeln. Aber die interessieren keinen. Wer im Zentrum von Hanoi die Straße überqueren möchte, braucht Mut. "Einfach laufen, nicht stehen bleiben, nicht rennen. Euch wird nichts passieren", hat Con eine Stunde vorher erklärt. Es funktioniert. Der Verkehr in der vietnamesischen Hauptstadt mit ihren sechs Millionen Einwohnern ist ein lebendiger Organismus, der auch Fußgänger aufnimmt. Die Mopeds weichen geschmeidig aus, alles bleibt im Fluss.

Con hatte recht. Er sollte auf der Reise von Norden nach Süden immer recht behalten. "Vietnam ist ein Dritte-Welt-Land, vergleicht den Standard nicht mit Euren Ländern, nicht den Verkehr, nicht die Toiletten, nicht die Hotelzimmer, die oft keine Fenster haben. Darum geht es doch beim Reisen – zu sehen wie es woanders ist." Con war nie außerhalb Indochinas unterwegs, er kommt aus Kambodscha, hat sich vom Kellner zum Reiseleiter hochgearbeitet, ist noch keine 30 und weiß doch immer genau, wovon er in perfektem Englisch spricht.

Wir sind nicht die erste internationale Gruppe, die er durch Vietnam führt – in einer Art organisierten Tour für Backpacker, die es gerne etwas bequemer haben wollen und sich nicht um jede Fahrkarte selbst kümmern möchten. Oder die mittlerweile so etabliert sind, dass sie keine Zeit mehr für wochenlange Touren haben. Wie das Upper-Class-Ehepaar aus New York: "Wir könnten auch teurer reisen. Aber so ist es viel intensiver." Der Großteil der Reisenden sind jüngere Männer und Frauen, die sich die Zeit im Bus mit dem iPod verkürzen oder die Tiger-Biere vom Vorabend ausschlafen.

Wir sehen viel, sind viel unterwegs, mal im Minibus, mal im Nachtzug, mal im Flugzeug. Die Unterkünfte sind o. k., aber nicht luxuriös. Durch manche wichtige Sehenswürdigkeiten– die Verbotene Stadt von Hue, die unterirdischen Cu-Chi-Tunnel aus dem Vietnamkrieg, der hier der amerikanische Krieg heißt – werden wir geführt. Und haben immer genug Zeit, eigene Wege zu gehen, ein Fahrrad zu leihen, um zum Sandstrand von Hoi An zu fahren oder die Bars von Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, zu erkunden.

Hanoi ist anstrengend. Zu viele Mopeds, zu wenig Platz. Kein Ort um durchzuatmen. Vier Busstunden nördlich ist dagegen in mythischen Zeiten ein Drache ins Meer gestiegen, und seitdem stockt jedem Reisenden der Atem ob dieser einzigartigen Landschaftsformation aus Felsen und Meer. Knapp 2.000 Inseln und Inselchen liegen in der Halong-Bucht im Meer verstreut, steile Kuppen, die an die Oberfläche kamen, als Ha Long, der absteigende Drache, im Meer versank. Man kann auch ganz profan geflutetes Karstgebirge dazu sagen. Wir steigen in eine hölzerne Dschunke und fahren in diese begrünte Inselwelt hinein, die immer weiterzugehen scheint. Hat man sich einer Insel genähert, kommt dahinter die nächste, die übernächste, wie Bergketten in unterschiedlichen Grautönen liegen sie im Mittagsdunst im Wasser. Die Unternehmungslustigen unter uns klettern in Kanus, um den Felsinseln näher zu kommen. Und genießen später die Stunde, in der der Himmel rosa wird und die Inseln ihre grüne Farbe verlieren, bis sie in Schichten in der Dunkelheit verschwinden.

Was kann nach dieser Ode aus Fels und Meer noch kommen? Zum Beispiel der Wolkenpass, der den Norden vom Süden trennt und im üppigsten Grün den Blick von weit oben aufs chinesische Meer freigibt. Oder die Altstadt von Hoi An, ein Unesco-geschütztes Ensemble, in der jedes zweite Geschäft eine Maßschneiderei ist und höchstens jeder fünfte Schneider tatsächlich sein Handwerk versteht. Man sollte nicht zu viel Zeit mit der Anprobe von Wollanzügen oder Blümchenkleidern verbringen. Auch wenn es schwerfällt, den gewitzten Verkäuferinnen zu widerstehen. Besser man nützt die Zeit, sich die prächtigen chinesischen Tempel anzuschauen, den Farbenrausch der leuchtenden Seidenlaternen zu bewundern oder sich in die Patina der Fassaden zu vergucken. In Hoi An kann man selbst den Singvögeln in den Käfigen vor den Häusern lauschen. Denn in der Altstadt, die einem Freilichtmuseum gleicht, sind Mopeds verboten.

Weiße Rosen aus Hoi An

Bei einem Kochkurs in Vietnam steht vor der Praxis der Gang auf den Markt. Die mutigen Reisenden gehen zu den Garküchen am Straßenrand. Sitzen auf niedrigen Hockerchen und verleiben sich so den Alltag in Vietnam ein, in dem das Esszimmer meist auf den Gehweg reicht. Die anderen bestellen im Restaurant weiße Rosen und bekommen gedämpfte Teigtäschchen serviert, garniert mit gerösteten Zwiebeln.

Wer zu Hause weiterschlemmen möchte, bucht einen Kochkurs. Was in Vietnam keine große Sache ist: Wo Touristen sind, da gibt es auch Kochschulen, sei es in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt oder Hoi An. Die Red Bridge Cooking School gehört einem geschäftstüchtigen Australier, der in Hoi An auch ein Restaurant besitzt. Dort treffen wir uns, zwölf Spontanbucher aus den USA, aus Australien, England und sonst wo, und marschieren erst einmal auf den Markt. Unsere Begleiterin lässt uns an vietnamesischem Koriander riechen, der keine kleinen gefiederten, sondern schwertförmige Blätter hat. Sie erklärt uns , dass die Orangen hier nie orange werden, dass im vietnamesischen Fünf-Gewürze-Pulver Zimt drin ist und dass es kein Essen ohne Fischsauce gibt. Wir passieren Berge von rosa Drachenfrüchten und grünen Bananen, fragen uns, wie lange es dauert, bis die gerupften Hühner in der Hitze verderben, wir waten durch den Fischmarkt, auf dessen Boden das Wasser steht. Die Flipflop-Trägerinnen tun sich etwas schwer, die Turnschuhfraktion ist ganz entspannt.

Unsere Kochschule liegt eine halbe Bootsstunde entfernt flussabwärts. Das Ambiente unterm Bambusdach ist besser als in jeder Fernsehshow: Vorn steht der Koch, vor ihm ein großer Tisch mit vielen Schüsselchen und einem Hackmesser, über ihm ein schräger Spiegel, der uns seine flinken Hände sehen lässt. Die Zubereitung des Meeresfrüchtesalats mit Ingwer, Minze und streichholzfein geschnittenem Gemüse führt uns Monsieur Tang nur vor. Danach müssen wir selbst an die Kochstellen und versuchen, einen Reispfannkuchen zu dämpfen. Den vorbereiteten Teig auf dem über einen Topf gespannten Stoff zu verteilen, ist keine Kunst. Die feste Masse wieder herunterzubekommen, schon. Egal, auch aus den Teigfetzen lassen sich kleine Frühlingsrollen drehen, gefüllt mit Schweinefleisch, Karottenstreifen und frischen Kräutern. Schon stehen neue Schüsselchen mit neuen Zutaten bereit, hinter der Bambuswand müssen mindestens so viele Helferinnen wie Kochnovizen am Werk sein. Weiter geht es mit Auberginen im Feuertopf. Go – cook – eat – sit: Geht an den Herd, kocht, probiert, setzt euch. Der Ton von Monsieur Tang ist militärisch, sein Humor trocken. Nach einer Stunde haben wir uns an vier Gängen versucht und sind an der Kunst des Gemüseschnitzens gescheitert. Die Gurke wird nicht zum Ornament, sondern zum Desaster.

Ein Hauch von Massenabfertigung liegt in der Luft, ein Boot nach dem anderen legt an, spuckt immer neue Kochschüler aus. Wir wissen jetzt, dass manches sehr leicht ist – einfach nie an frischem Koriander, Minze oder vietnamesischem Basilikum sparen – und manches sehr schwer. Pfannkuchen zum Beispiel.

Infos über Vietnam


Preise
Ein Euro entspricht 25.000 Dong, der US-Dollar ist in vielen touristischen Orten Zweitwährung.
Flasche Wasser: zwischen 20 und 60 Cent
Flasche Bier: 50 Cent
Hühnchen mit Ingwer und Gemüse: 2 bis 3 Euro
90 Minuten Thai-Massage: 5,60 Euro

Veranstalter
Die beschriebene zehntägige Reise "Classic Vietnam – Hanoi to Saigon" kostet ohne Flug ab 629 Euro pro Person. Ein einheimischer Reiseleiter ist immer dabei, die Reisesprache ist Englisch, da die Gruppen (mindestens zehn, höchstens 15 Personen) international besetzt sind. Die Teilnehmer sind vornehmlich zwischen 20 und 30 Jahre alt, die Reisen stehen jedoch allen offen, die dosierte Abenteuer schätzen und in Sachen Komfort kompromissbereit sind. Der Veranstalter goxplore (gehört zu Gebeco) bietet Reisen dieser Art auf fast allen Kontinenten an, www.goxplore.de, Kataloge auch im Reisebüro. Vietnam-Reisen für jüngere Reisende bietet auch Marco Polo Reisen an, www.younglinetravel.com.

Reisezeit
Vietnam ist ein Ganzjahresziel, die idealen Reisemonate sind zwischen Januar und März.

Kochkurs
Der beschriebene Kochkurs in der Red Bridge Cooking School in Hoi An kostet inklusive Marktführung, Bootsfahrt und abschließendem Essen 16 Euro und dauert insgesamt vier Stunden. Treffpunkt und Anmeldung (genügt am Abend vorher) im Hai Scout Café im Stadtzentrum, www.visithoian.com.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf keinen Fall am Flughafen in einen Wagen steigen, der nicht als Taxi gekennzeichnet ist, die Fahrer versuchen einen abzuzocken. Wenig empfehlenswert sind Rikscha-Fahrten rund um den Hoan-Kiem-See in Hanoi – der Verkehr ist so dicht, dass man kaum schneller vorankommt als zu Fuß. Auf jeden Fall sollten Sie die Nudelsuppe Pho Bo zum Frühstück probieren, sie steht auf jedem Büfett und ist immer frisch zubereitet. Wer beim Einkauf von Lackschalen, Seidentüchern oder Essstäbchen nicht handelt, ist ein Spielverderber. Das erste Angebot darf bei einem Drittel des genannten Preises liegen, dann kann man sich bei der Hälfte einigen.