US-General Philip Breedlove: „Russlands aggressives Verhalten sagt uns Militärs: Du musst vorbereitet sein.“ Foto: DPA

Es droht in Europa kein neuer Kalter Krieg. Doch das Verhalten Moskaus zwingt die Nato, sich zu wappnen, sagt Vier-Sterne-General Philip Breedlove. Er hätte gerne mehr US-Soldaten in Europa.

- General Breedlove, wann bekommt Russlands Präsident Putin von Ihnen einen Orden, weil er mit dem russischen Teilabzug die Syrien-Gespräche in Genf voranbringt?
Wenn Putins Schritte dazu führen, dass die Gewalt zurückgeht, und uns so einer Verhandlungslösung näherbringen, eine Regierung in Syrien, die auf die Bedürfnisse des Volkes eingeht, dann ist alles gut. Wir sollten aber nicht vorschnell urteilen. Ich bin immer wieder sehr besorgt gewesen über russische Vorgehensweisen in Syrien.
Welche operativen Fähigkeiten der Russen haben Sie in den vergangenen Monaten überrascht?
Die Russen haben zuletzt deutlich mehr Geld in die Modernisierung ihrer Armee gesteckt. Ich habe Lernkurve und Anpassungsfähigkeit der russischen Streitkräfte genau verfolgt. Als sie 2008 in Georgien eingriffen, bereitete ihnen eine kleine harte Truppe jede Menge Probleme. Als sie auf er Krim einfielen, waren sie viel besser . . .
. . . weil Sie die „kleinen grünen Männchen“, ihre Spezialeinheiten, einsetzten?
Nicht nur. Besser war auch, wie sie ihre Kräfte verlegten, wie sie Cyberkrieg führten, ihre elektronische Kriegführung. Als wir erkannten, was sie auf der Krim taten, passten sie sich wieder an und waren bei ihrer Intervention im Donbass noch besser. Lange leugneten sie dort ihre Anwesenheit. Und die Lektionen, die sie in der Ukraine gelernt haben, machten sie bei ihrer Intervention in Syrien sogar noch besser.
Sie haben sich für eine stärkere Präsenz von US-Truppen in Europa stark gemacht. Wie wahrscheinlich ist das?
Wir haben in den vergangenen Jahren in Europa Truppen aller Teilstreitkräfte gewaltig abgebaut. Wir haben nicht mehr genug Soldaten in Europa. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass wir wieder gepanzerte Großverbände dauerhaft zurück nach Europa bringen. Die hier stationierten Truppen könnten allenfalls verstärkt werden.
Wie wollen Sie das machen?
Die Kräfte, die wir aus den USA zeitweise nach Europa schicken, müssen sich nahtlos aneinander reihen. Außerdem muss die richtige Ausrüstung in Europa gelagert werden. Wir müssen uns rasch verstärken können. Da sorge ich mich um zwei Dinge: Wir müssen die russische Fähigkeit, uns den Zugang zu mehreren Regionen zu verwehren, überwinden können. Zweitens: Wir müssen uns um die Infrastruktur in den Ländern kümmern, die unsere Truppen im Ernstfall aufnehmen.
Dabei ist die Nato doch heute keinesfalls in der Lage, einen russischen Angriff beispielsweise aufs Baltikum zurückzuschlagen?
Das sehe ich anders! Allerdings müssen wir unsere Geheimdienstfähigkeiten so ausbauen, dass wir früh die Entscheidung treffen können, unsere Truppen loszuschicken.
Wer soll das denn koordinieren? Der US-Kongress überprüft doch gerade die Strukturen der US-Hauptquartiere . . .
Wissen Sie: 20 Jahre lang haben wir damit zugebracht, aus Russland einen Partner zu machen. Wir haben unser Europa-Hauptquartier in Stuttgart verändert. Für uns stand im Vordergrund, der Nato bei den Einsätzen außerhalb des Bündnisgebiets zu helfen oder humanitäre Hilfe zu leisten. Als ich in den 80er Jahren als Hauptmann in Deutschland stationiert war, war das Stuttgarter Hauptquartier mit Personal und Ausstattung bereit zum Kampf. Heute muss es erst wieder gefechtsbereit werden: Bereit für ein russisches Vorgehen wie auf der Krim, im Donbass oder in Südossetien . . .
. . . auch aus dem deutschen Außenministerium heraus wird Ihnen der Vorwurf gemacht, die russische Gefahr heraufzubeschwören.
Aber die russischen Aktionen sprechen doch für sich. Ihr aggressives Verhalten sagt uns Militärs: Du musst vorbereitet sein! Zwar sollten wir es nicht zulassen, in einen neuen Kalten Krieg hineinzuschlittern. Auch wenn Moskau die gewaltsame Besetzung der Krim fortsetzt und die Separatisten in der Ostukraine unterstützt. Langfristig wollen wir mit Russland wieder partnerschaftliche und vertrauensvolle Beziehungen. Doch um diese zu erreichen, müssen die Russen viel an ihrem Verhalten verändern.
Warum sollten Sie? Europa ist mittlerweile militärisch bedeutungslos geworden und kaum noch ein glaubhaftes Gegengewicht zu Russland.
Seit dem Nato-Gipfel 2014 in Wales hat sich die Nato mehr verändert als je zuvor in ihrer Geschichte. Das Bündnis hat die Reaktionsfähigkeit der Schnellen Eingreiftruppe verbessert: Sie ist schneller an jeden Ort in der Allianz zu verlegen als je zuvor. Und nun beginnen wir mit dem Rest der Streitkräftestruktur.
Das sind doch nur Pläne, Herr General: Viele Staaten geben nicht einmal die beschlossenen zwei Prozent ihres Nationaleinkommens für Verteidigung aus – auch Deutschland.
Die Lage ist noch nicht perfekt. Aber: 16 Nationen haben aufgehört, den Verteidigungshaushalt zu kürzen. Fünf Nationen bringen die zwei Prozent auf, die übrigen sieben folgen realistisch, um die zwei Prozent zu erreichen. Das ist vielleicht nicht so, wie wir es gerne hätten. Aber es ist eine Verbesserung.
Apropos Verbesserung: Macht Sie das Säbelrasseln des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump nervös?
Bei allem Respekt, als noch aktiver Offizier möchte ich dessen Äußerungen nicht kommentieren.