Immer beliebter: Online-Filmportale wie You Tube oder Netflix verzeichnen immer höhere Nutzerzahlen Foto: dpa

Internet-Videoanbieter wie Netflix, Maxdome und Amazons Instant Prime verzeichnen immer höhere Nutzerzahlen und Umsätze. Klassische Videotheken kommen gegen die Konkurrenz nicht mehr an. Aber auch Fernsehsender verlieren immer mehr Zuschauer an die Streaming-Portale.

Stuttgart - Markus Härtel steht alleine in der 300 Quadratmeter großen Videothek Movieplus in Stuttgart-Vaihingen – bis zu zwölf Stunden täglich, 62 Stunden in der Woche. „Vor ein paar Jahren hatte ich noch zwei Aushilfen. Die kann ich mir heute nicht mehr leisten“, sagt der Videothekenbetreiber. Seit 21 Jahren gibt es die Videothek in der Hauptstraße 50 bereits. Wie lange er noch durchhält, kann Härtel nicht genau sagen: „Man guckt halt von Monat zu Monat.“ Gerne erinnert er sich an die Zeit zurück, als die Leute noch aus dem Haus gingen, um sich Filme auszuleihen: Bis zu 300 Ausleihen konnte man an Samstagen verbuchen. „Seit ungefähr vier Jahren geht es stetig bergab“, sagt Härtel. Jedes Jahr sinke sein Umsatz um fünf bis zehn Prozent. Im vergangenen Jahr musste er die Preise um 60 Cent anheben: „Das war die erste Preiserhöhung seit fünf Jahren“, so Härtel. Schuld seien neben Dumpingpreisen für DVD-Filme vor allem Streaming-Portale.

Video-Streaming, das bedeutet die gleichzeitige Übertragung und Wiedergabe von Inhalten. Online-Videotheken locken Zuschauer mit einer riesigen Auswahl an Filmen und Serien, die man sich genau dann anschauen kann, wann man möchte. Anbieter wie Netflix und Amazons Instant Prime erobern die Welt: Das US-amerikanische Unternehmen Netflix hat sein Angebot zu Jahresbeginn in 130 Ländern gleichzeitig gestartet. Das Angebot des Online-Portals ist somit in insgesamt 190 Ländern abrufbar – fast auf der gesamten Erdkugel. Auch in Deutschland holt man sich die Bildschirm-Unterhaltung immer häufiger auf Abruf. Laut einer Erhebung des Berliner Beratungsunternehmens Goldmedia im Februar 2015 greifen rund 35 Prozent aller Internetnutzer auf Video-on-Demand-Angebote (zu Deutsch: Video auf Abruf) zurück. Ein Jahr zuvor waren es noch rund 20 Prozent. Neuere Zahlen liegen nicht vor.

Die Vorteile der Online-Mediatheken liegen klar auf der Hand: Der Konsument muss sich nicht mehr nach den Zeiten der Fernsehsender richten. Er erstellt sein eigenes Programm. Ein Fernseher ist nicht einmal mehr nötig. Die Inhalte von Netflix & Co lassen sich auch auf mobilen Geräten wie dem Smartphone oder dem iPad abspielen. Mit einem Marktanteil von 32 Prozent führt Amazons Prime Instant Video die Liste der beliebtesten Internet-Videotheken in Deutschland an. Dahinter folgen Maxdome mit 18 Prozent und Netflix mit 13 Prozent (Stand: April 2015).

Können deutsche Serien mit Eigenproduktionen der Streaming-Anbieter mithalten?

Eine Revolution des Medienkonsums, den die Fernsehsender mittlerweile zu spüren bekommen. Eine Umfrage des High-Tech-Verbands Bitkom im November 2014 ergab, dass bereits jeder dritte Videostream-Nutzer ab 14 Jahren das klassische Fernsehen ganz oder teilweise durch Streaming-Angebote ersetzt hat. Professorin Dr. Eva Stadler vom Studiengang Medienwirtschaft der Hochschule für Medien in Stuttgart glaubt, dass dieser Trend nicht mehr aufzuhalten ist: „Ich denke, in ungefähr zehn Jahren werden Serien und Filme hauptsächlich über Streaming-Portale angeschaut.“

Die steigende Beliebtheit der Internet-Video-Anbieter hat ihrer Meinung nach zwei Gründe: „Zum einen wird die junge YouTube-Generation angesprochen, die es nicht gewohnt ist, zu einer bestimmten Zeit vor dem Fernseher sitzen zu müssen.“ Zum anderen könnten deutsche Serien nicht mit den Eigenproduktionen der Streaming-Anbieter mithalten: „Die Portale haben es geschafft, den Geschmack der Leute mit Serien zu befriedigen, die das lineare Fernsehen in dieser Form nicht bietet.“ Dazu gehörten beispielsweise qualitativ hochwertige Serien wie „House of Cards“ von Netflix oder „Transparent“ von Amazon. Zwar denkt Stadler, dass es das klassische Fernsehen immer geben wird, „allerdings wird man hier vermehrt auf Sportübertragungen, Unterhaltungsevents wie Musik- und Spielshows und Sendungen für das Publikum 50 plus setzen“. Einschaltquoten zeigten jetzt schon, dass Sendungen wie „Das Traumschiff“ oder die „Helene-Fischer-Show“ besonders beliebt seien.

Die Zukunft gehöre den Streaming-Portalen. Videotheken wie Härtels Movieplus sind hingegen ein Auslaufmodell – zumindest wenn man den aktuellsten Zahlen des Interessenverbandes des Medien- und Videofachhandels in Deutschland (IVD) Glauben schenken mag: Demnach gab es im Jahr 2014 1544 Videotheken in der Bundesrepublik. 2009 waren es noch 3009. In Baden-Württemberg zählte der IVD 2009 324 Ausleihstellen. 2014 waren es nur noch 153. Davon möchte sich Härtel nicht entmutigen lassen. Er will vor allem auf guten Service setzen, auch wenn die Zukunft „nicht rosig“ aussehe: „Es gibt immer noch Leute, die Wert auf eine gute Beratung legen. Und eine Tasse Kaffee hab’ ich auch immer noch für jeden, der vorbeischaut.“