Großeinsatz nach dem Spiel VfB gegen Hertha im März – am Ende waren zwölf Polizisten verletzt Foto: 7aktuell.de/

Nach dem Spiel des VfB Stuttgart gegen Hertha hatte eine Horde Stuttgarter Fans zwei Polizeibeamte verletzt. Deshalb steht seit Dienstag ein 18-Jähriger wegen versuchten Totschlags vor Gericht.

Stuttgart - Der Schock saß tief nach dem 6. März dieses Jahres. An jenem Freitagabend wurden rund ums Daimlerstadion insgesamt zwölf Polizisten bei Fanausschreitungen verletzt. Ein Polizeibeamter gab in Todesangst gar drei Warnschüsse ab. „Das war ein aggressiver Mob, wie es ihn seit Jahren in Stuttgart nicht mehr gegeben hat“, sagte Polizeipräsident Franz Lutz hinterher. Seit Dienstag steht nun ein 18 Jahre alter Fan des VfB vor dem Stuttgarter Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Studenten versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung vor. Es heißt, der junge Mann von den Fildern wolle ein Geständnis ablegen.

Provokationen schon vor dem Spiel

Rückblende: Das Spiel des VfB gegen Hertha steht an. Weil die Hertha eine Fanfreundschaft mit dem Karlsruher SC pflegt, sind KSC-Fans nach Stuttgart gereist – eine Provokation für die VfB-Unterstützer. Schon vor dem Spiel kommt es zu gegenseitiger Anmache. Und auch da soll der angeklagte 18-Jährige schon mitgemischt haben. Im Pulk mit vornehmlich vermummten VfB-Jüngern soll er Polizisten provoziert und einen Mülleimer gegen ein Einsatzfahrzeug geworfen haben. Schlimm wird es nach dem Spiel. Rund 300 VfB-Fans marschieren Richtung Cannstatter Bahnhof – vermummt, mit Stangen und Holzlatten bewaffnet. Doch ehe die Gruppe auf die gegnerischen Fans trifft, wird sie von einer Polizeikette gestoppt. Die angeblichen Fans drehen um. Ungefähr 80 Mann kommen daraufhin an zwei Polizisten der Hundeführerstaffel vorbei, die auf Posten stehen. Die zwei Beamten werden regelrecht eingekreist, getreten, geschlagen. Kiloschwere Knochensteine fliegen. Der 34-jährige Beamte bricht blutend zusammen. Der Angeklagte soll zudem eine abgebrochene Parkhausschranke in Richtung eines Polizisten geschleudert haben. Der Beamte kann gerade noch ausweichen. In Todesangst feuert sein Kollege dreimal in die Luft, um Einsatzkräfte auf sich aufmerksam zu machen. Die Täter fliehen.

Der Mann mit der als Wurfwaffe umfunktionierten Schranke sitzt jetzt vor der 4. Jugendstrafkammer. Von der Verteidigung ist zu hören, der 18-Jährige wolle am nächsten Prozesstag am 1. Oktober zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Er werde gestehen, den Mülleimer und die Schranke geworfen zu haben – nicht die Steine. „Er gehört nicht zur Hooliganszene“, sagt Verteidiger Werner Haimayer.

Der Angeklagte ist „sehr christlich“ erzogen worden

Wie ein in der Wolle gefärbter Fußball-Gewalttäter sieht der junge Mann auf der Anklagebank tatsächlich nicht aus. Groß, schlank, gerade gewachsen, gepflegt. „Ich bin sehr christlich erzogen worden“, sagt der nicht vorbestrafte Angeklagte. Als Kind habe er im Kirchenchor gesungen, später sich in der kirchlichen Jugendarbeit engagiert. Er hat das sogenannte Turboabitur nach acht Jahren Gymnasium absolviert und studiert inzwischen an der Fachhochschule.

Rund zwei Wochen nach den Vorfällen in Bad Cannstatt rund um das VfB-Spiel war der junge Mann festgenommen worden. Seit Anfang September ist er gegen 15 000 Euro auf freiem Fuß. Er muss sich bei jedem VfB-Spiel auf einer Polizeiwache melden. Der 18-Jährige hat Stadionverbot.

In der Anklage ist von bisher nicht identifizierten Mittätern die Rede. Es heißt allerdings, die Polizei habe mittlerweile fünf weitere Tatverdächtige ermittelt. Eine Bestätigung dessen war nicht zu bekommen. Umso spannender wird sein, was der 18-Jährige aussagen wird.