Der letzte Sieg des VfB in München war 2010 (ein 2:1). Wann ist es mal wieder soweit? Foto: Baumann

„Den FC Bayern einzuholen“, sagt VfB-Präsident Bernd Wahler, „wäre zu visionär.“ Aber ein wenig aufzuholen wäre schon schön. Das benötigt Aufwand, Zeit und Strategie – die Distanz zum Rekordmeister ist vor dem Duell am Samstag größer denn je.

Stuttgart/München - Ganze fünf Siege hat der VfB Stuttgart in seiner Bundesligageschichte beim FC Bayern München in 48 Anläufen eingefahren. Nach menschlichem Ermessen kommt an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) kein weiterer hinzu. Der Rekordmeister hat seinen Widersacher im einstigen Südschlager abgehängt wie ein Porsche einen Käfer. Dazu genügt ein einfacher Blick aufs sportliche Abschneiden. Auch die wirtschaftlichen Kennziffern sprechen eine deutliche Sprache: Die Münchner Hochfinanz steigerte ihren Umsatz in den vergangenen zehn Jahren um das Sechsfache, während der VfB weitgehend stagnierte. Entsprechend entwickelte sich der Marktwert: Aktuell übersteigt der Spielerwert des FC Bayern jenen des VfB fast um das Zehnfache.

Die Roten müssen sich ihren heutigen Gegner ja nicht zum Vorbild nehmen. Aber ein bisschen was lernen können sie vom Branchenführer garantiert.

Erfolge verstetigen

Ob in den 70er Jahren mit Beckenbauer, Maier und Müller, eine Dekade später mit Udo Lattek oder aktuell die Ära Heynckes/Guardiola: Die Bayern haben es wie kein Zweiter geschafft, ihre Erfolge zu verstetigen. „Viele andere Clubs haben sich dagegen oft auf der Ist-Situation ausgeruht“, sagt der Ex-Bayern– und -VfB-Profi Thomas Strunz. Zum Beispiel der VfB: Auf die letzten drei Meisterschaften folgte dreimal der Absturz.

Personelle Identifikation

Beckenbauer, Hoeneß, Rummenigge – beim Rekordmeister waren stets Führungskräfte mit Bayern-Vergangenheit am Ruder. Das verschaffte dem Club eine Identität, die europaweit ihresgleichen sucht. Auf dem Wasen gab es immer wieder ähnliche Bestrebungen. Doch egal, ob die Beteiligten Karlheinz Förster, Hansi Müller oder Thomas Hitzlsperger hießen – die Verbindung nach der sportlichen Karriere währte nie lange oder kam erst gar nicht zustande. Jetzt sorgt immerhin Günther Schäfer für ein wenig Identifikation – wenn auch nur in einer nachgeordneten Position.

Mut zur Investition

Klar, die Bayern hatten schon immer ein paar Euro mehr auf dem Festgeldkonto. Und sie gingen – eine Parallele zum schwäbischen Konkurrenten – lange Zeit sorgsam damit um. Nach der Zeit mit Felix Magath, die zwar die gewohnten Erfolge auf nationaler Ebene brachte, in der die Münchner in der Champions League aber an ihre Grenzen stießen, ging die sportliche Führung ins Risiko. Plötzlich waren Ablösesummen von 30 Millionen keine Fantasie mehr, sondern Realität. Arjen Robben, Mario Gomez, Manuel Neuer, Mario Götze – das Beste auf dem deutschen und neuerdings auf dem europäischen Markt war und ist gerade gut genug. Das gilt auch abseits des Rasens. In Pep Guardiola angelten sich die Münchner den begehrtesten Trainer, in Scouting-Experte und Ex-Jugendtrainer Michael Reschke einen nicht minder gefragten Funktionär.

220 Kilometer weiter im Westen haben sie es stets gescheut, mit ihren finanziellen Ressourcen an die Grenzen zu gehen. Im Zweifel blieb beim VfB die Schatulle zu: Bloß kein Risiko! Dafür gab es zu viele Transfer-Flops. Davon hatten die Bayern auch welche, doch beim VfB fielen sie viel stärker ins Gewicht.

Moderne Strukturen

2002 beschloss der eingetragene Verein (e. V.) Bayern München, seine Fußballabteilung in eine Aktiengesellschaft auszugliedern. 24,99 Prozent der Anteile sind inzwischen an Großkonzerne aus der Nachbarschaft (Allianz, Adidas, Audi) veräußert. Der FC Bayern ist aber immer noch sein eigener Herr. 13 Jahre später wagt sich der VfB als einer von vier übrig gebliebenen e. V. der Liga an eine ähnliche Reform. Doch was damals, wie im Übrigen bei den meisten Clubs, ohne große Nebengeräusche über die Bühne ging, stößt in Zeiten, in denen Bürgerbeteiligung großgeschrieben wird, auf Widerstand. Zurzeit ist es äußerst fraglich, ob dem VfB seine Ausgliederung wie geplant 2016 gelingt.

Visionen

Der FC Bayern ist auch hier längst einen Schritt voraus. Büros in New York und China – in Sachen Auslandsvermarktung dreht der Rekordmeister dem Rest der Liga eine lange Nase. Gerade ist der Verein dabei, dem Vorbild FC Barcelona als global bedeutendem Sportverein nachzueifern. Der Aufbau eines konkurrenzfähigen Basketballteams war erst der Anfang. Beim VfB kommen die Strategen angesichts der sportlichen Dauersorgen gar nicht erst dazu, Visionen zu entwickeln – geschweige denn sie umzusetzen.

So ist die Kluft über die Jahre riesengroß geworden. Vom Südgipfel redet längst keiner mehr, die Hoffnung auf eine Annäherung aber lebt weiter – auch wenn sie zuletzt nur noch enttäuscht worden ist.