Bruno Labbadia jubelt Foto: dpa

Der VfB feiert Platz sechs und richtet den Blick bereits auf die neue Saison – nicht ohne Sorgen.

Stuttgart - Als Herzensangelegenheit konnte man die Beziehung zwischen Bruno Labbadia und den Fans des VfB Stuttgart bislang ja nicht gerade bezeichnen. Respekt und Anerkennung ja, die große Liebe noch nicht. Doch am Samstagnachmittag, kurz nach dem 3:2-Sieg der Roten über den VfL Wolfsburg, gab es weitere Annäherungen.

Die Mannschaft hatte sich samt Trainer vor der Cannstatter Kurve platziert, und als die Fans die ersten Labbadia-Sprechchöre anstimmten, trat der Coach einen Schritt nach vorn, streckte abwechselnd den linken und den rechten Arm nach oben und ließ sich kurz feiern. Warum auch nicht?

Schließlich kann sich das, was der Trainer in seinen eineinhalb Jahren beim VfB erreicht hat, sehen lassen. Im ersten Halbjahr führte der 46-Jährige den VfB vom vorletzten Platz aus zum Klassenverbleib. In der nun abgelaufenen Saison verstetigte Labbadia den Aufwärtstrend, was den Roten am Ende Platz sechs und die Teilnahme an den Play-off-Spielen zur Europa-Liga bescherte. Aber „am wichtigsten“, sagte Labbadia, „ist die fußballerische Entwicklung“.

Die war vor allem in der Rückrunde oft zu sehen, dazu überzeugte das Team mit körperlicher Fitness und toller Moral. Siebenmal holten die Roten nach einem Rückstand noch etwas, viermal reichte es noch zu einem Sieg – so wie am Samstag, als die Wolfsburger durch Tore von Patrick Helmes und Marco Russ 2:0 in Führung lagen, der VfB innerhalb von sieben Minuten das Spiel durch Cacau, Maza und Ibrahima Traoré aber drehte.

Danach kannte die Euphorie kaum Grenzen. „Das war ein super Abschluss“, sagte Labbadia, „das hat die Saison abgerundet.“ Und lenkt den Blick unweigerlich nach vorn. Doch wenn es um die Zukunft geht, ist von der Euphorie nicht mehr viel zu spüren. Denn trotz der positiven Entwicklung bleibt eine gehörige Portion Ungewissheit.

Mannschaft, Möglichkeiten und Führung

Das Gesicht der Mannschaft: Vier Spieler hat der VfB am Samstag verabschiedet, wenn es nach Bruno Labbadia geht, ist es damit auch getan. „Es wäre elementar wichtig, dass die Spieler, die dem Verein ein Gesicht gegeben haben, bleiben“, sagt Labbadia und will die Spieler, aus denen er eine kompakte Einheit geformt hat, weiter im Club halten. „Wir haben jetzt eineinhalb Jahre viel Arbeit investiert, wir dürfen unsere sportliche Substanz nicht verlieren, ich hoffe, dass nicht mehr viele gehen werden“, sagt der Coach. Vor allem keine der Etablierten, also auch nicht Cacau (Vertrag bis 2013). Der sagt, er wolle sich nach der eventuellen EM-Teilnahme über seine Zukunft Gedanken machen. Für Labbadia gibt es aber einen einfachen Grund, den Stürmer zu halten: „Die Qualität von Cacau können wir nie mehr kaufen, ich gehe fest davon aus, dass er hier bleibt.“ Zdravko Kuzmanovic (2013) grübelt noch: „Der Verein muss auf mich zukommen, das ist bislang nicht der Fall gewesen.“ Als Neuzugang steht bislang nur Daniel Didavi in Aussicht, der aus Nürnberg zurückkehren soll. Hinten rechts ist der VfB auf jeden Fall zum Handeln gezwungen.

Die finanziellen Möglichkeiten: Wenn Bruno Labbadia auf die Teams blickt, die in der kommenden Saison um die internationalen Plätze spielen wollen, wird ihm beinahe angst und bange. „Die werden Gas geben“, sagt er und meint damit: auf dem Transfermarkt. Der VfB dagegen ist zur Zurückhaltung verdonnert, da im Winter bereits ein kostspieliger Transfer (Vedad Ibisevic) getätigt wurde. „Wir gehen den Weg des Vereins mit“, sagt Labbadia, „wir müssen aber auch darauf hinweisen, dass er nicht leicht ist, wenn andere viel investieren.“ In bestimmten Kategorien schaut Labbadia aber schon gar nicht nach neuen Spielern, sondern setzt eher auf Schnäppchen à la Gotoku Sakai. Manager Fredi Bobic hofft auf das Entwicklungspotenzial der Mannschaft: „Die Jungs sind noch nicht an ihrem Zenit angelangt.“

Die sportliche Führung: Bruno Labbadia ist nun seit eineinhalb Jahren Chefcoach des VfB, was seit Armin Veh keiner mehr geschafft hat. „Diese Kontinuität tut dem Verein und auch mir selbst gut“, sagt er. Sie soll fortbestehen, was laut Labbadia an drei Köpfen innerhalb eines Vereins liegt: Präsident, Manager, Trainer. Der eine, Gerd Mäuser, ist bis 2015 gewählt, die anderen besitzen Verträge bis 2016 beziehungsweise 2013. Beim VfB könnte also weiter etwas wachsen.

Das Umfeld: Nach dieser Saison sind die Fans endgültig versöhnt, der Zuschauerschnitt liegt über den Erwartungen, und die aufkeimende Euphorie will Bruno Labbadia auch gar nicht ersticken – solange sie nicht in überzogenen Erwartungen mündet. Der Coach hütet sich jedenfalls davor, für die neue Runde einen weiteren Schritt nach vorn zu versprechen. Denn: „Ich bin mir bewusst, wie eng das Ganze bei uns gestrickt ist, wir haben in allen Bereichen am Maximum gearbeitet.“ Um mit Blick auf die neue Bundesligasaison und die Europa-Liga keinen Pessimismus zu verbreiten, schiebt Labbadia aber schnell nach: „Das heißt nicht, dass nicht noch mehr möglich ist.“

Wenn weiter alle zusammenstehen. So wie am Samstag vor der Cannstatter Kurve.