Lernt im Trainingslager in Portugal, seine Mannschaft Foto: Pressefoto Baumann

Ein guter Trainer ist derjenige, der aus vielen Individuen ein erfolgreiches Ganzes bildet. So gesehen ist das Trainingslager des VfB Stuttgart in Lagos auch für Huub Stevens eine Lehrzeit.

Lagos - Der Ruf, der ihm vorauseilt, wird Huub Stevens nicht wirklich gerecht – auch wenn der Niederländer den Beinamen „Knurrer von Kerkrade“ nicht ohne Grund trägt. Huub Stevens: mürrisch, knallhart, ein Schleifer? So wirkt er tatsächlich zuweilen, wie Martin Harnik mit einem Schmunzeln bestätigt: „Wenn er über den Platz ruft, bekommt man fast eine Gänsehaut. Selbst wenn er die gegnerische Mannschaft trainiert, traust du dich kaum, gegen ihn oder sein Team ein Tor zu schießen.“

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn Huub Stevens kann auch anders, wie er im Trainingslager an der Algarve beweist. Da zeigt er sich als umsichtiger, fürsorglicher und überaus menschlicher Typ. So unnachgiebig er seine Trainingseinheiten durchzieht, so gern scherzt, lacht und frotzelt er, auch auf dem Platz. „Er bringt auch viel Spaß und Lockerheit in die Mannschaft“, sagt Timo Werner, mit 18 Jahren einer der Jüngsten im Kader.

Huub Stevens zeigt viele Facetten. Genauso viele Facetten hat jeder seiner Spieler, und die hat der Trainer in den Tagen von Lagos gründlich erkundet. Im vergangenen Frühjahr war er als Feuerwehrmann zum VfB gekommen, die Mission Klassenverbleib war kaum über ein reines Arbeitsverhältnis hinausgekommen. Auch die ersten Spiele als Nachfolger von Armin Veh in dieser Saison standen unter dem Gebot, den VfB erst mal sportlich zu stabilisieren. Jetzt, in der Vorbereitung auf die Rückrunde, geht sein Wirken über den reinen Trainerjob hinaus: „Jetzt lerne ich die Mannschaft richtig kennen.“

Wobei er über dieses Stadium schon hinaus ist. „Jetzt verstehe ich manche Dinge besser“, sagt Stevens. Wie einzelne Spieler ticken, warum die Mannschaft in bestimmten Spielsituationen auf diese oder jene Art reagiert oder wie sie mit Konflikten umgeht.

Huub Stevens, der Tiefenpsychologe.

In den Pausen über Mittag oder abends bittet er die Spieler zu Einzelgesprächen. Die dauern mal 15, mal 25 Minuten. Die jungen Talente hat er in einer Runde zusammengefasst, mit Oriol Romeu und Filip Kostic wird er sich erst in Stuttgart unterhalten und einen Dolmetscher hinzubestellen. Bei den anderen Spielern hat er deren Befindlichkeiten ausgelotet, ihre Gedanken und Gefühle, aber auch Hemmnisse, die ihre Entwicklung stören. Auch Privates spricht er an. Damit will er Vertrauen schaffen und die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen, natürlich zuvorderst in den Bundesligaspielen. „Das ist keine Einbahnstraße“, sagt Stevens, „die Spieler sollen ruhig erzählen, aber sie dürfen auch fragen. Und wenn sie etwas loswerden wollen, habe ich auch dafür ein offenes Ohr.“

Nun schüttet ihm nicht jeder Spieler bereitwillig auf Anhieb sein Herz aus, doch mit jedem Gespräch fügt sich ein Mosaikstück an das andere. „Wir haben so viele verschiedene Charaktere in der Mannschaft, die wollen wir kennenlernen und am Ende bündeln und ins Positive wenden“, sagt er. Bestenfalls lassen sich daraus Handlungsanleitungen ableiten, die den Teamgedanken stärken: „Ich spüre, dass wir Fortschritte machen, hin zu einer Einheit“, sagt Stevens.

Die taktischen Besprechungen sollen den Prozess beschleunigen. Abends führt er einzelnen Spielern oder ganzen Mannschaftsteilen Videoanalysen vor, seziert Spielszenen und reicht eine Handhabe, wie sie in der Praxis besser gelöst werden können. Dazu gehört auch eine gewisse Flexibilität – siehe Florian Klein: Der rechte Verteidiger kam in den Testspielen jeweils im Mittelfeld zum Zuge. „Wir wollen die Spieler auf den Positionen einsetzen, auf denen sie sich am wohlsten fühlen“, sagt Stevens, „die Frage ist immer: Was ist für den Einzelnen am besten im Mannschaftsgefüge?“

So weit, so gut. Ob seine Strategien anschlagen? Der Ernstfall wird es zeigen – erstmals beim Rückrundenstart am 31. Januar gegen Borussia Mönchengladbach.