Huub Stevens will nicht in der Vergangenheit kramen Foto: Baumann

Eine neue Chance für alle, ein Neustart ohne Altlasten – so stellt sich Huub Stevens seinen erneuten Bundesliga-Einstand als Trainer des VfB Stuttgart an diesem Freitag (20.30 Uhr/Sky) in Freiburg vor. Doch das ist für manch einen leichter gesagt als getan – zum Beispiel für Martin Harnik.

Stuttgart - Ein einziges Mal machte er dann doch eine Ausnahme – und erinnerte sich an seine erste Amtszeit beim VfB Stuttgart. Über seinen ersten Einstieg auf dem Wasen im März dieses Jahres sagte Huub Stevens am Donnerstag: „Damals habe ich nach dem ersten Training zu meinem Assistenten geschaut und gesagt: Was ist denn hier los?“ Die damalige Mannschaft, das wollte der Nun-Wieder-Trainer des VfB damit sagen, war in keinem guten Zustand. Dann sprang er schnell wieder in die Gegenwart. Die ihn hoffnungsfroh stimmt.

Vor seinem erneuten Bundesliga-Einstand mit den Roten an diesem Freitag (20.30 Uhr/Sky) beim SC Freiburg bereitet zumindest die Fitness der Mannschaft dem Niederländer keine Sorgen. „Das Team macht auf mich keinen schlechten Eindruck“, sagt Huub Stevens. Er weiß aber auch, „dass die Spieler nicht super drauf sind, wenn sie unten stehen“. Die anhaltende Misere schlägt den Profis durchaus aufs Gemüt – den einen weniger, anderen mehr. Martin Harnik gehört zu den anderen.

Dabei könnte er doch so optimistisch nach vorne blicken, schließlich ist der nächste Kontrahent für ihn das, was man eigen Lieblingsgegner nennt. Bereits fünfmal hat der österreichische Nationalspieler gegen den SC Freiburg in der Bundesliga getroffen – doch statt große Vorfreude zur Schau zu tragen, sagt Harnik nur: „Es spielt keine Rolle, wie der nächste Gegner heißt. Wir müssen als Team funktionieren, wenig zulassen und uns Chancen erarbeiten.“

Nun gehört der 27-jährige Offensivspieler seit jeher zu jenen Zeitgenossen, die sich eher einen Gedanken zu viel als einen zu wenig machen. Entsprechend nagt an ihm die sportliche Misere des VfB, vor allem, weil er diesen Leidensweg nun schon Jahre mitgeht. Im Juli 2010 kam Martin Harnik von Fortuna Düsseldorf im Bestreben nach Stuttgart, sportlich so richtig voranzukommen. Viereinhalb Jahre und sechs Trainer später macht er derzeit einen recht ernüchterten Eindruck. „Die Trainer sind ja meist gegangen, weil wir zu wenig Punkte gesammelt haben“, sagt Harnik mit gedämpfter Stimme, „das ist schade, jeder wünscht sich doch Konstanz und Beständigkeit. Aber wir laufen seit sehr langer Zeit unseren Ansprüchen hinterher.“

Es ist keine Anklage, keine Schuldzuweisung, dafür kennt Martin Harnik die Gesetze der Branche zu genau. Wie ein Club dasteht, wie er wahrgenommen wird, „alles steht und fällt mit unserem Erfolg“, sagt Harnik über sich und seine Teamkollegen, „unsere sportliche Misere belastet den Verein zusätzlich.“ Und an Spielern wie ihm nagt sie ohne Ende: „Wir haben schwierige Zeiten hinter uns, das zehrt. Der Spaß bleibt auf der Strecke.“ Huub Stevens will ihn nun zurückbringen – und genau das gibt dann auch Martin Harnik wieder ein Stück Hoffnung zurück.

Harnik freut sich über die Rückkehr des Niederländers

Denn der Saison-Endspurt der vergangenen Saison hat gezeigt: Der Niederländer ergreift als erfahrener Mann im Kampf gegen den Abstieg die richtigen Methoden. „Er hat uns gerettet, und wir haben dennoch Spaß gehabt“, erinnert sich Martin Harnik und ergänzt: „Ich habe mich über die Rückkehr von Huub Stevens gefreut.“ Im Gegensatz zu seinem Angreifer will der Coach aber gar nicht so sehr an das Vergangene denken. Im Gegenteil: Der alte und neue VfB-Trainer will einen echten Neustart und stellt die Uhr auf Null.

Es hatte ja schließlich schon Mutmaßungen gegeben nach dem Motto: Stevens setzt nur auf die Spieler, denen er auch schon im Frühjahr vertraut hat. Doch dem Niederländer liegt viel daran, diesen Eindruck von vorneherein zu verwischen. Den Konkurrenzkampf ums VfB-Tor zwischen Sven Ulreich und Thorsten Kirschbaum erklärt er noch nicht für entschieden: „Im Training kann noch viel passieren.“ Ob er Erfahrung oder jugendlichen Elan bevorzugt, sagt er nicht: „Es gibt nicht jung oder alt, sondern nur gut oder schlecht.“ Und auch in Bezug auf Carlos Gruezo, seinen angeblichen Liebling, bleibt Stevens vor der Partie in Freiburg zurückhaltend: „Ich muss erst mal schauen, welchen Eindruck er hinterlässt.“ Dazu hat er die Langzeitverletzten Vedad Ibisevic und Mohammed Abdellaoue gleich mit einbezogen. „Es ist nicht leicht, alle mitzureißen“, sagt Huub Stevens, „aber es ist wichtig, dass jeder das Vertrauen des Trainers spürt. Anders kommen wir nicht ans Ziel.“

Das Ziel ist auf lange Sicht der Verbleib in Liga eins. Kurzfristig steht natürlich ein Erfolg in Freiburg auf der Wunschliste, Martin Harnik weiß, was ihm und seinen Kollegen darüber hinaus helfen würde: „Eine Serie mit mehreren erfolgreichen Spielen.“ Er weiß aber auch, dass zuvorderst die Spieler selbst eine solche starten können: „Uns misslingen bislang meist die entscheidenden Aktionen. Wir bringen einfach nicht das auf den Platz, was wir können.“

An Huub Stevens ist es nun, diese Blockade zu lösen – und eine neue Zeitrechnung zu beginnen.