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2012 sollen sich Sozialpädagogen um Ultras beim VfB und bei den Kickers kümmern.

Stuttgart - Wie schnell bei Fußballfans die Stimmung überkochen kann, zeigte die vergangene Saison. Die Gewaltbereitschaft nimmt zu. In Köln sprachen enttäuschte Anhänger sogar Morddrohungen aus. Die Stadt Stuttgart antwortet darauf mit einem neuen Fanprojekt, das im kommenden Jahr an den Start gehen soll.

Babelsberg hat eines, Chemnitz, Plauen, Aachen, Bochum, Darmstadt, Halle und Jena auch. Von München, Berlin, Frankfurt, Dortmund und Gelsenkirchen ganz zu schweigen. Das Fanprojekt in Bremen feiert gar seinen 30. Geburtstag. Fast überall, wo Fußballer fürs Kicken bezahlt werden und ihnen dabei Menschen in größerer Anzahl zuschauen, sind in den vergangenen Jahren Fanprojekte entstanden. Nur in Mönchengladbach, Hoffenheim und Stuttgart nicht.

Jugendamt statt Fan-Projekt

Dort stand bis dato das Jugendamt auf dem Standpunkt, man brauche keine Sozialarbeiter, die sich um Fußballfans und deren Anliegen kümmern. Denn bei Problemen mit Schule, Eltern oder Alkohol würden Jugendliche in den Stadtteilen mit mobiler Jugendarbeit und in Jugendhäusern betreut, "und zwar besser als in einem Fanprojekt".

Doch steter Tropfen höhlt den Stein. Jetzt hat das Fanprojekt im Sozialausschuss der Stadt die erste Hürde genommen - die Zustimmung in den Haushaltsberatungen dürfte folgen. 2012 sollen dann drei hauptamtliche Sozialpädagogen in den Dialog mit der Fanszene treten. Sie sollen, so heißt es im Fachjargon, "durch sozialpädagogische und lebensweltnahe Arbeit" auf die zunehmende Gewaltbereitschaft der jugendlichen Fußballfans der Ultra-Szene reagieren und "ganzheitliche Lösungswege finden".

Seit zwei Jahre kämpfen der VfB Stuttgart, die Stuttgarter Kickers, die Polizei und Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer für das Fanprojekt. "Es kann nicht sein, dass Stuttgart kein Fanprojekt hat. Es war daher schon zu Beginn meiner Amtszeit ein ausdrücklicher Wunsch von mir, dieses Projekt umzusetzen", sagt Isabel Fezer und ergänzt: "Ich bin froh, dass es jetzt losgehen kann." Finanziert wird das Projekt zu einem Drittel über den Deutschen Fußball-Bund (DFB), das Land (Mittel sind bis Ende 2016 gesichert) und die Kommune. Auf die Stadt kommen dann pro Jahr 60.000 Euro Personalkosten und 10.000 Euro Betriebskosten für ein Büro sowie einen Fantreff zu. Für die Ausstattung des Büros schlagen einmalig 10.000 Euro zu Buche. Die Besetzung der drei Stellen erfolgt über den Jugendarbeitsverbund Stuttgart.

Großer Dienst für alle Fußballfreunde

Peter Reichert, einer von drei hauptamtlichen Fanbeauftragten des VfB Stuttgart, begrüßt die Entscheidung der Stadt: "Bei dieser Arbeit ist jede Unterstützung willkommen - und zwar in der täglichen Arbeit und an den Spieltagen." In der Praxis sollen sich in Zukunft zwei Sozialpädagogen den VfB-Fans widmen, einer ist für die Anhänger der Stuttgarter Kickers zuständig.

"Es ist ein wichtiger Schritt", sagt Sozialbürgermeisterin Fezer, "denn auf jene Gruppen von Fans, die kritisch sind und unsere gesellschaftlichen Haltungen nicht teilen, müssen wir eingehen. Wir müssen ihnen eine Plattform bieten." Gemeint sind vor allem die Ultras beider Stuttgarter Clubs. Aber auch Hooligans, deren Zahl in den vergangenen Jahren stark abgenommen hat, sollen "eingefangen werden", wie es Isabel Fezer umschreibt. Was sie mit Einfangen meint, zeigt der Aufgabenkatalog des neuen Fanprojektes:

  • Die Sozialpädagogen sollen Gewalt eindämmen und vorbeugend wirken.
  • Sie sollen extremistische Orientierungen (Feindbilder, Vorurteile) abbauen.
  • Sie sollen ein Klima des Vertrauens schaffen, das Selbstwertgefühl der jungen Fans stärken und eine Rückbindung an den jeweiligen Club schaffen.

Sollte das gelingen, wäre allen Fußballfreunden ein großer Dienst erwiesen.