Mit einer Kampfansage versucht VfB-Sportvorstand Robin Dutt das Ruder noch einmal herumzureißen. Dabei könnte die direkte Rettung schon am kommenden Wochenende passé sein.

Gelsenkirchen - Es war nass am Sonntagmorgen in Bad Cannstatt, die grauen Wolken hingen tief über dem Gebäude mit dem roten Dach – und so passte die Szenerie gut zur sportlichen Lage des VfB Stuttgart. 2:3 auf Schalke verloren, wieder eine Führung hergeschenkt, weiter Tabellenletzter mit nun vier Punkten Rückstand zum rettenden Ufer. Bei einer weiteren Pleite am Samstag gegen den FSV Mainz 05 könnte die direkte Rettung schon unerreichbar sein, und selbst drei Siege garantieren den Klassenverbleib nicht mehr. Alles bereit für den Abgesang also? Da hatte Robin Dutt was dagegen.

Vier Stunden lang hatte der Sportvorstand des VfB auf der Heimfahrt aus Gelsenkirchen Zeit gehabt, mit Trainer Huub Stevens die Situation zu erörtern, es folgte ein gemeinsames Frühstück – danach war für das Duo klar: Zur Tagesordnung können sie nach dem erneute Rückschlag nicht übergehen. „Zu ruhig ging es bei uns auf keinen Fall zu“, berichtete Dutt daher – nachdem er vor der Mannschaft gesprochen hatte.

Es war keine Standpauke, kein Draufhauen, obwohl es durchaus Gründe dafür gegeben hätte, weil sich der VfB am Samstag auf Schalke mal wieder selbst besiegt hat. Nach schwachem Start hatten die Roten zwar das Spiel gedreht, es nach dem 2:1 aber verpasst, den verunsicherten Schalkern den Rest zu geben. Zu den vergebenen Möglichkeiten kamen teils dilettantische Fehler – weshalb sich nach der Partie ein gefährliches Gefühl breitzumachen drohte: „Das war’s.“

Dutt und Stevens haben eben diese Stimmung wahrgenommen – und deshalb gab sich vor allem der Sportvorstand am Sonntag alle Mühe, Entschlossenheit zu demonstrieren. „Das war’s noch lange nicht“, sagte er mit in die Hüften gestemmten Händen und ergänzte: „Wenn du aufgibst, hast du keine Chance – und genau darauf warten die anderen Mannschaften: Dass wir aufgeben. Aber wir spielen jetzt nicht gegen den FC Barcelona, sondern gegen den FSV Mainz 05.“ Dann rechnete er vor: „Wir gewinnen gegen Mainz und Hamburg – dann haben wir ein Endspiel in Paderborn.“ Die Essenz der Dutt’schen Kampfansage gilt fortan als VfB-Maxime: Aufgeben verboten! Doch wie realitätsnah sind die Signale nach dem Wirkungstreffer auf Schalke und den Erfolgen der Konkurrenz?

Was für den VfB spricht: Es sind vor allem drei Namen, die derzeit die Hoffnung nähren, dass es am Ende gut ausgeht für den VfB: Martin Harnik, Filip Kostic, Daniel Ginczek. Das Sturmtrio der Roten kommt immer besser in Schwung, Kostic und Harnik trafen auf Schalke, Ginczek bereitete beide Treffer vor. „Diese Offensive wird uns auch wieder zum Sieg führen“, sagte Dutt daher. Und Trainer Stevens sprach bereits am Samstag von der Entwicklung des Teams, das tatsächlich selten spielt wie ein Absteiger. Zudem beweist die Mannschaft Moral, so dass sich Vorstand und Coach sicher sind, dass sich die Spieler auch vom 2:3 auf Schalke erholen. „Wir müssen Stärke und Selbstvertrauen ausstrahlen. Das muss unsere Botschaft sein“, sagte Dutt.

Dass das Führungsduo schnell auf die Spieler einwirkte, sollte zudem kein Nachteil sein. Die Unterstützung der Fans stimmt ebenso – trotz deren Forderung nach einer kritischen Aufarbeitung. „Es gibt im Verein viel aufzuarbeiten, auch ich habe viel zu sagen“, erklärte Dutt dazu, ergänzte jedoch: „Aber nicht jetzt.“

Was gegen den VfB spricht: Sechs Siege hat der VfB in dieser Saison erst gefeiert, wieso sollten ausgerechnet jetzt drei hintereinander folgen? Zwar sagt Robin Dutt: „Keine Mannschaft im Tabellenkeller hat einen Wettbewerbsvorteil.“ Vielmehr aber gilt: Der VfB ist der einzige Club im Kampf gegen den Abstieg, der vier Punkte auf Platz 15 aufholen muss. Was vor allem dann schwer wird, sollten die Roten weiter derart eklatante Patzer begehen wie am Samstag auf Schalke. „Wir machen Woche für Woche unsere Fehler“, klagte Stevens, der Zweifel aufkommen ließ am eigenen Glauben an den Erfolg seiner Mission: „Wenn der Verein meint, ein anderer kann es besser als ich, dann müssen sie eine Entscheidung treffen.“

Dies wird nicht passieren, doch die Probleme lassen sich auch nicht tilgen. Vor allem die Abwehr ist anfällig ohne Ende, und dem VfB fehlt die Konstanz – was am Ende eine Frage der Qualität ist. „Ich glaube nicht mehr an Zufälle“, sagte Ex-Coach Armin Veh als TV-Gast bei Sport 1 und räumte Versäumnisse im vergangenen Sommer ein: „Es hat was mit der Klasse zu tun. Es hätte einen größeren Umbruch geben müssen.“

Mit dieser fatalen Fehleinschätzung begann eine Horrorsaison, die im ersten Abstieg seit 1975 münden könnte. „Ich versuche, jeden Tag zu kämpfen“, versicherte Stevens – ohne zu wissen, ob das reichen wird.