Kampf um den Ball: Christian Gentner (li.) gegen Javi Martinez Foto:  

Es sind gerade zwei Spieltage vorbei, und der VfB Stuttgart steht vor der Partie bei Bayern München (15.30 Uhr/Sky) schon mit dem Rücken zur Wand. Kapitän Christian Gentner (29) will deshalb aber noch nicht vom Kampf gegen den Abstieg sprechen.

Stuttgart - Es sind gerade zwei Spieltage vorbei, und der VfB Stuttgart steht vor der Partie bei Bayern München (15.30 Uhr/Sky) schon mit dem Rücken zur Wand. Kapitän Christian Gentner (29) will deshalb aber noch nicht vom Kampf gegen den Abstieg sprechen.
 
Herr Gentner, früher waren Spiele gegen die Bayern immer ein Höhepunkt, auf den der ganze Verein hingefiebert hat. Ist das auch jetzt wieder so – oder geht die Angst vor dem Fehlstart um?
Spiele gegen Bayern München werden immer ein Highlight sein. Das gilt dieses Mal ganz besonders. Man trifft ja nicht alle Tage auf so viele Weltmeister. Von einem Fehlstart würde ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sprechen. Wir haben ein Spiel gegen Köln vergeigt, aber die Saison ist noch jung.
Geht man ein Spiel gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner anders an als gegen Mainz oder Freiburg?
Die Motivation ist immer dieselbe. Aber klar ist, dass man taktisch anders an die Sache rangeht. Wir werden uns sicher nicht komplett zurückziehen und mit Mann und Maus verteidigen. Das wirst du nicht über 90 Minuten durchhalten können. Wir werden versuchen, frech zu spielen, die Bayern früh zu stören und auf unsere Chancen zu lauern. Aber natürlich können wir in München nicht auf Ballbesitz spielen, das würde nicht funktionieren.
Glauben Sie an den Bonus des frühen Duells – dass die Bayern nach der WM noch von ihrer Bestform entfernt sind?
Nicht unbedingt. Sie hatten jetzt wieder zwei Wochen mehr, um sich zu finden. Selbst wenn sie nicht in ihrer Bestform sind, sind sie immer noch sehr gut.
Ihr Trainer Armin Veh glaubt, dass die Schere zwischen den Topclubs und dem Rest der Liga weiter auseinandergehen und es in Zukunft keine Überraschungsmeister wie den VfB 2007 mehr geben wird. Sehen Sie es ähnlich?
Im Moment ist ein anderes Szenario in der Tat schwer vorstellbar. Die Bayern müssten schon gewaltige Probleme bekommen, damit es mal wieder für einen Überraschungsmeister reicht. Trotz allem glaube ich, dass die Liga spannend bleiben kann, wenn es auch andere Mannschaften neben Borussia Dortmund schaffen, konstant oben dranzubleiben.
Kommen wir zum VfB. Warum ist der Start mal wieder missraten?
Für unser Selbstvertrauen wäre ein Sieg am ersten Spieltag in Mönchengladbach sehr wichtig gewesen. Aber das soll das schlechte Spiel gegen Köln nicht entschuldigen. Wir haben es gegen einen defensiven Gegner nicht geschafft, Druck aufzubauen, wir waren nicht kreativ, nicht zwingend genug. Es werden auch noch andere Gegner in Stuttgart so auftreten wie der 1. FC Köln. Darauf müssen wir uns einstellen.
Und wie?
Wir müssen uns in der Offensive mehr zutrauen.
Die Qualität dafür ist vorhanden?
Davon bin ich überzeugt.
Ist der Kader stärker als letze Saison?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu beurteilen. Mit Cacau, Ibramhima Traoré und Arthur Boka haben wir drei wertvolle Spieler verloren. Sie waren auch neben dem Platz sehr wichtig. Die Neuen haben viel Qualität, aber sie brauchen noch etwas Zeit.
Armin Veh spricht schon vom Kampf gegen den Abstieg.
Ich glaube nicht, dass der Kampf gegen den Abstieg schon am ersten Spieltag beginnt. Aber klar ist, dass wir baldmöglichst punkten sollten.
Der Trainer legt viel Wert auf Teamgeist und hat da einige Schwächen ausgemacht. Können Sie das erklären?
Die Misserfolge und negativen Erlebnisse der letzten Saison wirken sicher noch nach. In der Vergangenheit hat sich jeder vielleicht zu viel mit sich selbst beschäftigt, weil er unzufrieden war. Es liegt in der Natur des Menschen, dass man, wenn es schlecht läuft, versucht, die Schuld ein wenig von sich zu schieben und nach den anderen zu schauen. Aber ich bin weit davon entfernt zu sagen, dass es in der Mannschaft nicht stimmt.
Keine Grüppchen, keine Unzufriedenen?
Nein. Die Niederlage gegen Köln hatte auch nichts mit mangelndem Teamgeist zu tun, sondern mit spielerischen Gründen.
Was unternimmt die Mannschaft denn, um das Wir-Gefühl zu stärken?
Wir machen keine speziellen Teambuildingmaßnahmen. Das ist auch nicht entscheidend. Teamgeist muss sich auf dem Platz, im Training, in der Umkleide entwickeln.
Es gibt keine gemeinsamen Unternehmungen?
Das ist natürlich auch geplant. Wir wollen öfter mal was gemeinsam mit unseren Familien unternehmen, um uns noch besser kennenzulernen.
Eigentlich war doch alles super: neuer Trainer, eine lange Vorbereitung, wenig Verletzte, die WM-Fahrer früh zurück. Es herrschte Aufbruchstimmung. Und jetzt ist schon wieder alles dahin.
Es hilft jetzt nichts, in Panik zu verfallen. Der Trainer legt großen Wert darauf, Lockerheit reinzubekommen. Wir müssen die Ruhe bewahren, auch wenn ich merke, dass die Unruhe im Umfeld steigt – was nach der letzten Saison aber auch verständlich ist.
Nicht nur die letzte Saison war schlecht, die Fans murren schon seit vier Jahren. Ist die Erwartungshaltung in Stuttgart zu groß?
Wir hatten große Erfolge in der Vergangenheit, aber davon sind wir momentan weit entfernt. Von Europa sollte derzeit niemand träumen. Das zu akzeptieren ist für viele nicht ganz einfach.
Ihre Rolle als Mannschaftskapitän wird ebenfalls viel diskutiert. Es heißt, Sie wollten zu viel, und verkrampfen.
Ich spreche häufig mit dem Trainer darüber. Ich will als Kapitän natürlich den anderen helfen, weiß aber auch, dass meine Leistung nicht darunter leiden darf. Ich muss da noch eine bessere Balance finden.
Müssten Ihre Aufgaben als Mannschaftsführer nicht auf mehrere Schultern verteilt werden?
Doch, das ist auch schon der Fall. Aber so etwas muss sich natürlich noch weiterentwickeln.
Echte Führungsspieler haben sich bisher noch nicht hervorgetan.
Martin Harnik hat schon bewiesen, dass er Verantwortung übernehmen kann. Auch Toni Rüdiger entwickelt sich in diese Richtung. Georg Niedermeier, Sven Ulreich, Karim Haggui, Vedad Ibisevic und noch einige andere sind Persönlichkeiten mit einem hohen Stellenwert innerhalb der Mannschaft.
Vergeht Ihnen angesichts der Dauermisere nicht manchmal die Lust beim VfB? Nie mal an einen Wechsel gedacht?
Ich habe nach wie vor große Lust, beim VfB zu spielen. Ich fühle mich hier wohl und möchte noch was erreichen. Ich werde auf keinen Fall davonlaufen.