VfB-Ausblick: Präsident Bernd Wahler (li.) und Fredi Bobic Foto: Baumann

Demut steht einem Fast-Absteiger gut – doch es geht auch anders. Der VfB Stuttgart müht sich, wieder in die Offensive zu kommen.

Mayrhofen - Als es auf den Gipfel ging, war auch die Vereinsspitze mit dabei. Ein Akt mit Symbolcharakter? Womöglich. Bernd Wahler, der Präsident des VfB Stuttgart, hätte jedenfalls nichts dagegen. Gemeinsam mit dem Clubchef verbrachten Mannschaft, Trainerteam und Betreuer den Dienstagabend im Adlerblick. Die spektakuläre Hütte ragt auf 1850 Metern waagrecht aus einem Berg – und bietet vor allem eines: einen grandiosen Ausblick. Mit dem VfB als Gast war’s ein Ausblick auf die neue Saison – und diesbezüglich, so scheint es, gewinnen die Roten von Tag zu Tag mehr Mut.

Der Präsident: Sicher, Bernd Wahler hat sich schon das eine oder andere Mal den Mund verbrannt. Mal war’s die Champions League mitten im Kampf gegen den Abstieg, mal die Rückholaktion von Sami Khedira, zuletzt waren es die Gedanken an Kevin Kuranyi. Weil der Remstäler aber keiner ist, der sich danach ins Schneckenhaus zurückzieht, geht er weiter auf seiner Mission, die da lautet: Mut und Zuversicht verbreiten. Die neueste Ausgabe lieferte er am Mittwoch im Trainingslager in Mayrhofen – passenderweise in der Jagdstube des Teamhotels.

Natürlich steht auch beim Präsidenten zunächst der Beginn einer Entwicklung im Fokus des Sprachgebrauchs. Das, was Bernd Wahler in der Vorbereitung bisher gesehen hat, erfüllt ihn aber mit derart viel Optimismus, dass er auch sagt: „Wir sehen das Potenzial im Kader, wenn man das richtig zusammenbekommt, denke ich, dass deutlich mehr machbar ist.“ Und: „Ich denke, dass eine große Qualitätssteigerung machbar ist.“ Sein Gefühl soll ihn nicht trügen. Der Präsident erklärt: „Ich spüre den Geist von Mayrhofen.“ Oder meint er doch nur Armin Veh?

Der Trainer: Der neue Geist oder der Trainer? Eher hat das eine mit dem anderen zu tun. „Armin Veh gibt dem Verein einen großen Schub“, weiß Wahler und lobt die Eigenschaften, die der neue Coach auf sich vereint. Strebsam und diszipliniert auf dem Platz, menschlich und authentisch darüber hinaus. „Das kommt super an.“ Genauso wie das, was Veh vorhat. Der Coach mahnt zwar wie viele andere Demut an: „Wir kommen von unten.“ Eine mutige und offensive Spielweise will er seinem Team dennoch verordnen. War da mal jemand verunsichert? Schwamm drüber! „Ich will, dass wir mit viel Risikobereitschaft spielen“, sagt er, „die Leute, die ins Stadion kommen, sollen wissen, dass wir sie begeistern wollen.“ Dass der Schuss auch mal nach hinten losgehen kann, weiß Veh zwar ganz genau, von vorneherein von seinem Plan abzurücken kommt aber nicht infrage. Was die Offensivspieler freut – einen ganz besonders.

Der Stürmer: Monatelang hat Vedad Ibisevic geschwiegen. „Ich wollte meine schwierige Situation mit mir selbst ausmachen“, begründet er seinen Rückzug aus dem öffentlichen Licht – bei seiner Rückkehr eben dorthin. Am Mittwoch hat der Stürmer seinen Vertrag beim VfB vorzeitig um ein Jahr bis 2017 verlängert. Darüber sind zwar nicht alle Fans der Roten froh, und zunächst einmal ist diese Unterschrift nicht mehr als ein Stück Planungssicherheit. Nach einer verkorksten Rückrunde mit Roter Karte, Sperre und Reservistendasein markiert der neue Kontrakt dennoch einen Neustart. Nach dem Ende der vergangenen Saison seien ihm viele negative Dinge durch den Kopf gegangen, sagt Ibisevic, der gestern 30 Jahre alt wurde. Nach der Rückkehr nach Stuttgart und einem Gespräch mit Armin Veh habe er aber gleich „die positive Energie gespürt“. Und das Vertrauen des Vereins, weshalb es zur Ausweitung der Geschäftsbeziehung kam. Nun sagt er: „Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass es wieder besser läuft.“ Am besten kann er das mit Toren. Mit wie vielen? „Nach oben will ich mir kein Limit setzen“, sagt der Angreifer – und lacht. Was er ernst meint: „Ich will so viele Tore wie möglich erzielen und weiß, dass ich in der Verantwortung stehe.“ Wie viele andere – zuvorderst der Spielführer.

Der Kapitän: Christian Gentner versuchte das Amt des Spielführers beim VfB bislang auf seine Art auszufüllen: heimlich, still und leise. Damit ist nun Schluss. Denn im Rückblick auf die vergangene Saison hat der bisherige und vermutlich auch neue Kapitän festgestellt: „Außerhalb des Platzes habe ich Fehler gemacht. Als ich verletzt war, hätte ich von außen eingreifen müssen.“ Und sowohl auf das Trainerteam als auch auf die Kollegen einwirken. In Zukunft will Gentner, mittlerweile fast 29 Jahre alt, diesbezüglich die kontrollierte Offensive wählen. Einen ersten Vorgeschmack gab’s am Mittwoch, als er sich einerseits über die Vertragsverlängerung von Vedad Ibisevic freute, dem Kollegen jedoch auch ins Gewissen redete: „Er hat die Verantwortung und die Pflicht, sich mit guten Leistungen einzubringen und seine Führungsrolle auszufüllen.“

Das Fazit: Die mutigere Art steht dem VfB bislang gar nicht schlecht – und man kann erkennen: Der Kulturwandel wird nicht nur herbeigeredet, sondern mitunter schon gelebt, wenn auch noch nicht allerorten. Eine große Falle lauert zudem noch: die Bundesliga. Denn Präsident Bernd Wahler weiß nur zu gut: „Am Ende zeigt es sich auf dem Platz.“ Und nicht auf einem Gipfel in den Zillertaler Alpen.