Trotz zweier Tore gegen Köln wird Gentner nicht zum Helden: Es gibt einige Dinge zu verbessern.

Stuttgart - Es muss Ungeheuerliches passiert sein in den vergangenen Monaten. Hatte Christian Gentner eine göttliche Eingebung, hatte er einen Zaubertrunk intus, oder hatte er etwa einen talentierteren Doppelgänger vorbeigeschickt?

Die 55.000 Zuschauer in der Mercedes-Benz-Arena jedenfalls rieben sich verwundert die Augen: Der Christian Gentner, den sie da unten auf dem Rasen sahen, hatte nichts mit jenem Gentner zu tun, den sie vor kurzem noch wütend aus dem Stadion gepfiffen hatten. Was also hatte Gentners Wandlung bewirkt? "Ich habe nichts anders gemacht als sonst, ich habe nichts verändert", sagte er.

"Christian ist ein Musterbeispiel an Fleiß und gutem Charakter"

Er nicht. Aber etwas war doch anders als sonst. Christian Gentner (26) durfte im 4-2-3-1-System auf der Doppel-Sechs den offensiven Part mit allen Freiheiten nach vorn übernehmen. "Meine Lieblingsposition", sagte er, "so kann ich aus der Tiefe kommen und habe das Spiel vor mir. Das liegt mir." Gentner, ballsicher und ideenreich, fühlte sich sichtlich wohl. Viele Aktionen nach vorn gingen von ihm aus, beide VfB-Tore gingen ebenfalls auf sein Konto - sein erster Doppelpack als Profi. "Christian ist ein Musterbeispiel an Fleiß und gutem Charakter", sagte Sportdirektor Fredi Bobic über den zweimaligen deutschen Meister aus Beuren, "er hat sich nie hängen lassen, auch als er nicht gespielt hat."

"Nach einem guten Spiel kann man nicht von Durchbruch reden"

Es wäre also ein rundum gelungener Abend für Gentner gewesen - wenn der VfB gewonnen hätte. So aber blieb ihm die Rolle des strahlenden Helden verwehrt. Und das 2:2 hatte ihm auch selbst die gute Laune verdorben. Entsprechend deutlich fiel seine Manöverkritik aus: "Wir haben das eine oder andere Mal den besser postierten Nebenmann nicht gesehen oder nicht sehen wollen, oder jeder wollte vielleicht selbst ein Tor erzielen. Da muss sich jeder an die eigene Nase fassen. Womöglich fehlen uns am Saisonende die zwei verlorenen Punkte zu irgendwas. Das muss jedem bewusst sein."

Auch seine eigene Leistung mochte er nicht überbewerten. Ob das jetzt sein Durchbruch gewesen sei, eineinhalb Jahre nach seiner Rückkehr aus Wolfsburg? "Nach einem guten Spiel", sagte Gentner, "kann man nicht von einem Durchbruch reden." Solange ihm die schrillen Pfiffe mancher Fans in den vergangenen Wochen und Monate nachhallen, traut er dem Frieden nicht.