Bruno Labbadia - der nächste Trainer des Vfb Stuttgart? Foto: dpa

Sitzt Bruno Labbadia gegen Bayern bereits auf der Trainerbank des VfB?

Stuttgart - Die Talfahrt gibt zu größten Sorgen Anlass. Auch der neue Trainer Jens Keller setzt keine entscheidenden Impulse. Deshalb haben die Strategen beim VfB Stuttgart wieder die Hand auf der Notbremse.

Jens Keller sagt: "Mir macht mein Job immer noch sehr viel Spaß. Ich habe jeden Tag Freude daran." Das ist schön für ihn, nur spielt das für die Roten in ihrer überaus prekären Situation überhaupt keine Rolle. Auf dem Cannstatter Wasen hält man viele unschöne Szenarien für erträglich, nur eines nicht: den Absturz in die zweite Liga. Der VfB Stuttgart 1893 e.V. darf unter keinen Umständen absteigen, was bei vier Punkten Rückstand auf den Tabellen-15. Schalke aber kein Ding der Unmöglichkeit mehr ist.

Bobic schweigt zur Trainerdiskussion

Entsprechend laut schrillen die Alarmsirenen im roten Haus. Und entsprechend groß scheint die Bereitschaft, den nächsten Trainerjoker aus dem Ärmel zu ziehen. Jedenfalls hat der VfB sorgfältig den Trainermarkt sondiert, um jederzeit gewappnet zu sein für den Tag X. Der könnte früher kommen, als mancher denkt. Niemand müsste sich mehr wundern, wenn der Neue die Roten bereits am Freitagabend von der Trainerbank aus dirigieren würde. Dass er Bruno Labbadia heißen wird, ist kein Geheimnis mehr. Wobei - am gestrigen Dienstag warf Ex-VfB-Profi Krassimir Balakov als Trainer des bulgarischen Erstligisten Chernomore Burgas das Handtuch - angeblich aus Verärgerung darüber, dass ihm der Verein den Etat im sportlichen Bereich zusammengekürzt hat. Das kann, muss aber nicht bedeuten, dass Balakov zum VfB kommt. Dafür birgt die Seilschaft, die Fredi Bobic als Ex-Manager von Burgas mit seinem alten VfB-Kumpel bildet, zu viel Brisanz in sich.

Der Manager der Roten mag sich zur aktuellen Trainerdiskussion nicht äußern, und wenn, antwortet er ausweichend: "Wir müssen das Beste aus den bestehenden Ressourcen machen. Wenn man das Gefühl hat, dass es nicht klappt, dann muss man ran." Das schließt den Trainerposten mit ein. Bobic: "Auf die Frage, ob wir einen neuen Trainer brauchen, werde ich nicht antworten. Entscheidend ist, dass wir Punkte brauchen."

Labbadias Misserfolge für VfB zweitrangig

Jens Keller sagt: "Ich kann eine Entscheidung nur mit einem beeinflussen: mit Erfolg. Aus den zwei Bundesligaspielen bis zur Winterpause erhoffe ich mir sechs Punkte." Die jüngsten Auftritte der Roten nähren diese Zuversicht aber ebenso wenig wie seine Einschätzung: "Viele der letzten Spiele hätte man mit etwas mehr Glück auch gewinnen können." Das klingt verdächtig nach Durchhalteparolen, und die kann der VfB nun gar nicht brauchen - was für Labbadias raschen Einstieg spricht.

Als Stürmer von Darmstadt 98, des Hamburger SV, des 1. FC Kaiserslautern, von Bayern München, des 1. FC Köln, von Werder Bremen, Arminia Bielefeld und des Karlsruher SC war er einst durch die Strafräume gefegt. Er war Meister, Pokalsieger und Nationalspieler. Bevor nun alle Stricke reißen, soll er beim VfB frischen Wind entfachen und die Liga aufmischen - wie bei seinen letzten Stationen. Mit Bayer Leverkusen war er nach der Hinrunde 2008/09 Tabellenfünfter, mit dem Hamburger SV ein Jahr später nach der erfolgreichsten Halbserie des Clubs seit 28 Jahren Vierter. Labbadia ist der Schnellstarter unter den Trainern. Wo er hinkam, war Erfolg - fürs Erste.

Labbadias Misserfolge für VfB zweitrangig

Allerdings wurde er jeweils im zweiten Halbjahr entlassen. Die Vorwürfe gegen ihn lauteten: Sturheit, Kompromisslosigkeit, Prinzipienreiterei und zu wenig Einfühlungsvermögen. So entstand eine Kluft zwischen ihm auf der einen und den Spielern und Fans auf der anderen Seite, die bald nicht mehr überbrückbar war. Das war in Leverkusen so, wo er über ein Interview stolperte, in dem er die internen Verhältnisse anprangerte - ausgerechnet am Tag vor dem DFB-Pokalfinale gegen Werder Bremen (0:1), was ihm mancher als Kalkül auslegte.

Und es war erst recht in Hamburg so, wo ihm seine Ablösung wie eine Erlösung vorgekommen sein muss. Selten hat eine Mannschaft derart unverblümt demonstriert, wie dringend sie ihren Trainer loswerden will, wie der HSV damals beim 1:5 gegen Hoffenheim - so auffallend tapsig, wie sich Joris Mathijsen vor dem 0:1 und Jerome Boateng vor dem 0:2 anstellten. Führungsspieler wie Piotr Trochowski beschwerten sich über Labbadias Arbeitsstil, Stürmer Mladen Petric warf ihm vor, er habe ihn trotz Verletzung zum Training gedrängt. Labbadias Entlassung wurde, nicht eben stilsicher, im Betonbauch des Stadions verkündet - dort, wo der Gästebus während der Spiele parkt.

Für den VfB sind Labbadias mittelfristige Misserfolge erst mal zweitrangig. Für ihn zählen die Qualitäten, die er in Leverkusen und Hamburg zum Amtsantritt gezeigt hat. Bevor sich die Roten Gedanken über die nächste Saison machen, müssen sie in der laufenden Runde retten, was zu retten ist - nämlich den womöglich existenziellen Verbleib in der Bundesliga.